Justizminister Wolf (CDU) reagiert auf die Herausforderungen hinter Gittern. Foto: dpa

Statistisch gesehen ist die Infektionsgefahr bei Tuberkulose in einem Gefängnis 13-mal so hoch wie auf offener Straße. Das birgt auch ein Risiko für die Justizvollzugsbediensteten. Reagiert das Land als Dienstherr?

Stuttgart - Weil sich die Gefahr einer Ansteckung mit Tuberkulose in baden-württembergischen Gefängnissen in den vergangenen Jahren drastisch erhöht hat, fordert Justizminister Guido Wolf (CDU) jetzt, dass eine solche Erkrankung bei Justizvollzugsbediensteten als Dienstunfall anerkannt wird. Er halte die bisherige Rechtslage „nicht mehr für angemessen“, schrieb Wolf in einem Brief an Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne), der unserer Zeitung vorliegt.

Der Justizminister bittet seine für die Landesbeamtenversorgung zuständige Kollegin deshalb, sich für eine Änderung der Rechtslage einzusetzen.

Wenn Vollzugsbeamte sich mit einer Infektionskrankheit, insbesondere der Tuberkulose, anstecken, soll den Vorstellungen von Wolf zufolge künftig die Regelvermutung bestehen, dass es sich um einen Dienstunfall handelt. Damit könnte direkt ein sogenanntes Fürsorgeverfahren und damit eine unmittelbare Kostenübernahme für den Betroffenen eingeleitet werden.

Wolf spricht von „erheblicher Verunsicherung“

Bislang müssen Beamte nachweisen, dass sie sich im Dienst – und nicht woanders – mit einer Infektionskrankheit angesteckt haben, um eine Anerkennung als Berufskrankheit zu erreichen. Im Fall einer Tröpfchenübertragung – wie bei der bakteriellen Tuberkulose – ist das in der Praxis allerdings nicht möglich.

Die Nichtanerkennung führe unter den Beamten des Justizvollzugs „zu erheblicher Verunsicherung“, so Wolf in seinem Schreiben an Sitzmann. Und das in Zeiten, in denen der Justizvollzug aufgrund der Überbelegung der Gefängnisse „außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt“ und man auf die hohe Einsatzbereitschaft der Beamten angewiesen sei.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung werden Infektionskrankheiten nur in Ausnahmen als Dienstunfall anerkannt: entweder, wenn ein Beamter im Dienst der Gefahr einer Erkrankung besonders ausgesetzt war – zum Beispiel auf einer Krankenstation – oder wenn sie in einem bestimmten Einsatzbereich der Beamten geballt auftritt. Wie unsere Zeitung bereits berichtete, litten mehrere Bedienstete unter dieser strikten Regelung und mussten ohne Fürsorgeverfahren die teuren Behandlungskosten erst mal vorstrecken, ehe diese erstattet wurden.

Gewerkschaftschef Schmid lobt Wolfs Einsatz

Die Tuberkulose-Fallzahlen bei Häftlingen liegen seit drei Jahren auf einem höheren Niveau. Statistisch ist die Infektionsgefahr hinter Gittern 13-mal so hoch wie im Alltag. Wie das Justizministerium mitteilte, gab es 2012 und 2013 je neun Neuinfektionen bei Gefangenen, 2014 waren es lediglich acht. In den Jahren 2015 (22 Fälle), 2016 (17 Fälle) und 2017 (28 Fälle) erhöhte sich deren Zahl deutlich. Der Anstieg sei wahrscheinlich auf den vermehrten Zugang von Gefangenen aus Regionen mit hohem Tuberkulose-Aufkommen zurückzuführen, etwa aus dem osteuropäischen, asiatischen und afrikanischen Raum, sagte ein Ministeriumssprecher.

Der Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), Alexander Schmid, lobte den Vorstoß von Wolf. Er betonte, dass die neue Situation ein entschlossenes Handeln der Politik zum Schutz der Beschäftigten erfordere. Zwar seien es bisher nur Einzelfälle, aber „gerade da zählt es“. Eine Sprecherin des für die rechtlichen Bestimmungen zuständigen Finanzressorts bestätigte den Eingang des Wolf-Schreibens. Das Anliegen werde nun sorgfältig geprüft, sagte sie.