Wie das gelingen kann, erklärt Kunsttherapeutin Claudia Sistek im Interview.
Claudia Sistek kommt seit März 2023 regelmäßig ins Frauenhaus Zollernalbkreis. Sie ist Kunsttherapeutin und bietet dort Gruppentherapien für Betroffene Häuslicher Gewalt an. Sie erzählt, wie das Schaffen von Kunst ihnen beim Verarbeiten traumatischer Erlebnisse helfen kann.
Was machst du zusammen mit den Frauen?
Das ist gar nicht so einfach in kurzen Worten zu beantworten. Alle Frauen hier müssen Dinge verarbeiten, um sie loslassen zu können. Doch es gibt Erfahrungen im Leben, die mit Worten allein nicht zu fassen sind. Die Komplexität mancher Erlebnisse bedarf einer anderen Art von Ausdrucksmöglichkeit. Die Kunsttherapie bietet dafür vielfältige Möglichkeiten im Rahmen einer vorwiegend nonverbalen Therapie. Dazu gehört nicht nur Malen. Wir arbeiten mit den verschiedenen Materialien wie beispielsweise Zeitungspapier, alte Teeverpackungen, Zeitschriften, alte Kalenderblätter, Korken, Bänder, Klebeband, und vieles mehr. Daraus werden unter anderem Collagen oder Landschaften geformt. Zum Abschluss jeder Sitzung versuche ich noch kurz über das Erlebte zu kommunizieren. In diesem geschützten Rahmen kann sich jede Frau auf ihre Art öffnen und ihr eigenes „Päckchen“ bearbeiten.
Wie wichtig ist Kunsttherapie für von Gewalt betroffene Frauen?
In ein Frauenhaus zu gehen ist ein mutiger Schritt. Die Frauen lassen ihr altes Leben zurück und begeben sich auf einen ungewissen Weg in ein anderes, gewaltfreies Leben. Im Frauenhaus werden die Bewohnerinnen und Kinder stabilisiert und gefördert. Doch die neuen Herausforderungen sind immens. Ein neues Leben will aufgebaut werden, während das erschütternde Erlebte noch längst nicht verarbeitet ist. Kunsttherapie kann Frauen in diesen Prozessen unterstützen. Sie ist eine prozess- und handlungsorientierte Therapieform, die auf die vorhandenen Ressourcen der Frauen setzt und sie zu fördern versucht. Daher ist Kunsttherapie meiner Ansicht nach eine hilfreiche, sehr niederschwellige Form der Therapie, um Frauen eine neue Chance für ihren Alltag zu bieten.
Wie lange dauert eine Sitzung?
Die Sitzung an sich dauert meistens etwa eineinhalb Stunden. Dazu kommt meine Vor- und Nachbereitungszeit die überwiegend in meinen eigenen Räumen stattfindet. Nach jeder Sitzung gibt es jedoch noch einen kurzen Austausch mit den lieben Mädels die im Frauenhaus vor Ort arbeiten, über erwähnenswerte Besonderheiten des Vormittages.
Bearbeiten die Frauen über mehrere Sitzungen hinweg ein Thema oder gibt es jede Woche ein neues Thema?
Durch die stetige Fluktuation im Frauenhaus ist das leider nicht möglich. Die Themen, die ich wähle, wiederholen sich dadurch natürlich immer mal wieder, aber die Durchführung und das Material weichen ab.
Kannst auf jede Frau eingegangen werden? Was ist, wenn eine Frau einen größeren Bedarf hat als andere?
Es ist mir selbst ein Anliegen und eine Erwartung an mich, jeder Frau, die sich traut an der Gruppensitzung teilzunehmen, gerecht zu werden. Das heißt, ich versuche auf jede Einzelne einzugehen. Wenn ich jedoch spüre, dass mehr Redebedarf einer einzelnen Teilnehmerin von Nöten ist, dann biete ich immer an noch in den Einzelkontakt zu gehen. Die ein oder andere Bewohnerin hat das schon gerne angenommen.
Was passiert mit den gestalteten Bildern?
Das darf jede Frau nach jeder Stunde selbst entscheiden. Vernichten oder Mitnehmen ins eigene Zimmer oder es wird mir mitgegeben. Ich sammle die Werke bis die Bewohnerin das Frauenhaus wieder verlassen hat. Dann vernichte ich die Dinge.
Wie löst du das Problem mit den unterschiedlichen Sprachen?
Tatsächlich musste ich diese Hürde von Anfang an überwinden und mir etwas einfallen lassen, das unkompliziert einsetzbar ist. Mittlerweile habe ich für die verschiedenen Sprachen eine Vokabelliste von den wichtigsten Wörtern in der Therapie mit Hilfe von Google erstellt.
Zum Glück bin ich der englischen Sprache mächtig, so dass ich oft darauf ausweichen kann, um zum Beispiel den abschließenden Austausch durchzuführen. Das stellt für mich natürlich eine besondere Herausforderung dar, die mir aber auch Spaß macht.