Keine andere Kommune hat so viele Unterschriften gegen den Bildungsplan 2015 gesammelt als Trossingen: Es sind 691. Foto: Reichel

Bundesweit die meisten Unterschriften der Petition gegen die "Ideologie des Regenbogens".

Trossingen - Bei der Petition gegen den Bildungsplan der Landesregierung liegt Trossingen an der Spitze: Hier wurden 691 Unterschriften gesammelt, mehr als in jeder anderen Kommune.
Bekanntlich ist  dem Petitionsausschuss des Landtags die Petition "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" mit über 192.000 Unterschriften, darunter 81 910 aus Baden-Württemberg, vorgelegt worden.

Hinter dem Spitzenreiter  Trossingen folgt Filderstadt mit 668 Unterzeichnern. Der Hauptgrund für die Spitzenstellung der Musikstadt dürfte in der hier lebenden relativ hohen Zahl konservativer und evangelikaler Christen zu suchen sein.Torsten Kramer, geschäftsführender Pfarrer der evangelischen Gemeinde Trossingen, ist von dem Ergebnis überrascht: "Ich komme als geschäftsführender Pfarrer viel rum in der Gemeinde und spreche viel mit den Leuten; aber bei uns war das nie ein Thema."

Die Aufregung hinsichtlich des neuen Bildungsplans kann er persönlich zwar nicht verstehen, doch kann er nachvollziehen, wenn einige konservative Christen irritiert sind durch den Bildungsplan oder auch durch die neue Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der sich diese für die Anerkennung einer breiten Vielfalt von Familienformen ausspricht.Zu den Trossinger Unterzeichnern gehört auch Diakon Sacha Flammer, der das evangelische Jugendwerk in Trossingen leitet. "Der Punkt ist für mich, dass ich ja auch Religionsunterricht in den Schulen gebe und damit an diesen Bildungsplan gebunden wäre. Und damit hätte ich persönlich Schwierigkeiten. Für mich ist die Ehe gegeben zwischen Mann und Frau. Das ist die Ordnung, die Gott gewollt hat."

Diakon Flammer fordert Toleranz

"Das Thema Homosexualität gehört sicher in den Unterricht", meint Flammer, "die Kinder fragen ja danach." Aber er könne die in der Bibel vertretenen Werte, so wie er sie verstehe, dabei nicht verleugnen. "Ich verurteile nicht die andere Meinung, ich muss diese aber nicht annehmen", stellt  Flammer fest.

Doch eben diese Toleranz fordere er auch von der anderen Seite. "Der Vorwurf, dass wir Homosexuelle hassen würden, ist für meine Person und andere, mit denen ich gesprochen habe, nicht haltbar", betont Flammer.

Der größte Teil der Trossinger Unterzeichner der Petition dürfte jedoch, wie ein Blick auf die im Internet veröffentlichte Liste der Unterschriften vermuten lässt, aus dem Kreis der Pfingstkirchen kommen, die in Trossingen mit mehreren unterschiedlich ausgerichteten Gemeinden vertreten sind. Und hier werden auch ausgesprochen fundamentalistische Auffassungen laut: Peter Friesen etwa von der Freien Evangeliumschristengemeinde, deren 620 Mitglieder nach seinen Angaben vor allem aus Kirgisien und Kasachstan kommen, ist stolz, dass in Trossingen die meisten Unterschriften gegen den neuen Bildungsplan gesammelt worden sind – auch in seiner Gemeinde.

Sein Grund, die Petition zu unterzeichnen, sei die Ablehnung der Behandlung des, so Friesen, "Homosexualismus" in der Schule: "Das ist total gegen die Bibel. Deswegen sind Sodom und Gomorrha verbrannt worden." Eine solche fundamentalistische Sichtweise kann Pfarrer Torsten Kramer von der evangelischen Gemeinde nicht teilen: "Die Frage für uns Christen ist doch letztlich die", so Kramer, "was würde Jesus in dieser Situation sagen? Und er würde diese Leute" – gemeint sind etwa Homosexuelle – "sicher nicht verteufeln, sondern liebevoll annehmen."