Lothar Dold erinnert sich, wie er als damals 15-Jähriger das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte. Archivfoto: Foto Carle Foto: Schwarzwälder Bote

Kriegsende: Lothar Dold erinnert sich an Erlebnisse im Mai 1945 / Langer Fußmarsch

Triberg. In diesem Jahr jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 75. mal. Zeitzeugen gibt es immer weniger. Der mittlerweile 90-jährige, aus Triberg stammende Lothar Dold erinnert sich, wie er diese, auch für Deutschland so bewegende Zeit erlebt hat.

Am 10. Mai 1945, es war an Christi Himmelfahrt, hatte er sich auf den Weg vom Bodensee zurück in seine Heimatstadt nach Triberg im Schwarzwald gemacht. Als 15-jähriger Internatsschüler war er nämlich kurz vor Kriegsende auf dem Rehmhof, Gemeinde Bodman, gestrandet.

Mit Bescheinigung des Bürgermeisters geht es auf den Heimweg

"Zum Waffenstillstand am 8. Mai 1945 eröffnete mir mein Wirtsherr, dass ich jetzt nach Hause gehen könne, denn der Krieg sei ja jetzt zu Ende. Ausgestattet mit einer Bescheinigung des Bürgermeisters von Bodman, wonach ich als Schüler zu meinen Eltern nach Triberg wolle, ging ich los bei herrlichem Sonnenschein, das Nötigste verpackt in Tornister und Aktentasche", schreibt er von seinen Erlebnissen damals.

"Über Feldwege erreichte ich bald Wahlwies, wo eine kleine einsame Kirchenglocke, die den Krieg wohl auf wundersame Weise überlebt hatte, den Feiertag einläutete. In den Ortschaften fanden Prozessionen von meist älteren Frauen und Männern statt, Mütter hielten ihre Kinder an der Hand. Manchmal begegnete ich anderen ›Wanderern‹. Da man nicht wusste, mit wem man es zu tun hatte, bevorzugte ich, alleine zu bleiben auf Landstraßen, keine Schleichwege.

An der Aachquelle erinnerte ich mich, dass die Donau doch in den Bodensee fließt und in die Nordsee mündet, zumindest zu einem Teil. In Engen war es Mittagszeit und ganz schön warm. Ich hatte Durst. Von mitleidigen Leuten bekam ich zu trinken."

Es war jedoch kein Wasser, um das er eigentlich gebeten hatte. Vielmehr gaben ihm die Leute Most. "Aus Höflichkeit habe ich den Most getrunken und musste es bald büßen. Vor mir lag auf der alten Landstraße B 33 die Engener Steige. Auf halber Anhöhe konnte ich mich nicht mehr aufrecht halten und legte mich für eine kurze Pause in den Schatten einer Eiche. Mühsam ging es weiter bergan."

Und weiter schreibt Dold: "Geisingen war das Hoffnungswort und gab neuen Auftrieb. Dort gab es wohl einen ›Laisses Passer‹. Das erste französische Wort, das ich kennenlernte. Auf der Kommandantur des 152. Französischen Infanterieregiments bekam ich meinen ›Laisses Passer‹ mit dem Zusatz ›jusqu'a prochain Kommandanture‹. Am Ortsausgang leistete mir dieser Pass gleich erste Hilfe. Kurz vor Geisingen hätte ich diesen Pass schon nötig gehabt, denn plötzlich standen zwei berittene französische Offiziere vor mir. Glücklicherweise ließen sie mich aber weitergehen.

In Gutmadingen wurde ich auf die Ausgangssperre ab 16 Uhr angesprochen. Bei einem Bauern durfte ich über Nacht bleiben und bekam auch etwas zu essen. Auf dem Hof lebte eine Frau, die als Evakuierte aus Mannheim stammte. Sie übersetzte mir meinen ›Laisses Passer‹. Man sollte mich bis zur nächsten Kommandantur gehen lassen.

Auf meinem weiteren Weg umging ich daher mögliche Schwierigkeiten in den Städten Donaueschingen, Villingen, aber auch Furtwangen. So kam ich in das Bregtal. An den Straßenrändern lagen noch Unmengen zerstörter und ausgebrannter Reste von deutschem Kriegsmaterial. Einem Bauern half ich, das Ufer der Breg von winterlichem Unrat zu befreien, und er nahm mich dafür auf seinem Traktor mit nach Hause. In Vöhrenbach wurde es noch mal ungemütlich, denn der Bauer hatte noch etwas auf dem Rathaus zu erledigen, und das war voller französischer Soldaten", erinnert sich Dold.

100 Kilometer langen Fußmarsch zum Elternhaus bewältigt

"Am nächsten Morgen erreichte ich bald den Stöcklewaldturm. Nicht mehr weit bis Triberg. Doch plötzlich stand da ein marokkanischer Spahi im Wald auf der Rodelbahn. Er wollte nichts von mir. War wohl wie ich überrascht.

Über den schönen Wasserfall erreichte ich nach zwei Tagen und zwei Stunden und etwa 100 Kilometer Fußmarsch mein Elternhaus. Meine Eltern waren überglücklich. Es war an einem sonnigen Samstag, morgens um 10 Uhr am 12. Mai 1945."

Dold ging wieder zur Schule und absolvierte 1949 sein Abitur in Triberg. Anschließend wechselte er zur Bundeszollverwaltung in Südbaden und war ab 1961 und bis zur Pensionierung 1995 im Bundesministerium für Wirtschaft tätig. Nachdem er 40 Jahre in Bonn gewohnt hatte, wollte er 2001 wieder zurück ins heimatliche Baden-Württemberg und wohnt nun in Offenburg.