Auf der Tour kam es zu vielen netten Begegnungen. Foto: Krampulz

Es war eine Reise zu sich selbst – und zwar in mehreren Etappen. Christian Krampulz aus Gruol, hat sich mit dem Fahrrad auf den Weg dorthin gemacht, wo seine Wurzeln liegen: nach Rumänien. Ein Projekt, von dem er lange nur geträumt hatte.

Haigerloch-Gruol - 2021 und 2022 machte sich Christian Krampulz mit seinem Begleiter Stefan Schüch auf den Weg. Das Ziel war klar: er wollte dorthin, wo das Haus seiner Eltern immer noch steht, nach Kelling (Câlnic), eine etwa 1600-Einwohner zählende Gemeinde in Siebenbürgen. Als Kind einer vielköpfigen deutschstämmigen Familie (15 Geschwister) war Krampulz vor 40 Jahren aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Heute lebt er in einem schönen Eigenheim im Gruol, ist verheiratet und als Lehrer für Sport, Technik und Religion sowie als Jugendtrainer im SV Gruol und Mountainbike-Flow-Guide voll in die hiesige Gesellschaft integriert

Doch die Frage nach seinen Wurzeln, nach dem Sinn, der hinter seinem Lebenslauf steckt, beschäftigten ihn und so plante er eine Tour, die sich in nackten Zahlen äußerst respektabel liest:: Über 20 Tage, 1800 Kilometer und 11 500 Höhenmeter. Von Horb über Donaueschingen entlang der Donau bis nach Budapest, dann durch die Puszta, über die Apuseni-Berge bis nach Siebenbürgen.

Unterwegs im Land der Motzen

Etwas sorglos planten Krampulz und Schüch die ungarisch-rumänische Grenze auf einem Feldweg zu überqueren. Wurde der Grenzzaun schon abgebaut? Nichts ahnend fuhren sie auf die Grenze zu, von hinten näherte sich ein Auto: Es war die Polizei und vor ihnen die geschlossene Barriere. Missmutig nahmen sie den Umweg über den Grenzübergang bei Großwardein (Oradea) in Kauf, wo sie vor aufgehübschter Stadtkulisse einen Kaffee genossen. Während sie durch die Dörfer im Tal der Steinigen Kreisch (Crișul Pietros) fuhren und die Eindrücke aufsaugten, näherten sie sich den Apuseni-Bergen. Die letzten 20 Kilometer und 1200 Höhenmeter zogen sich hin, endlos wand sich die Straße den Berg hinauf. Entkräftet, aber stolz erreichten sie das schöne Campinggebiet um Padiș. Hier teilen sich Zeltgruppen, glänzende Wohnmobile und frei weidende Kühe und Pferde friedlich den Platz und den Bach. So prallen uralte Weiderechte und moderne Erholungsbedürfnisse aufeinander. Vorbei an Hirten mit ihren Schafen und Hunden durchquerten sie das Land der Motzen, wie die Ureinwohner dieser herrlichen Berglandschaft genannt werden. Das besondere Bergvolk bewohnt seit hunderten von Jahren im Sommer hoch gelegene Siedlungen und prägt mit ihrer Weidewirtschaft diese einzigartige Kulturlandschaft.

Nonnen servieren eine warme Suppe

Nach einer Übernachtung in der Nähe von Offenburg im Arieștal (Goldfluss) fuhren die beiden die dritte Bergetappe und erlebten atemberaubende Landschaften, sahen malerische verlassene Hütten, machten tolle Fotos und freuten sich mit ihren Bikes unterwegs zu sein. Nach einer rasanten Abfahrt fielen die ersten dicken Regentropfen und sie fanden Schutz im Eingangsportal des beeindruckenden Klosters in Râmeț. Schon etwas abgearbeitet und hungrig konnten die Radreisenden ihr Glück kaum fassen, als sie von den Nonnen eine wohltuende Suppe serviert bekamen. Gestärkt, beeindruckt und dankbar setzten sie ihre Reise fort und erreichten das Tagesziel Karlsburg mit seiner imposanten und sehenswerten Festungsanlage.

Im Ziel fließen Tränen

Ihr Ziel vor Augen fuhren sie am nächsten Tag über Mühlbach, Christians Geburtsort, und Reichau nach Kelling. Sie überwanden die letzte Steigung und erreichten den Weinberg, der Christian aus seiner Kindheit nur noch vage in Erinnerung war. Hinter ihnen lagen 1800 Kilometer auf dem Mountainbike über Felder, Wald, Städte und Berge. Vor ihnen Kelling, der Ort seiner Wiege und Kindheit, den die ganze Familie vor 40 Jahren verlassen hat. Bei diesem Anblick und im Bewusstsein, dass sie ihr Ziel erreicht haben, wurde Christian sehr emotional und ihm kamen die Tränen. Die Radler fuhren hinunter ins Dorf, Kindheitserinnerungen wurden wach: Kindergarten, Grundschule, Elternhaus und ein Nachbar. Zu guter Letzt wurden sie von Bürgermeister Bodea herzlich empfangen.

Dankbar und erfüllt kann Christian heute bestätigen, was die Glücksforschung herausgefunden hat: Jeder kann Flow erleben, in Verbundenheit mit sich selbst, seinen Mitmenschen und Gott.

Weitere Infos:

Mehr über die Lebensreise und Sinnsuche von Christian Krampulz können Sie in seinem Buch mit dem Titel: Tour de Flow, das im November 2022 erscheint lesen.