Alte Landmaschinen, wie sie bei der Ausstellung 1924 präsentiert wurden, haben bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt. So wurde bei der 950-Jahr-Feier von Ichenheim im Jahr 2016 der Lanz-Bulldog bestaunt. Foto: (Archivfoto) Bohnert-Seidel

Historie: Ausstellung lockte einst viele Menschen ins Dorf

Ichenheim - Die Oberrhein-Messe in Offenburg kennt in der Region jedes Kind. Wenig bekannt ist dagegen, dass diese Verbraucherausstellung, die seit 1924 jeweils im Herbst stattfindet, möglicherweise nach einem Vorbild aus Ichenheim entstand.

In Ichenheim fand vom 7. bis 26. Juni 1924 eine Gewerbe- und Landmaschinenausstellung statt, über die damals im "Kenzinger Wochenblatt" zu lesen war: "So viel steht fest, dass kaum jemals im Lande Baden so viel Menschen in einem kleinen Landort versammelt gewesen sind."

Handwerker konnten sich bei der Ausstellung präsentieren

Wie kam es dazu, dass in dem damals 1.900 Einwohner zählenden Rieddorf ein solch überregionales Ereignis über die Bühne ging? 1924 war die wirtschaftliche Lage im Lande nicht gerade rosig. Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren und musste an die Siegermächte hohe Reparationsleistungen bezahlen. Es herrschte Geldknappheit und das hatte zur Folge, dass die Auftragslage für die Handwerker- und Gewerbetreibenden schlecht war.

Da der Gewerbe- und Handwerkerverein Ichenheim 1924 sein 25-jähriges Bestehen feierte, sollten die Handwerker bei der Ausstellung die Gelegenheit haben, sich zu präsentieren. Und der Aufruf dazu hatte ein großes Echo gefunden: 153 Aussteller vertraten rund 300 Firmen.

"Ichenheims Einwohnerschaft hatte keine Mühe gescheut, Straßen und Häuser aufs Schmuckste herauszuputzen, überall grüßten wehende Fahnen; an Tannengrün und Blumen des Rosenmonds war nicht gespart", schrieb das Wochenblatt. Das Ausstellungsgelände befand sich am Ortsausgang, im Bereich der heutigen Meißenheimer Straße, beziehungsweise der Blumenstraße. Unterhaltung durfte auch nicht fehlen: ein Zirkus, "Farrs großes Kino", eine eigene Radiostation und eine Menge kleiner Buden. Da ein enormer Aufwand betrieben wurde, ging die Ausstellung über zwei Wochenenden.

Viel Prominenz war damals zur Eröffnung gekommen, darunter die Oberbürgermeister aus Lahr und Offenburg, viele Bürgermeister aus den "Landorten des Bezirks und der Nachbarbezirke", hochrangige Vertreter des Landesgewerbeamts, der Rindvielversicherung sowie der Handelskammerpräsident.

Am Pfingstsonntag hielt ein Gewitter mit starkem Regen wahrscheinlich viele Leute vom Besuch der Ausstellung ab, trotzdem kamen zwischen 3.000 und 4.000 Personen. Einen Rekordbesuch gab es dann am Pfingstmontag: zwischen 8.000 und 10. 000 Besucher drängten sich durch die Ausstellungshallen.

Zunft- und Trachtenfest wurde zum Zuschauermagneten

Sehr gut besucht waren auch am folgenden Tag ein großer Viehmarkt und Tagungen von Vereinigungen. Doch der Höhepunkt kam erst noch: das große Zunft- und Trachtenfest, das am darauffolgenden Sonntag stattfand.

Das zweite Wochenende stand vor allem im Zeichen des Stiftungsfests 25 Jahre Gewerbe- und Handwerkerverein Ichenheim, wobei das Zunft- und Trachtenfest zu einem Zuschauermagnet wurde. "Die Festtage haben sich auf einer Höhe bewegt, die von niemandem vorausgesehen werden konnte", lobte Direktor Eckert von der Handwerkskammer.

Das zweite Festwochenende wurde am Samstagabend mit einem Fackelzug eröffnet. Es folgte ein von Musik- und dem Gesangverein umrahmtes Bankett, das von dem Vorstand des Gewerbevereins, dem Schlossermeister Herrmann Jäger, eröffnet wurde. Er wurde als "Seele und Motor" der Ausstellung bezeichnet.

Am Sonntag ging es bereits um vier Uhr morgens mit dem Wecken los. Schon "in der ersten Nachmittagsstunde schwoll der Verkehr so an, das Ichenheim einem Ameisenhaufen glich", schrieb das "Kenzinger Wochenblatt". Die Schätzung über die Besucherzahlen an diesem Tag liegen zwischen 20. 000 und 40. 000. Die Menschen standen in dicht gedrängten Reihen, als sich um 13.30 Uhr der Festzug in Bewegung setzte. Reiter führten den Zug an, es folgten vier- und sechsspännige Wagen, die Musikkapelle Ichenheim, die Festjungfrauen, Autos mit dem Festausschuss und Bürgermeistern und dann kam der Zug der Zünfte.

Tragisches Ende

"Ende gut – alles gut", überschrieb die Zeitung ihren Nachbericht der Ausstellung. Aber leider stellte sich einige Zeit später heraus, dass nicht alles gut war. Obwohl es angeblich "waschekörbeweise" Einnahmen gegeben hatte, war möglicherweise für manche, die mit der Aufbewahrung des Geldes betreut waren, die Versuchung zu groß, etwas für sich abzuzweigen. Bewiesen werden konnte nichts, aber es fehlte bei der Schlussabrechnung Geld. Und da der Ichenheimer Gewerbe- und Handwerkerverein kein eingetragener Verein war, musste der Vorstand, der Schlossermeister Herrmann Jäger, mit seinem gesamten Privatvermögen haften. Er musste seine Familie und Deutschland verlassen, der Bürgermeister wurde vom Dienst suspendiert.

Trotz dieses tragischen Endes blieb die Ichenheimer Verbraucher-Ausstellung vielen Menschen in guter Erinnerung.

Dem Engagement von Artur Bühn aus Ichenheim ist zu verdanken, dass das Andenken an die Gewerbe- und Landmaschinenausstellung von 1924 nicht verloren ging. Er entdeckte die Artikel im "Kenzinger Wochenblatt" und hatte auch die historischen Fotos von verschiedenen Privatpersonen gesammelt, die an die Ereignisse erinnern. Sowohl die Kopien aus den Zeitungen, wie auch die Fotos hat er für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.