Jahr für Jahr steigen die Unfallzahlen in der Landeshauptstadt – und erreichen einen neuen Höchstwert. Wo in Stuttgart es im Jahr 2012 am häufigsten Unfälle gab, erfahren Sie in der Bildergalerie. Foto: dpa

Zehn Verkehrstote, 312 Schwerverletzte, 2449 Leichtverletzte – das ist die düstere Jahresbilanz auf Stuttgarts Straßen. Dabei gab es mehr Unfälle mit Fußgängern und Motorradfahrern, auch Kinder waren häufiger betroffen. Die Polizei will sich neu ausrichten.

Stuttgart - Keine gute Nachricht für Stuttgarts Verkehrsteilnehmer: „Zum ersten Mal überhaupt hat es mehr als 26.000 Unfälle gegeben“, sagt Vizepolizeipräsident Norbert Walz bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik 2012. Exakt 26.542 Unfälle hat die Stuttgarter Polizei registriert – und damit ist die Zahl der Karambolagen binnen zehn Jahren um knapp 23 Prozent gestiegen. Dabei hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge und die der gezählten Pendler an der Gemarkungsgrenze verringert. „Wir werden uns noch mehr auf Brennpunkte konzentrieren“, kündigt Walz an.

Das Wetter war zu schön

Unglaublich, aber wahr: Den massiven Anstieg der Unfallzahlen führt die Polizei auch darauf zurück, dass 2012 der Jahresbeginn zu mild und der März zu warm war. „Deshalb gab es früh eine hohe Verkehrsdichte mit vielen Unfällen“, sagt Walz. 50 Prozent mehr Motorradunfälle, außerdem mehr Karambolagen mit Verletzten. „Die massiven Steigerungen am Anfang haben sich übers Jahr nicht mehr kompensiert“, so Walz.

Vorsicht, Fußgänger!

Die Passanten hat es am schlimmsten getroffen. Unter zehn Verkehrstoten waren fünf Fußgänger. Mit 94 Schwerverletzten stehen die Passanten weit an der Spitze der Opferliste – doppelt so viele wie Autofahrer. Allein im vergangenen Jahr hat die Zahl der schwerverletzten Fußgänger um ein Drittel zugenommen. Weil knapp 40 Prozent der Passanten selbst die Ursache gesetzt haben, rät die Polizei zu mehr Aufmerksamkeit. „Auch das Gehör muss aktiv sein“, sagt Walz, „Kopfhörer haben da keinen Platz.“ Besonders an Gleisüberwegen sei Vorsicht geboten. Vier Menschen fanden auf den Stadtbahngleisen den Tod.

Umdenken bei Rasern

Verkehrspolizeichef Roland Haider überrascht mit einer Zahl und einer Schlussfolgerung: Nur bei 4,6 Prozent der Unfälle spielte eine zu hohe Geschwindigkeit die Hauptrolle. „Wir werden uns deshalb neu ausrichten“, sagt Haider, „auch bedingt durch die Polizeireform.“ Soll heißen: Man reduziert die Messtrupps mit reiner Blitzer-Tätigkeit. Davon hat die Stadtverwaltung selbst flächendeckend genug – und kann das auch mit Bußgeldern finanzieren. Klasse statt Masse. Haider hat in seinen Reihen verstärkt Gruppen gebildet, die an Unfallbrennpunkten aktiv werden – und sich auf die schweren Verstöße konzentrieren.

Erste Erfahrungen gibt es an den roten Ampeln. 513 Rotlichtsünder wurden bisher erwischt. Mit Laserpistolen werden die Schnellsten unter den Rasern verstärkt ins Visier genommen. Und siehe da: Die Zahl derjenigen, die über 40 km/h zu viel auf dem Tacho hatten und an normalen Kontrollstellen durch einen Blitz vorgewarnt worden wären, ist binnen Jahresfrist deutlich gestiegen: von 352 auf 562 Sünder. Die Zahl der Fahrverbote stieg von 626 auf 799.

Die Jungen und die Alten

Erfreulich wertet es Verkehrspolizeichef Haider, dass die Zahl der Unfälle bei den jungen Autofahrern rückläufig gewesen ist. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen. Die Aussage, dass Tempo als Unfallursache nur eine Nebenrolle spielt, gilt für die 18- bis 24-Jährigen nicht. Der Tempo-Anteil liegt mit 13,4 Prozent deutlich über dem Schnitt von 4,6 Prozent. Senioren dagegen passen meist beim Abbiegen oder bei der Vorfahrt nicht auf – und sind dann zu 58 Prozent die Hauptverursacher. „Meine persönliche Empfehlung ist, dass Senioren weiterhin mobil bleiben sollten, aber in der Großstadt lieber öfter den Nahverkehr oder verkehrsarme Zeiten nutzen sollten“, sagt Haider.

Wo es am meisten kracht

Die Gaisburger Brücke im Osten ist seit Jahren ein Schwerpunkt – und nun auf Platz eins der Schwarzen Liste. Viele Fahrstreifen, unübersichtlich geführt, dazu Verwirrung um Ampeln und Anzeigetafeln, Kollisionen auf der B-10-Abfahrt. „Baulich gibt es nur beschränkte Möglichkeiten“, seufzt Haider. Dasselbe Problem wie beim Österreichischen Platz – ebenfalls ein Dauerbrenner. „Als Autofahrer“, sagt Haider, „fühlt man sich da überhaupt nicht wohl.“

Die gute Nachricht

Das eiskalte Frühjahr 2013 lässt Motorräder und Fahrräder in der Garage – und hat auch sein Gutes: „Bis jetzt“, sagt Verkehrspolizeichef Haider, „haben wir 34 Prozent weniger Unfälle mit Personenschaden.“