Das Mercedes-Museum ist die Nummer eins bei vielen Stuttgart-Besuchern. Foto: Leif Piechowski

Der Tourismus in Stuttgart hängt stark von den Geschäftsreisenden ab. Sie machen zwei Drittel bei den Übernachtungszahlen aus.

Stuttgart - Sie sind aus Spanien mit dem Motorrad gekommen. Die tagelange Fahrt der vier Madrilenen endete am Mittwochmittag am Rotebühlplatz. Mitten in der Stadt also. Dort, so dachten sie, muss doch eine der wichtigsten Attraktionen von Stuttgart liegen. „Wo ist Porsche?“, fragten die Touristen einen Passanten und werden die Theodor-Heuss-Straße entlanggeschickt. Richtung Zuffenhausen, danach wollen sie weiter. Erst ins Porsche-, dann ins Mercedes-Benz-Museum. „Beides sind die wichtigsten Anlaufpunkte der Stuttgart-Besucher“, bestätigt Armin Dellnitz, Chef der Regio Stuttgart Marketing GmbH.

Vier Spanier, zwei Ziele, eine Gemeinsamkeit. Die Wirtschaftskraft der Stadt, insbesondere der Automobilindustrie, ist Magnet und Motor für den Tourismus. „Nach wie vor spiegelt sich im Stuttgarter Übernachtungsmarkt deutlich die wirtschaftliche Situation der Region wider“, sagt Dellnitz und präsentiert Zahlen: In der Halbjahresbilanz des Übernachtungsaufkommens in Stuttgart gibt es einen Zuwachs von 8,4 Prozent. Im ersten Halbjahr 2012 wurden 799.438 Gäste und 1.462.896 Übernachtungen (8,4 Prozent Zuwachs) registriert.

Damit liege Stuttgart „auf Augenhöhe“ (Dellnitz) mit anderen deutschen Großstädte, die ähnliche Zuwachsraten haben. „Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf und München spielen in derselben Liga wie Stuttgart.“

Kopplung der touristischen Entwicklung an die wirtschaftliche Situation ist gleichzeitig Fluch und Segen

Für Armin Dellnitz ist das der Ausweis für eine gute Arbeit seines Teams. Denn sein Etat sei eher bescheiden. Das jährliche Gesamtbudget beträgt sechs Millionen Euro, der darin enthaltene Marketing-Topf drei Millionen Euro. Trotz des positiven Gesamttrends ist Dellnitz nicht ganz zufrieden. Denn die Kopplung der touristischen Entwicklung an die wirtschaftliche Situation ist gleichzeitig Fluch und Segen. Der Marketing- und Tourismus-Experte strebt daher größere Unabhängigkeit von den Geschäftsreisenden an. Bisher verteilen sich die Übernachtungs- und Gästezahlen auf 70 Prozent Geschäfts- und 30 Prozent Freizeitreisende. Dieses Ungleichgewicht schlage bei einer Wirtschaftskrise unweigerlich ins Kontor. „Wir streben aus diesem Grund ein Verhältnis 60 zu 40 an, um diese große Abhängigkeit etwas ausgleichen zu können“, sagt er.

Wie das gelingen soll? Die Antwort liegt für Armin Dellnitz auf der Hand. Er will das größte Reservoir anzapfen, über das Stuttgarts Tourismus verfügt: die Geschäftsreisenden. „Sie sind Multiplikatoren und sollen zu Botschaftern für Stuttgart werden“, sagt er, „die dürfen wir nicht einfach so wegfahren lassen. Das wäre grob fahrlässig.“

„Am Ende des Jahres sollen in Stuttgart drei Millionen Gäste übernachtet haben“

Voraussetzung dafür ist freilich, jenen Gästen, die unter der Woche auf Messen, Tagungen, bei Bosch, Festo oder Daimler arbeiten, während ihres Stuttgart-Aufenthalts etwas zu bieten. „Wir wollen elegante Wege gehen, um diese Menschen für das zu begeistern, was Stuttgart und die Region bieten“, sagt Dellnitz. Im besten Fall sollen diese Gäste dann mit Frau oder Familie als Städtereisende zurückkehren. Eine schöne Idee. Aber auch Dellnitz weiß, dass die schönsten Pläne oft an der Kasse sterben. Da seine finanziellen Mittel für großangelegte Marketing- und Werbemaßnahmen begrenzt sind, will er alle Kräfte bündeln: „Wir bekommen das nur hin, wenn wir als Dirigent eines großen Orchesters auftreten.“

Bedeutet: Die Hotellerie, die Fluglinien, aber auch Kliniken, die vom Medizin-Tourismus profitieren, sollen im gleichen Takt spielen wie die Region Stuttgart Marketing GmbH. „Das ist eine Herausforderung“, sagt Dellnitz, lässt sich aber gerne festnageln. Zumindest für das Jahr 2012 und das darauffolgende Jahr wird er konkret: „Am Ende des Jahres sollen in Stuttgart drei Millionen Gäste übernachtet haben. Das nächste Ziel sind dann 3,5 Millionen.“