Altstar Gregor Gysi – für die Linkspartei immer noch unverzichtbar. Foto: dpa

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass die Linkspartei einen relativ harmonischen Europaparteitag in Bonn erlebt – während die umstrittene Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht krankheitsbedingt fehlt. Das ist aber nur eine Erkenntnis des Treffens.

Bonn - Die Linkspartei hat bei ihrem Treffen in Bonn ein Bekenntnis zur Europäischen Union abgelegt. Sie tritt aber für einen „Neustart“ der EU ein. Dabei sollen „jene vertraglichen Grundlagen, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind“ einer „vollständigen Revision“ unterzogen werden, heißt es im Programm für die Europawahl Ende Mai. Dazu fünf Lehren aus dem Parteitag.

Die Parteiführung ist gestärkt

Es gehört zu den linken Erstaunlichkeiten, wie sich in dieser von Brüchen und Richtungskämpfen geprägten Partei das Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger an der Spitze behauptet, ohne inhaltlich in präsidiale Beliebigkeiten auszuweichen. Ihr prinzipiell EU-freundlicher Kurs, für den sie im Vorfeld massiv geworben hatten, wurde in Bonn ziemlich eindrucksvoll bestätigt. Das eröffnet der Partei die Chance auf einen Wahlkampf, der statt einer platten Ablehnung Europas die Vision einer sozial reformierten Europäischen Union in den Vordergrund rückt.

Linksschwenk der SPD freut die Linke

Die Linke ist politisch zu schwach, um gesellschaftliche Großdiskurse alleine loszutreten. Deshalb ist für sie der Linksschwenk der SPD keine Bedrohung, sondern eine Hilfe. Wenn es den Sozialdemokraten gelingt, die deutschen Debatten von der Flüchtlingsfrage auf die Themenfelder soziale Gerechtigkeit und Verteilungsfragen umzuorientieren, öffnet das den Linken neue Chancen. Das ist ihr ureigenes Terrain. Dietmar Bartsch, der Fraktionschef im Bundestag, hat das in seiner Rede unterstrichen. Und wenn die beiden Parteien sich hier wieder annähern, gibt es wieder Bündnisoptionen. Mit der SPD wird die Linke in Zukunft eher freundlich umgehen.

Wagenknechts Einfluss schwindet Es ist sicher kein Zufall, dass der ungewohnt harmonische Verlauf des Parteitags mit dem (krankheitsbedingten) Fernbleiben Sahra Wagenknechts zusammenfällt. Die unversöhnliche Schärfe, die sie in der Lage ist, in die linken Parteikonvente zu tragen, fehlte diesmal. Die Debatten verliefen auch dann fair, wenn Kontroversen ausgetragen wurden. Die großen Konflikte in der Partei sind insofern geklärt, dass die Mehrheit der Delegierten und Mitglieder einen Kurs ablehnen, der auf eine Wiederbelebung nationalökonomischer Konzepte und stärkere Abschottung setzt. So lässt sich auch das klare Bonner Bekenntnis zur EU deuten. Konfliktpotenzial gibt es immer noch. Es liegt aber kaum mehr im Inhaltlichen, sondern in der taktischen Frage, ob Wagenknecht ihre Minderheitenposition akzeptiert oder über eigene Projekte nachdenkt. Nach dem weitgehend gescheiterten Experiment der von ihr initiierten Bewegung „Aufstehen“ ist aber die Gefahr einer Spaltung eher geringer geworden.

Kein Fischen im Teich der AfD

Das von Wagenknecht vertretene Konzept, die Linke müsse auch Wähler anzusprechen, die sich von populistischen Formeln der AfD angesprochen fühlen, rückt in den Hintergrund. Das macht auch das Europa-Wahlprogramm klar. Die Partei setzt verstärkt darauf, junge, städtische Milieus mit eher hohem Bildungsniveau anzusprechen, jedenfalls erreicht sie dort Zuwächse. Das verträgt sich nicht mit einem Programm der nationalen Abschottung.

Gregor Gysi ist unverzichtbar

Der Europawahlkampf ist für die Linke diesmal besonders wichtig – auch deshalb, weil er das große Schwungrad sein soll, um die Mitglieder für die Kette anstehender Kommunal- und Landtagswahlen zu mobilisieren. Aber Europawahlen sind für die Linke immer ein eher schwieriges Pflaster. Zudem sind die beiden Spitzenkandidaten Martin Schirdewan und Özlem Alev Demirel wenig bekannt und von überschaubarer Zugkraft. Das bringt den Alt-Star Gregor Gysi in eine Schlüsselrolle. Der Medienprofi muss die Lücke füllen und dem Wahlkampf Gesicht und Stimme verleihen. Gysi ist ohnehin Chef der europäischen Linken – so wird ihm die Rolle gefallen.