Der Showroom der Firma Wackenhut in Nagold bildete diesmal den Rahmen für den 9. Abend des Handwerks im Landkreis Calw. Foto: Kunert 

Es sind schwierige, herausfordernde Zeiten. Das war sicher auch der "rote Faden" durch den 9. "Abend des Handwerks" des Landkreises Calw. Aber kein Grund zur Panik – im Gegenteil: "Ich schaue positiv in die Zukunft", sagt etwa Kreishandwerkermeister Uwe Huber mehr als selbstbewusst.

Kreis Calw/Nagold - Rund 200 Handwerksmeister/innen aus dem gesamten Kreisgebiet waren am vergangenen Freitagabend in den neuen Showroom des Nagolder – nein, nicht Autohauses: sondern Mobility-Dienstleisters Wackenhut nach Nagold gekommen – der "Change" macht auch vor klassischen Branchen kein Halt. Eingeladen hatte der Landkreis Calw mit Landrat Helmut Riegger – und allen seinen Amtsleiter/innen –, die sich sichtlich freuten, nach knapp drei Jahren Pandemie dieses Treffen wieder "ohne jede Einschränkung" organisieren zu können.

Lange Liste der Herausforderungen

Dabei ist die Liste "der vielen Herausforderungen" gerade im Handwerk wirklich lang, so Riegger in seiner Begrüßung: Ukrainekrieg, damit verbunden die wieder anziehende Flüchtlingswelle. Die extreme Inflation. Der Fachkräftemangel. Die Lieferprobleme, der allgemeine Materialmangel. Die massiven Kostensteigerungen in allen Lebensbereichen. Dazu die Energiekrise. Angesichts dieser Auflistung versagte offenbar sogar Rieggers Mikrophon für einen Moment: "Ist der Strom, oder?", so seine resignierend-ergebene Frage an die Regie.

"Wie früher in der DDR"

Aber Probleme – oder besser: "Herausforderungen" – sind dazu da, sie zu lösen. So war auch Rieggers Strom im Mikro nach wenigen Augenblick wieder verfügbar. Und auch Kreishandwerksmeister Uwe Huber berichtete am Rande des Abends, wie er persönlich in seinem Zimmereibetrieb (in Engelsbrand) speziell mit den aktuell immer wieder auftretenden "Problemen in den Lieferketten" umgeht: Es komme vor, dass selbst der Marktführer Würth bestimmte, im Handwerk benötigte Schrauben nicht mehr vorrätig habe. An einem Würth-Standort nicht verfügbar, am nächsten erst recht nicht. Hubers Strategie deshalb mittlerweile: "Ich kaufe das, was gerade an Schrauben da ist, auf Vorrat." Was natürlich auch die Kollegen täten. Weshalb auch diese Schrauben dann schnell "wieder weg" seien. Das sei "ein wenig wie früher in der DDR": Wenn Material mal da ist, wird es auch gleich von allen "gehamstert". Lagerhaltung werde daher immer wichtiger. "Just in time" war gestern.

Erfolgsquote 90 bis 95 Prozent

Aber das eigentliche und größte Problem des Handwerks: "Der seit Jahren grassierende Fachkräftemangel!" Der als Thema auch die lockere Talk-Runde beim Abend des Handwerks bestimmen sollte – beziehungsweise die Wege, wie man auch mit diesem "Mangel" offensiv umgehen kann. Beispiel: Die Oberreichenbacher Recruting-Unternehmerin Vivian Schaible, die sich mit ihrer Firma speziell auf die Mitarbeitersuche im Handwerk (Zitat: "Wir sind ein Handwerks-Mekka im Kreis Calw") spezialisiert hat. Ihre Erfahrung: Es reicht nicht, einfach mit einem Job-Angebot "sichtbar" zu sein. Wie in der Industrie brauche es "offensive Strategien", um wechselwillige Arbeitnehmer/innen etwa eben in der Industrie zu identifizieren und dort für das Handwerk abzuwerben. Wofür sich "Social Media" – also Instagram, Facebook und Co – ideal eigneten. Erfolgsquote, so die Jung-Unternehmerin auf Nachfrage von Moderatorin Carina Jantsch: "90 bis 95 Prozent!"

Die klassische Bewerbungsmappe war gestern

Warum und wie die Mitarbeitersuche heute konkret "ziemlich gut" funktioniert, erläuterte ergänzend auch Julius Wick, Leiter kaufmännisches Management und Vertrieb Pkw beim Hausherr des Abends, der Firma Wackenhut: Man müsse "so einfach, schnell und simpel" wie möglich für potentielle Bewerber "sichtbar" sein. Vier Fragen reichten, um mit einem künftigen neuen Kollegen oder neue Kollegin "in Dialog" zu treten. Die klassische Bewerbungsmappe mit Zeugnissen und offiziellen Anschreiben – das war gestern. Zudem wollten Bewerber ("aus der Generation ’Z’") heute sehr genau wissen, mit welchen Menschen sie es künftig beim möglichen neuen Arbeitgeber zu tun hätten – weshalb in Stellenanzeigen und -ausschreibungen immer "die wirklich echten Kollegen, Vorgesetzten" gezeigt würden.

Bootcamp auf Burg Hornberg

Allerdings: Wenn denn die neuen Kolleginnen und Kollegen – eben der Generation ’Z’ – im Betrieb angekommen seien, müssten diese oft erst einmal "ins Bootcamp" (ein Gruppen-Trainingsprogramm), so die Coaching-Expertin Martine Liesette Balke. Zum "Grundlagen-Training", um "Schlüssel-Fähigkeiten" für den neuen Arbeitsalltag zu erlernen – in diesem Fall die klassischen Handwerks-Tugenden: Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Kommunikation. Bei ihren Bootcamps etwa auf der Burg Hornberg hier im Kreis Calw dauere das drei Tage, um den Nachwuchs auch auf diese Weise fit zu machen für den Arbeitsalltag.

Von der gegenüberliegenden Straßenseite aus

Aber nicht alles an den neuen Zeiten ist eine Herausforderung – auch davon wusste Kreishandwerksmeister Uwe Huber noch zu berichten. Stichwort "Digitalisierung": Früher habe er auf die Einrüstung eines Gebäude warten müssen, um alles Nötige für sein Gewerk (etwa den Dachstuhl) akkurat und von Hand auszumessen. Heute geht das "mit dem Laserscanner", am besten von der gegenüberliegenden Straßenseite aus. In einem Bruchteil der Zeit. Und mit unerwarteten "Nebenwirkungen": Sofort werde bei dieser Arbeit angesprochen, nicht nur aus Sorge, er könnte die Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Autos messen. Vor allem Frauen etwa "hielten immer an", um zu fragen, was er da mache. "Früher hat man sich dafür einen Hund anschaffen müssen...", lacht Huber.