Überfüllte Tonnen ärgern die Bürgerschaft immer wieder, werden offenbar aber häufig vom Entsorger toleriert. Foto: Otto

Vor knapp drei Jahren führte die Hausmüllgebührenerhöhung um 27 Prozent im Kreis Rottweil zu einer Welle der Entrüstung, die kaum abebben wollte. In diesem Jahr wurden die Gebühren abermals erhöht. Nun ist klar: Auch 2023 werden sie ansteigen.

Kreis Rottweil - Die Inflation macht auch vor der Abfallentsorgung nicht Halt. Diesem Umstand soll nun mit einer Hausmüllgebührenerhöhung um rund vier Prozent Rechnung getragen werden. Hinzu komme, dass man indexierte Verträge abgeschlossen habe – andere bekomme man ohnehin kaum mehr – erklärte Landrat Wolf-Rüdiger Michel im Kreisausschuss des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft die erneute Erhöhung.

Einen riesigen Sprung um 27 Prozent hatten die Müllgebühren 2020 gemacht. Höhere Kosten für Treibstoff und Löhne führten 2022 zu einer erneuten Erhöhung – diesmal um durchschnittlich vier Prozent. Nun steht wieder eine Anpassung an, die vom Kreisausschuss bei nur einer Enthaltung von Ruth Hunds (SPD) abgenickt wurde.

Ausgerechnet jetzt erhöhen?

Kritik gab es dennoch. Hunds wies darauf hin, dass der Landkreis Rottweil in Sachen Höhe der Hausmüllgebühren im landesweiten Vergleich ziemlich weit oben stehe. Gerade jetzt, wo sich die Kosten in jedem Bereich erhöhen, auch noch die Müllgebühren anzuheben, damit tue sie sich schwer. "Die Bürger haben gerade einiges zu ertragen. Können wir nicht eine Investition schieben und die Gebühren dafür auf dem jetzigen Stand belassen?", fragte sie.

Für Erhöhungen sei nie der richtige Zeitpunkt, meinte Michel. Man nutze aber immerhin den kleinen Spielraum, den man habe. Eigentlich müsste man die Gebühren angesichts einer aktuellen monatlichen Inflationsrate von rund zehn Prozent noch stärker erhöhen, etwa um sieben bis acht Prozent, so der Landrat. Stattdessen erhöhe man diesmal nur geringfügig, wohl wissend, dass in den Folgejahren voraussichtlich weitere Erhöhungen nötig sein werden. Zu Hunds’ Vorschlag teilte der Landrat mit, bei der Abfallentsorgung dürfe man als Landkreis keinen dauerhaften finanziellen Verlust machen und bei den Gebühren nicht subventionieren. Das sei gesetzlich festgehalten.

Gute Qualität kostet Geld

Klar sei aber auch: Wer gute Qualität wolle, müsse diese bezahlen. Als Beispiel nannte der Landrat den Einsatz von Zwei- statt Ein-Mann-Lastwagen zur Abfallentsorgung und gewisse ökologische Kriterien, die man zur Voraussetzung gemacht habe. Zudem habe man das Zigfache an Grüngutstellen im Vergleich zu anderen, auch größeren Landkreisen. Michel hob auch erneut hervor, dass man bei der Hausmüllgebühr nur leicht über dem Niveau von 2022 liege – so etwas gebe es sonst heutzutage bei keiner Dienstleistung mehr. "Wir erwarten dafür keinen Beifall, aber wir hoffen auf Verständnis." Hermann Acker (FWV) schlug in dieselbe Kerbe: "Wenn wir die Gebühren nicht erhöhen wollen, müssen wir an die Standards ran."

Der Erste Landesbeamte Hermann Kopp wies darauf hin, dass man ein ausgeklügeltes Sparpunkte-System habe. Wer Müll vermeide, der müsse weniger bezahlen. Unterhaltungsmaßnahmen zurückzufahren, wäre derweil sehr kurzsichtig, so seine Meinung.

Klappt es inzwischen mit der Abholung?

Entscheidend sei doch, dass der Müll zeitnah abgeholt werde, fand Horst Niehues (AfD). Das klappe in den vergangenen Wochen und Monaten besser. "Die Kosten laufen in allen Bereichen davon. Die Abfallentsorgung muss sich eben rechnen", stimmte er der Erhöhung zu.

Landrat Michel bekräftigte dies. Die Kräfte der Müllabfuhr arbeiteten zügig, rasch und unter hoher Belastung bei Wind und Wetter. Dass der Müll stehen bleibe, komme natürlich trotzdem mal vor – sei es wegen Corona oder der Urlaubszeit. Zudem fehlten bundesweit immer noch mindestens 100 000 Lastwagenfahrer.

