Jakob Johnson spielte von 2019 bis 2021 für die New England Patriots (Foto), in diesem Jahr geht er für die Las Vegas Raiders aufs Spielfeld. Foto: imago/Eric Canha

Der Footballer aus der NFL will den Nachwuchs vor Fehlern bewahren, die er auf seinem Weg in die Profiliga gemacht hat, und gibt Tipps im Trainingscamp in Ludwigsburg.

„Role Model“ heißt es im Englischen, man könnte es „Gesicht einer Sportart“ nennen. Jakob Johnson wächst in diese Rolle hinein; der gebürtige Stuttgarter ist zunehmend präsent, wenn in Deutschland über Football berichtet wird. Der NFL-Profi, der von 2019 bis 2021 bei den New England Patriots unter Vertrag stand und der 2022 für die Las Vegas Raiders seinen Körper einsetzt, wird bei TV-Übertragungen auf Pro 7 Maxx ins Licht gesetzt, er wurde von den Patriots deutschen Reportern oft als Gesprächspartner vermittelt, der 27-Jährige teilte dabei wortreich mit, dass er bei den Stuttgart Scorpions das Football-Einmaleins gelernt habe, er die European League of Football (ELF) für eine klasse Sache hält und er Teilhaber von Stuttgart Surge geworden ist.

 

Johnson ist der Exportschlager der National Football League (NFL) für Deutschland – und er lebt dieses Sendungsbewusstsein. „Jakob hat mich vor Monaten gefragt, ob wir mal ein Jugendcamp veranstalten“, erzählt Andy Meyer, der in Landau eine Footballschule betreibt und als Defensiv-Koordinator bei Surge verantwortlich ist und der ahnte, dass dieses Projekt mit dem NFL-Profi ein Erfolg werden würde. Diesen Sonntag findet das Camp für elf bis 18 Jahre alte Mädchen und Jungs im und rund ums Ludwig-Jahn-Stadion in Ludwigsburg statt – das zuvor ausgewählte Gelände in Stuttgart auf der Waldau war zu klein geworden, nachdem das erste Teilnehmerlimit von 150 innerhalb von drei Tagen ausgebucht war.

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Nun werden sich 260 Jungfootballer um Johnson sowie die übrigen 25 Trainer scharen. „Wir wollen das unterschiedliche Niveau beim Nachwuchs zwischen Nordamerika und Europa schnell angleichen“, sagt der Heimaturlauber, „die jungen Leute in Deutschland haben im Grunde bessere Voraussetzungen als die Kids in den USA.“ In Übersee, bemerkt Johnson, sei Football für viele Teenager eine Chance zum sozialen Aufstieg, ein Mittel zum Zweck, um an (das große) Geld zu kommen. In Deutschland dagegen „spielen die Jugendlichen Football, weil sie die Sportart lieben. Sie besitzen eine ganz andere Passion.“ Das Camp in Ludwigsburg soll nicht das erste und letzte gewesen sein, versichert er, was bei den deutschen Clubs erfreut aufgenommen werden dürfte. Der Footballboom hält seit Jahren an. Gab es vor 20 Jahren etwas mehr als 20 000 organisierte Spieler in Deutschland, wuchs die Zahl beständig – sie hat sich bis zum vergangenen Jahr mit 70 645 Aktiven mehr als verdreifacht. „Wir registrieren daher auch eine steigende Nachfrage in unserer Footballschule“, sagt Andy Meyer.

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Doch Jakob Johnson blickt noch weiter voraus. Er weiß, dass ambitionierte Talente davon träumen, eines Tages einen Vertrag in der NFL zu unterschreiben – und dieser Weg ist ein weiter, auf dem Fallen und Abgründe lauern. Er selbst kam über das International Player Pathway Program für europäische Talente in die NFL. „Ich habe aber davor so viel falsch gemacht“, sagt er, „es ist erstaunlich, dass ich es überhaupt in die NFL geschafft habe. Ich möchte den jungen Leuten helfen, diese Fehler nicht zu begehen, damit sie schneller ans Ziel kommen.“ Soll heißen: Die Karriere muss weitsichtig geplant werden, um dereinst ins gelobte Land zu kommen. Die NFL rekrutiert ihre Azubis von den US-Colleges, wer dort zu den Stars auf seiner Position gehört, hat die Chance, auf der jährlichen Talentbörse (Draft) von einem Club ausgewählt zu werden. „Am College“, sagt Johnson, „machst du dein Fachabitur für die NFL.“ Gut 75 000 Studenten sind als Footballer eingetragen, doch lediglich 2,6 Prozent spielen in der höchsten College-Liga – und davon werden im Schnitt nur etwa vier Prozent von den NFL-Clubs im Draft herausgepickt. Viele fühlen sich berufen, nur wenige werden ausgewählt.

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Doch einen Studienplatz zu erhalten ist für Europäer nicht einfach, weil hohe Gebühren fürs akademische Jahr von 5000 bis 40 000 Euro verlangt werden – der Weg führt daher in aller Regel über Stipendien. Um eine Förderung zu ergattern, müssen Talente in sogenannten Combines ihre Leistungsfähigkeit sowie ihre körperliche Fitness nachweisen und mit Videos ihr Spielverständnis belegen. Wer in Deutschland nicht mindestens in der German Football League (GFL) spielt, dürfte kaum eine Chance haben. Und schließlich gibt es auch bei den Colleges namhaftere mit einem besser ausgestatteten Trainerteam und solche, deren Mannschaften höhere Sphären verwehrt bleiben und die sich deshalb weniger im Fokus der NFL-Späher befinden.

Es gibt zahlreiche Anbieter, die für junge Footballer aus Europa Bewerbungstouren anbieten, um sich an verschiedenen Colleges zu empfehlen. „Mir schwebt vor“, sagt Jakob Johnson, „dass wir begabte junge Leute gezielt fördern und ihnen etwa solche College-Touren in den USA finanzieren.“ Der NFL-Profi hat sich bei der Talentförderung viel vorgenommen, seine eigene Karriere wird er aber auch nicht aus den Augen verlieren. Gleich am Montag geht’s zurück in die USA zum neuen Club nach Las Vegas, wo Johnson beweisen muss, dass er die Nummer eins auf seiner Position bei den Raiders ist. Role Model hin, Role Model her.