Ein 21-Jähriger aus der Ergenzinger Drogen-WG muss sich vor dem Landgericht verantworten. Foto: dpa

Haigerlocher wegen versuchten Mordes angeklagt. Rauschgiftermittler schildert vor dem Landgericht polizeiliches Vorgehen.

Tübingen/Rottenburg-Ergenzingen/Haigerloch - Drei mutmaßliche Drogendealer sollen von ihrer WG in Ergenzingen aus schwunghaften Handel mit Marihuana betrieben haben, bis sie im März festgenommen wurden. Doch wie kam die Polizei den Jungs überhaupt auf die Spur?

Am Tübinger Landgericht muss sich derzeit ein aus Haigerloch (Zollernalbkreis) stammender 21-Jähriger verantworten – ihm wird neben Drogenhandel auch versuchter Mord vorgeworfen. Er soll von einer Wohngemeinschaft in Ergenzingen zusammen mit zwei Mitbewohnern mit Marihuana gehandelt haben. Bei seiner Festnahme in Stuttgart im März dieses Jahres hat er versucht, in seinem Auto zu flüchten. Dabei überfuhr er einen Polizisten. Als die Polizei auf ihn schoss, hielt er an und wurde festgenommen.

Ein erfahrener Rauschgiftermittler vom Polizeipräsidium Reutlingen berichtete am Dienstag vor Gericht, wie er dem mutmaßlichen Dealer auf die Spur gekommen ist: Alles begann mit einem Hinweis vom Polizeirevier Horb auf einen Drogenverkäufer aus Ergenzingen im November des vergangenen Jahres. Des Weiteren sei damals ein vertraulicher Hinweis bei der Polizei eingegangen, der ebenfalls besagte, dass eine Gruppe in Ergenzingen schwunghaften Handel mit Drogen betreibe, dabei sei der Name des nun Angeklagten gefallen. Beide Männer wohnten in derselben WG in Ergenzingen.

Die Rauschgiftermittler begannen, die Telefone der jungen Männer abzuhören. Darin habe sich der Drogenhandel bestätigt, so der Ermittler. "Wir wollten wissen, wo das Marihuana herkommt. Aber in diese Richtung wurden keine Telefongespräche geführt." Doch über die Mobilfunkzellen, in die sich der nun Angeklagte einwählte, ergab sich ein Bewegungsprofil.

Die Beamten erkannten ein Muster: häufige Fahrten nach Backnang. Es gelang ihnen, dort den Lieferanten der Drogen-WG ausfindig zu machen. Am Abend des 11. März bemerkte die Polizei durch die Bewegung des Handys des Angeklagten, dass er nach Backnang fuhr. Zwei verdeckte Ermittler nahmen die Verfolgung auf. Man wollte die jungen Männer auf ihrem Heimweg nach Ergenzingen "bei günstiger Gelegenheit" festnehmen – diese ergab sich offenbar mitten in Stuttgart. Doch die Festnahme lief aus dem Ruder, ein Polizist wurde vom Angeklagten überfahren, der Angeklagte und sein Beifahrer wurden durch Schüsse verletzt.

Der Richter wollte wissen, warum die Männer nicht in der Wohnung des Drogen-Großhändlers festgenommen wurden. "In einem Gebäude weiß ich nie, was mich erwartet", sagt der Rauschgiftermittler.

Noch am selben Abend im März wurde der dritte Mitbewohner festgenommen, am Tag darauf der mutmaßliche Lieferant der Drogen. Auf dessen Handy gespeicherte Whatsapp-Nachrichten belegten, welche Mengen Marihuana die Ergenzinger bestellt und abgeholt hatten: mindestens neuneinhalb Kilo von Januar bis März. Das sei eine "erstaunliche" Menge, so der Rauschgiftermittler.

Unter den 25 bis 30 Abnehmern der mutmaßlichen Ergenzinger Dealer seien auch Jugendliche gewesen, heißt es vor Gericht. Der Verteidiger fragte den Rauschgiftermittler im Prozess, ob er darüber nachgedacht habe, früher einzugreifen. "Da wurden auch Drogen an Jugendliche verkauft, vor Ihren Augen!"

Der Ermittler erklärte: "Das Ziel ist immer, dass man von unten nach oben weiterkommt, also auch an den Lieferanten rankommt." Deshalb habe man darauf gewartet, eine Beschaffungsfahrt observieren zu können. "Vorher gab es keine Möglichkeit, das Ding mit Erfolg zu beenden", so die Überzeugung des Ermittlers.

Die Mitbewohner des nun Angeklagten wurden bereits zu zwei Jahren und fünf Monate sowie zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Das Urteil im laufenden Prozess wird für 9. Oktober erwartet.