Sie ziehen mit der Koordinierungsstelle "Ukraine" an einem Strang (von links): Jürgen Stach, Manfred Kiewald, Astrid Sterzel, Simone Pestre und Holger Mungenast. Foto: Heinig

Das psychosoziale Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge, Refugio VS, übernimmt auf Anfrage des Landratsamtes ab sofort die Koordinierungsstelle "Ukraine" und damit Verantwortung für traumatisierte Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet, insbesondere für Kinder und Jugendliche.

Villingen-Schwenningen - "Wir haben Ja gesagt, weil wir die Notwendigkeit sehen", sagt Geschäftsführerin Astrid Sterzel und betont, dass sich damit der von Refugio zu betreuende Personenkreis mindestens verdoppelt. Dass die Nichtregierungsorganisation daher auf zusätzliche Hilfe angewiesen ist, weiß auch Jürgen Stach, Sozialdezernent im Landratsamt.

Netzwerk wird geknüpft

Simone Pestre von Refugio, die fortan sowohl den therapeutischen Bedarf als auch die Versorgung der Betroffenen koordiniert, erhält von Holger Mungenast, Leiter der Koordinationsstelle für Familien- und Sozialarbeit innerhalb des Kreisjugendamtes, die dafür notwendigen Informationen. Mungenast ist seit gut drei Wochen dabei, ein Netzwerk zu knüpfen, das Refugio ermöglicht, die Menschen mit psychischen Problemen durch Flucht- und Kriegserfahrungen zu ermitteln und solche, die anders gelagerte Auffälligkeiten zeigen, an passende Stellen zu vermitteln.

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Neben der operativen Hilfe soll Refugio zudem 10 000 Euro erhalten, vorausgesetzt der Kreisrat stimmt dem zu. Dass davon nicht durchweg Einzelberatungen finanziert werden können, liegt für Astrid Sterzel angesichts Raum- und Personalknappheit auf der Hand. Neue Angebote seien gefragt, sagt sie. Daher wird das psychosoziale Zentrum mit seinen sechs Psychologen und Psychotherapeuten vorzugsweise in Gruppen arbeiten und dazu direkt die Gemeinschaftsunterkünfte aufsuchen.

Kind leidet unter Panikattacken

Manfred Kiewald ist einer der Experten, der seine Arbeit bereits aufgenommen hat und unter anderem eine ukrainische Mutter und deren Tochter behandelt. Das Kind leidet unter Panikattacken und Schlafstörungen, der Vater und der große Bruder mussten in der Ukraine bleiben. In einem Kinderheim hat er auch schon mit der Gruppentherapie für Waisenkinder begonnen.

Insgesamt stellt Kiewald eine Sensibilisierung der Gesellschaft fest. Seelische Verletzungen bei Kindern werden schneller erkannt und Hilfe organisiert. Das führt er nicht zuletzt auf die Refugio-Foren zum Thema zurück. Das nächste findet am Mittwoch, 4. Mai, 18 bis 20 Uhr, statt, diesmal online. Anmeldungen sind über info@refugio-vs.de möglich.

Angespannte finanzielle Situation

Die finanzielle Situation von Refugio ist permanent angespannt. Für die Förderungen von der EU, dem Bund und dem Land für 2022 lägen noch nicht einmal Ausschreibungen vor, klagt Astrid Sterzel. Man musste, wie jedes Jahr, bereits in Vorleistung treten. Rund 500 000 Euro werden pro Jahr benötigt, Geld, dass durch besagte Förderungen, vor allem aber über Spenden hereinkommen muss. Der Mut, die vom Landratsamt erbetene Zusatzaufgabe zu übernehmen, speist sich bei Refugio aus der Hoffnung, damit die Arbeit – auch über die Ukrainekrise hinaus – weiter zu etablieren. Denn eines stehe fest, betont Sterzel: "Wir bleiben ein Zentrum für alle Flüchtlinge!"