Michael Lehrer (FWV) stellte nicht unbedingt eine Verbesserung bei der Abholung des Mülls fest und sprach konkret den Bereich Aichhalden/Rötenberg an. Eigenbetriebsleiter Christian Mutz entgegnete, 2022 habe man dort lediglich vier Vertragsstrafen verhängen müssen. Zudem sei es nur um die Papiertonne gegangen. Diese habe nach der Abholung von Bio- und Restmüll dritte Priorität.

Weniger Reklamationen

Auf Lehrers Entgegnung, es habe sich um Biomüll gehandelt, meinte Mutz, Fakt sei, dass die Reklamationszahlen insgesamt um zwei Drittel zurückgegangen seien. "Der Service ist also insgesamt faktisch besser geworden." Der Punkt Beschwerdemanagement soll zu einem anderen Zeitpunkt nochmal intensiver beleuchtet werden, hieß es im Ausschuss.

Lehrer gab mit Blick auf künftige Gebührenentwicklungen zu bedenken, dass man angesichts der Verträge mit langer Laufzeit überlegen müsse, was man outsourcen müsse und was man selbst übernehmen könne und zudem, wie man die Leistungen künftig ausschreibe.

Ärgernis: Überfüllung

Elke Müller (Grüne) sprach diverse Ärgernisse an, darunter die konsequente Überfüllung von Tonnen, um Geld zu sparen. "Und ALBA nimmt die Tonnen dann trotzdem mit, weil der Müll sonst überall herumliegt. Können wir keine Vorgabe machen, dass der Deckel der Tonne geschlossen sein muss?", fragte Müller. Diese Idee fand die Verwaltung nicht zielführend. Man sei dankbar für die Toleranz der Entsorger, meinte Michel. "Ließe man alles stehen, was nicht korrekt ist, gäbe es einen Riesenaufstand in der Bevölkerung", war er sich sicher. "Im Müll stecken Emotionen drin. Man kriegt keine Gerechtigkeit bis ins letzte Glied hin. Mehr Bürokratie macht da auch nicht zufriedener", meinte Hermann Kopp.

Entrümpelung auf Kosten der Allgemeinheit

Ein weiterer Dorn im Auge ist Müller der Sperrmüll. Viele entrümpelten da ganze Wohnungen auf Kosten der Allgemeinheit. Rainer Pfaller (FWV) erkundigte sich nach der Anlieferung von Sperrmüll. Diese sei seit 2021 auf der Deponie in Bochingen möglich, meinte Mutz. Man habe die Möglichkeit jedoch bewusst nicht zu sehr propagiert, weil es nur knappes Personal und unzureichende Rangiermöglichkeiten auf der Deponie gebe. Zu Müllers Kritik sagte Mutz, man sei deshalb täglich mit dem Entsorger ALBA im Gespräch. Allein am Rottweiler Hegneberg habe man 500 Briefe wegen Sperrmüllvergehen verschickt.

Weitere Info: Kalkulation und Erhöhungen

Die Aufwendungen zur Abfallentsorgung werden sich im Vergleich zu 2022 um rund 1,5 Millionen auf 16,4 Millionen Euro erhöhen. Allein im Bereich "Einsammeln und Befördern" steigen aufgrund der Preisanpassungsklauseln in den Verträgen mit dem Entsorger ALBA und dem Transportunternehmen Heizöl Häberle um rund 970 000 Euro (15,9 Prozent) auf rund 7,1 Millionen Euro. Aus demselben Grund steigen auch die Kosten für die Entsorgung von Grünabfällen für den Landkreis: Um 18,6 Prozent (120 000 Euro) auf 765 000 Euro. Von allgemeinen Kostensteigerung ist auch die thermische Behandlung des Restabfalls im Restmüllheizkraftwerk Böblingen betroffen: Die Kosten steigen um 430 000 Euro (15,1 Prozent) auf 3,3 Millionen an. Die Erträge liegen derweil insgesamt bei rund 2,3 Millionen Euro.

Unter Berücksichtigung des Ausgleichs der Vorjahresergebnisse ist über die Abfallgebühren 2023 ein Betrag von rund 13,8 Millionen Euro zu finanzieren. Dieser wird mit 12,3 Millionen den Hausmüllgebührenzahlern, mit 1,2 Millionen dem Gewerbe und mit 268 000 Euro den Selbstanlieferern zugeordnet.

Die Hausmüllgebühren erhöhen sich deshalb um rund vier Prozent, die Gebühren für die Entsorgung der hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfälle um etwa fünf Prozent. Bei den Selbstanlieferern ergibt sich bei den Beseitigungsabfällen zur Behandlung eine Gebührenerhöhung von 210 auf 233 Euro pro Tonne (elf Prozent mehr). Des Weiteren erhöhen sich die Gebühren für Grünabfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushalten von 154 auf 176 Euro pro Tonne (+14 Prozent). Die Gebühren für die private Anlieferung von Altholz reduzieren sich derweil.