Von Ehemann festgehalten: Junge Frau aus Tübingen und Tochter verlassen Syrien nach 208 Tagen Geiselhaft.

Tübingen/Idlib - Monatelang saß eine 22-Jährige aus Tübingen in Syrien fest. Ihr Ehemann, ein mutmaßlicher Al-Kaida-Kämpfer, soll die Frau dort festgehalten haben. Nun hat er die 22-Jährige und die gemeinsame Tochter überraschend freigelassen.

Giulia flüstert. Als wolle sie den Lärm nicht stören, der um sie herum tobt: den ohrenbetäubenden Knall, mit dem ein Düsenjet die Schallmauer durchbricht. Das Heulen der Triebwerke, wenn der Jet steil in den Himmel steigt, eine Kurve zieht und die Geschwindigkeit drosselt.

Die Triebwerke röhren. »Scheiße. Mein Haus. Was geht hier ab?«, schreit die junge Frau. Ihre Stimme überschlägt sich. Fast live kommt der Krieg Ende Februar aus dem Handy – direkt nach Baden-Württemberg. 3500 Kilometer beträgt die Distanz von Tübingen ins syrische Idlib.

Die schwer umkämpfte Region hat Giulia W. verlassen. Am Freitagabend deutete sich an, dass der Schweizer Dschihadist Alperen A. seine Frau und das gemeinsame Baby freilassen würde – nach 208 Tagen Geiselhaft, nach ungezählten Hilferufen Giulias. Festgehalten bei der Stadt Idlib, die zu Beginn des Monats in die Hände dschihadistischer Kämpfer unter der Führung des syrischen Al-Kaida-Ablegers Jabhat al-Nusra fiel.

Ihnen ist Giulia W. entkommen. Am Samstagabend überquerten die aus Tübingen stammende Konvertitin und ihre einen Monat alte Tochter die syrisch-türkische Grenze.

Den 21-jährigen Schweizer aus Arbon im Kanton Thurgau lernte die Tübingerin offenbar in Stuttgart kennen. Dort verschenkte der Logistiker 2013 an einem Stand der inzwischen fast überall in Europa aktiven »Lies!-Aktion« in der Königstraße Korane. Verfassungsschützern gilt das Projekt als Durchlauferhitzer, bei dem junge Menschen zunächst für den Islam und schließlich für den Heiligen Krieg in Syrien und dem Irak gewonnen werden.

Eine zentrale Rolle auf dem Weg auf diese Schlachtfelder spielt auch die salafistische »Mesdischid-Sahabe«-Moschee in Stuttgart. Bislang sind mindestens sechs Besucher dieser von bosnischen Muslimen betriebenen Moschee in den Dschihad nach Syrien gereist.

Alperen A. ist inzwischen in der Hierarchie der Al-Kaida-Filiale Jabhat al-Nusra aufgestiegen: Anfang April wurde in der Provinz Idlib er zum Cheflogistiker der Terrororganisation für Bombenbau. Sein Gesellenstück: Er rüstete einen Attentäter aus, der sich am 25. März in der Stadt Idlib in die Luft sprengte. 28 Menschen starben.