Immer mehr junge Menschen machen den Jagdschein – aus ganz anderen Gründen als frühere Generationen. Zwei junge Menschen aus der Region erzählen, warum sie jagen lernen.
Immer mehr junge Menschen in Deutschland machen den Jagdschein. Was einst eine lebensnotwendige Tätigkeit war, hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt – von der Nahrungsbeschaffung über ein Privileg des Adels bis hin zum modernen Verständnis von Wildhege und Naturschutz.
Heute entdeckt eine junge Generation die Jagd neu: nicht aus Notwendigkeit, sondern aus dem Wunsch nach Nachhaltigkeit, Wissen und Verantwortung gegenüber der Natur. Zwei junge Menschen erzählen, warum sie sich entschieden haben, Jägerin und Jäger zu werden – und was sie an der Jagd fasziniert.
„Es geht um Respekt, nicht ums Töten“
Larissa Grob ist 21 Jahre alt, kommt aus der Nähe von Pforzheim und steckt mitten in der Ausbildung zur Industriekauffrau. Bald will sie ihren Jagdschein machen.
„Was mich an der Jagd besonders fasziniert, ist die tiefe Verbundenheit zur Natur und zu den Tieren“, sagt sie. Für sie sei Jagen keine Gewalt, sondern Verantwortung. „Es geht keineswegs darum, die Tiere gedankenlos zu erlegen, sondern vielmehr um einen respektvollen Umgang mit der Umwelt.“
Grob wuchs in einer Familie auf, in der fast alle jagen. Schon als Kind lernte sie, Wildspuren zu lesen und den Wechsel der Jahreszeiten im Wald zu beobachten. Heute sieht sie die Jagd als Beitrag zum Schutz des Ökosystems: „Durch die Jagd trägt man aktiv dazu bei, das ökologische Gleichgewicht zu bewahren und die Artenvielfalt zu schützen.“
Nachhaltigkeit im Fokus
Für viele junge Menschen spielt das Thema nachhaltige Ernährung eine zentrale Rolle. Grob betont: „Wildbret stammt aus einer natürlichen Umgebung, in der die Tiere ohne Stress und ungesunde Bedingungen aufwachsen. Dieses bewusste Verständnis von Nahrung und Natur macht die Jagd für mich zu einer erfüllenden und verantwortungsvollen Verbindung zwischen Mensch und Umwelt.“
Auch Sergej Merger teilt diesen Gedanken. Der 32-Jährige aus Villingen-Schwenningen arbeitet als Key Account Manager im technischen Vertrieb. Schon lange habe ihn die Idee, den Jagdschein zu machen, beschäftigt, erzählt er. „Viele Männer in meiner Familie sind oder waren Jäger. Ich war schon öfter dabei – und das hat mich jedes Mal tief beeindruckt.“ Als Angler kenne er den respektvollen Umgang mit Natur und Nahrung, nun will er „einen Schritt weitergehen“.
„Der Jägernachwuchs ist überdurchschnittlich motiviert.“
Das wachsende Interesse an der Jagd bestätigt auch Katharina Daiss vom Landesjagdverband Baden-Württemberg. „Das Interesse an der Jagdausbildung und Jägerprüfung stieg in den letzten Jahren stetig an – bis die Teilnehmerzahl 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte“, sagt sie. Zwar seien die Zahlen seitdem leicht rückläufig, doch der Trend halte an.
Auffällig sei die Entwicklung bei den Frauen: „Innerhalb eines Jahrzehnts ist ihr Anteil in den Jagdschulen von 20 auf 28 Prozent gestiegen“, so Daiss. Gleichzeitig werde der Nachwuchs jünger – das Durchschnittsalter der Jagdschüler sank von 36 auf 33 Jahre. Rund ein Viertel der Jagdschüler komme heute aus Städten. „Der Jägernachwuchs ist überdurchschnittlich motiviert“, betont sie.
Dass immer mehr junge Menschen den Jagdschein machen, ist für Grob kein Zufall. Sie sieht in ihrer Generation ein wachsendes Interesse an Naturwissen, Nachhaltigkeit und Selbstbestimmung. „Ich bekomme oft Anerkennung, auch von erfahrenen Jägern, dass ich als junge Frau diesen Weg gehe“, sagt sie. „Die Jagd ist heute für Frauen deutlich zugänglicher geworden.“
Zwischen Vorurteilen und Verantwortung
Trotz des wachsenden Interesses bleibt die Jagd jedoch umstritten. Kritiker sehen in ihr Tierleid, moralische Probleme oder Umweltbelastung. Sergej Merger begegnet der Kritik mit Verständnis – aber auch mit klarer Haltung: „Ich kann die Vorbehalte gut nachvollziehen, weil die Jagd von außen oft missverstanden wird. Viele verbinden sie mit Trophäenjagd oder sinnlosem Töten, dabei geht es in der modernen Jagd in erster Linie um Hege, Artenschutz und den Erhalt eines gesunden Wildbestands. Ohne regulierende Eingriffe würden viele Populationen überhandnehmen oder gar leiden.“
Katharina Daiss vom Landesjagdverband beschreibt die Rolle der Jagd ähnlich: „Jagd ist gelebter Naturschutz. Jägerinnen und Jäger übernehmen Verantwortung für Wildtiere und deren Lebensräume – im Einklang mit ökologischen Zielen.“ Ziel sei es, gesunde Wildtierpopulationen zu bewahren, bedrohte Arten zu schützen und Lebensräume zu erhalten – auch unter den Bedingungen des Klimawandels.
Zwischen Tradition und Zukunft
Die Jagd hat ein neues Gesicht bekommen. Junge Menschen wie Larissa Grob und Sergej Merger entdecken sie nicht als Freizeitvergnügen, sondern als Lebenshaltung – bewusst, respektvoll und naturverbunden. Dabei steht nicht der Schuss im Mittelpunkt, sondern das Verstehen - des Waldes, der Tiere und des eigenen Platzes darin.
Auch in der Bevölkerung scheint sich die Haltung zur Jagd zu wandeln. Laut einer Umfrage des Deutschen Jagdverbands halten über drei Viertel der Deutschen die Jagd für notwendig, fast zwei Drittel sehen darin einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.
Die Jägerausbildung
Die sogenannte „Jägerprüfung“, auch „Grünes Abitur“ genannt, umfasst laut Katharina Daiss vom Landesjagdverband Baden-Württemberg mindestens 130 Stunden Unterricht plus Schießausbildung. Neben Wildbiologie und Waffenrecht gehören auch Tierschutz-, Jagd- und Naturschutzrecht sowie Jagdpraxis und Waffenhandhabung dazu. Die Prüfung ist staatlich anerkannt.