Fotografieren ließ Ernst Koch sich gar nicht gerne: Im Ebinger Heimatmuseum, das ihm seine Existenz verdankt, stellte er lieber die reiche Geschichte der Stadt statt sich selbst in den Mittelpunkt. Foto: Eyrich

Ebingens Gedächtnis ist tot: Ernst Koch, Heimathistoriker und langjähriger Kurator des Heimatmuseums, ist im Alter von 93 Jahren gestorben.

Albstadt-Ebingen - "Damit Sie des au wisset!" sagte er oft, wenn er Besucher durch das Ebinger Heimatmuseum führte und dabei vom Hundertste ins Tausendste kam. Was Ernst Koch über die Geschichte seiner Heimatstadt wusste, hätte Lexika gefüllt, und bis ins hohe Alter lag ihm viel daran, dieses Wissen weiterzugeben. Nicht um damit zu prahlen – dafür war der Retter und Hüter des Heimatmuseums viel zu bescheiden. Vielmehr lag ihm daran, jüngeren Generationen zu vermitteln, wo sie herkommen, welche Schätze diese Stadt hervorgebracht hat und was sie bewahren sollten.

Ein Notizbuch rettete ihm 1945 das Leben

Am 9. Oktober 1928 geboren, besuchte er zunächst die "Horst-Wessel-Schule", die heutige Realschule, und absolvierte dann eine Lehre bei Groz-Beckert. Dass er nicht im Krieg fiel, verdankte der damals 16-Jährige einem Notizbuch: Den Amerikanern war er im April 1945 ins Netz gegangen, erlitt einen Oberarm- und einen Brustdurchschuss, doch das Büchlein in seiner Brusttasche lenkte die Kugel vom Herzen ab.

Auf dem Gemüselaster zurück in die Heimat

Nach seiner Genesung in Bad Mergentheim und einem halben Jahr in Heilbronn, wo er in einem Erdloch im Freien schlafen musste, kam Koch via Tübingen auf dem Gemüselaster eines Ebinger Händlers heim, arbeitete auf dem Bau, zunächst im Auftrag der französischen Besatzer, und baute dann als Mitarbeiter heimischer Firmen seine Heimatstadt wieder mit auf.

Die Liebe fand er beim Tanz

Die Liebe fand der charmante, knitze Ernst Koch in Person von Gertrud Moser, die er beim Tanzen traf. 1953 heiratete das Paar, und die Familie, zu der bald Sohn Horst und Tochter Claudia gehörten, kaufte eine Wohnung in der Schillerstraße.

Der Bürgerturm verdankt ihm seinen Erhalt

Dass er die 35 Jahre bis zu seiner Rente als Fernfahrer für die Spedition Hamacher unfallfrei unterwegs war, darauf legte er Wert – und es war ein Glück für Ebingen, denn sein persönliches Interesse sollte Ernst Koch zu einem der bedeutendsten Heimathistoriker der Stadt machen. Die Pläne eines Stadtrats, den Bürgerturm abzureißen, durchkreuzte Koch mit einer Unterschriften-Aktion. 1973 muss das gewesen sein, erinnert sich ein Freund, und es war die Initialzündung für ihn, sich in die Geschichte Ebingens einzuarbeiten.

Das meiste wurde im Bombenhagel vernichtet

1976 setzte er sich dafür ein, das Ebinger Heimatmuseum wieder aufzubauen, das Hauptlehrer Paul Eith 1926 gegründet hatte und dessen Hauptbestände beim Bombenangriff 1944 teilweise vernichtet wurden. Der klägliche Rest schlummerte im Dachgeschoss des Rathauses und war bei der Gründung Albstadts 1975 in Kisten verpackt worden, um einem Sitzungssaal Platz zu machen.

Der Dickbrettbohrer hat schließlich Erfolg

Dicke Bretter musste Ernst Koch bohren, um die Stadtgründer an ihre Verantwortung, Geschichte zu bewahren, zu erinnern – und hatte schließlich Erfolg: Unter der Ägide des damaligen Oberbürgermeisters Hans-Martin Haller wurde 1992 das Ebinger Heimatmuseum im Vereinsheim des Schwäbischen Albvereins im Spitalhof eingerichtet. Womit sich Koch nicht nur Freunde gemacht hatte, wie er selbst einmal berichtet hat, denn die Räume waren begehrt.

Fleißiger Sammler – und manchmal wieder Kind

Und Ernst Koch wusste sie zu nutzen: Er sammelte Exponate, durchstöberte Nachlässe, erhielt Schenkungen und trug herrliches altes Spielzeug zusammen, für das auch sein eigenes Herz schlug. Zu Ostern und zu Weihnachten stellte er stets besonders viel davon aus, darunter die Spielzeug-Dampfmaschinen – nie vergaß er bei Führungen den Hinweis, dass die erste Dampfmaschine im Königreich Württemberg in Ebingen gestanden hatte: 1834 hatte Industriepionier Johannes Mauthe sie in Betrieb genommen – es war der Beginn der Trikotagenindustrie.

Wenn er da war, hing die Fahne draußen

Seine Familie spannte Koch im Heimatmuseum mit ein, war immer da – erkennbar war das an der Fahne, die er lange Zeit hinaushängte, damit Besucher wussten, dass sie kommen können.

Auch in der Redaktion des Schwarzwälder Boten hat Koch gelegentlich vorbeigeschaut oder angerufen, wenn etwas in der Zeitung stand, das er so dann doch nicht stehen lassen wollte. Oft waren es Einlassungen in Leserbriefen, die historisch ungenau waren, oder Berichte im Zuge der Innenstadtsanierung, die ihn auf den Plan riefen. "Forschen Sie da doch noch mal nach", sagte er dann. "Da gab es früher..."

Verkommene Gebäude brachten ihn auf die Palme

Wie manch geschichtsträchtiges Gebäude verkam, konnte den sonst so ruhigen und liebenswerten Ebinger gehörig auf die Palme bringen, etwa die Villa Maag oder das frühere Kameralamt in der Grüngrabenstraße 64, in dem er gerne das Heimatmuseum gesehen hätte. Im Spitalhof hat es der Förderverein – allen voran Gerd Lichtenberg – in den vergangenen Jahren modernisiert und dabei unzählige Schätze gefunden, die Ernst Koch gesammelt hat und mangels Platz gar nicht ausstellen konnte.

Im Kreis seiner Lieben durfte er einschlafen

Von der Hauptversammlung des Fördervereins ist seine Tochter Claudia am Dienstagabend spät nach Hause gekommen und war bei ihm, als er um 3 Uhr friedlich einschlafen durfte. Was der Tod von Ernst Koch für Ebingen bedeutet, kommentiert Oberbürgermeister Klaus Konzelmann: "Es ist ein riesiger Verlust für die Stadt. Sein Einsatz für das Heimatmuseum kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden." Seine Frau Gertrud, seine beiden Kinder mit ihren Familien – zwei Enkel und fünf Urenkel haben sie Koch geschenkt – trauern um ihn nicht alleine, sondern viele in Ebingen und darüber hinaus. Schließlich war er es, der Ebingen sein Gedächtnis geschenkt hat.