Landwirtschaft verliert - Industrieansiedlung gewinnt
Von Karl Volk
Die Geschichte Gremmelsbachs während des letzten halben Jahrhunderts wäre einer tiefschürfenden soziologischen Studie wert. Hier muss die Erinnerung genügen, und sie kann nicht alles aufzählen, was der Teilort Tribergs (seit 1974) erlebt hat.
In den Nachkriegsjahren nahm das Dorf einen unerhörten Aufschwung. Zu den frühesten Errungenschaften gehörte nach heftiger Diskussion die Dorfwasserleitung. Der Wegebau kam in Gang, die Dorfstraße wurde befestigt, die Erschließung eines Neubaugebiets ermöglichte bauwilligen Einheimischen und Auswärtigen eine Baugelegenheit.
Für die Infrastruktur wurde alles getan. Ein neues geräumiges Schulhaus wurde gebaut, stand nach Abzug der Grund- und Hauptschule der Förderschule zur Verfügung, ist heute Dorfgemeinschaftshaus, bietet dem Kindergarten und den Vereinen Unterkunft. In Gremmelsbach war eine Poststelle, Zweigstellen der Sparkasse und der Volksbank. Tourismus und Gastronomie blühten, zu den vorhandenen Gasthäusern gesellten sich der "Berghof" und das "Lindenstüble". Heimarbeit wurde in großem Maße vergeben. Von Betrieben in Triberg und St. Georgen wurden Kleinbusse für Arbeiter eingesetzt. Zug um Zug wurden Wege und Hofzufahrten befestigt. Das Dorfbild wurde um die Aussegnungshalle bereichert. Das Neubaugebiet wurde erweitert, die Wasserversorgung erneuert: Nussbacher und Bodenseewasser fließt nach Gremmelsbach. Stetige Aufwärtsentwicklung auf allen Gebieten? Leider nicht. Auch der gegenläufige Trend ist nicht zu übersehen. Die Kirche blieb im Dorf, aber ohne eigenen Pfarrer. Wie überall: Kleine Lebensmittelgeschäfte haben zugemacht. Keiner der drei "Tante-Emma-Läden" konnte überleben. Keine Einkaufsmöglichkeit mehr im Dorf. Auch keine geöffnete Gaststätte mehr in der Dorfmitte. Einst landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe mussten aufgeben oder gehören heute zu den "Kleinen". Ihre Produkte werden - deprimierend für die Bauern - anderswo billiger erzeugt, können nicht mehr gewinnbringend vermarktet werden: eine nie dagewesene Entwicklung, die im täglichen Leben fundamentale Veränderungen im Gefolge hat.
Die Plackerei auf den Höfen vom Frühjahr bis zum Herbst ist seit über einem halben Jahrhundert passé. Scharen von Menschen auf den Feldern, zerschundene Zugtiere: vorbei, verweht, hoffentlich nie wieder. Die Landwirtschaft hat sich auf die Höhen zurückgezogen und wird mit modernster Technik betrieben. Sie lohnt nur noch in großem Stil. Die Heu- und Getreideernte ist in wenigen Tagen, um nicht zu sagen in wenigen Stunden bewältigt. Neue Rinderrassen liefern wertvolles Fleisch. Höfe stehen leer oder dienen als Wochenendhäuser.
Doch das Ende der Zeiten ist deswegen nicht gekommen. Das Dorf besticht durch sein gepflegtes Aussehen. Das Gemeinschaftsleben ist eine Freude. Die Vereine sind aktiv, beflügeln das dörfliche Leben. Industrie, technische Betriebe haben sich angesiedelt. Sichere Arbeitsplätze werden angeboten. Das Dorf ist mit modernster Technik (DSL) versorgt, sekundenschnelle Kommunikation rund um den Globus ist möglich. Die junge Generation ist eingestiegen, sie kann mithalten, nimmt ihre Verantwortung wahr. Betriebe mit Angestellten in der Ferne - Gott weiß wo - können vom Büro aus im Wohnhaus in Gremmelsbach geleitet werden.