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Still und leise wie ihr Idol kämpft der Verein Pro Christkind in Graz gegen Santa Claus und Rentiere - mit durchschlagendem Erfolg: "Keine Weihnachtsmänner, keine Jahrmarktbeleuchtung".

Graz - Stumm zieht eine Prozession durch die gotischen Gassen der Steiermark-Metropole Graz. Junge und alte Demonstranten, die Gesichter vom Kerzenschein beleuchtet, laufen an den Glühweinbuden und Fressständen vorbei und stellen sich auf der Brücke sternförmig auf. Still und leise wie ihr Idol, kämpft der Verein Pro Christkind gegen Santa Claus und Rentiere - mit durchschlagendem Erfolg.

Anfangs sei es eine Art Guerilla-Aktion gewesen, erzählt Walter Kriwetz. Viel hat er inzwischen erreicht. "Keine Weihnachtsmänner, keine Jahrmarktbeleuchtung" - die Prinzipien, mit denen der Besitzer des Ladens "Kitsch & Kunst" einst antrat, sind so gut wie durchgesetzt. "Bei uns im alpenländischen Raum ist nun einmal das Christkind Tradition", erklärt Kriwetz, der sich als Vertreter des örtlichen Handels um das städtische Ambiente kümmert. In Apfelrot und Tannengrün, den "heimischen Traditionsfarben", erstrahlt das adventliche Graz. Mit Geschäftsleuten, die das nicht begreifen, führt der Botschafter von Pro Christkind ein Gespräch. Tatsächlich machen Weihnachtsmänner sich erstaunlich rar in der zweitgrößten Stadt Österreichs. Kletternde Santas an Hauswänden finden sich allenfalls in den Außenbezirken - "da, wo es eher migrantisch zugeht", sagt Kriwetz, der in der Lokalpolitik für die konservative ÖVP aktiv ist. Dass gleich um die Ecke von seinem "Kunst & Kitsch"-Laden auf einem Hausdach nun doch ein Rentier mit Schlitten über die Regenrinne zieht, muss der Christkind-Fighter hinnehmen. "Das ist ein Privathaus", sagt er, "da kann man nichts machen."

Jahr für Jahr macht das ätherische Wesen, das unsichtbar durchs geschlossene Fenster fliegt, gegen den fröhlichen Dicken mit der roten Zipfelmütze und dem röhrenden Lachen ein Stück Boden gut. Selbst die Organisatorin des großen Weihnachtsmarkts vor dem Wiener Rathaus mit seinem internationalen Publikum muss sich kritische Interviewfragen gefallen lassen, wenn dort wieder mal ein Santa Claus mit seinem Sack gesichtet wurde.

Auf Facebook haben sich an die 70 Gruppen zusammengetan, die alle ihre Treue zum Christkind und ihre Gegnerschaft zum Weihnachtsmann bekennen. Die Marketing-Chefin von Coca-Cola Österreich, die in den Vorweihnachtstagen einen roten Santa-Bus durchs Land schickt, musste ihr kulturfremdes Treiben in einer Fernseh-Talkshow rechtfertigen. Der Wiener Brauchtumskämpfer Heinrich Hofer ficht im Internet sogar für den "Adventkalender" - und gegen den deutschen Adventskalender mit dem Fugen-s. "Der Österreicher", dekretiert Hofer, "hat etwas für Stimmung und Beschaulichkeit über." Das Christkind steht für österreichische Identität, Santa dagegen für Kommerz, Deutschland und Amerika.

Bei Licht betrachtet, hatte der laute Dicke gegen das Jesuskind in Österreich nie eine Chance. Nur in zwei Prozent der Familien bringt nach einer Umfrage von 2007 der Weihnachtsmann die Geschenke - gegen 83 Prozent, zu denen das Christkind kommt.

Trotz Heimvorteils trat das feenhafte Englein anfangs etwas grob auf. Ein Aufkleber mit einem rot durchgestrichenen Santa warb für "weihnachtsmannfreie Zonen". Der Sticker, vertrieben vom Verein Pro Christkind, empörte die Santa-Gemeinde in den USA. "Wir haben uns dafür beim amerikanischen Volk entschuldigt", erzählt Sprecher Christoph Tschaikner.

Statt offen gegen die Konkurrenz aufzutreten, arbeitet der Verein heute mit Anregungen und dezenter Überzeugungsarbeit. Statt Weihnachtsmännern könnten Geschäfte ja Hirten auftreten lassen, empfiehlt Tschaikner. Engel findet er schon "eine Spur zu glamourös". Eine Shopping-Mall in Völz bei Innsbruck hat der Verein inzwischen komplett bekehrt. Statt "Jingle Bells" erklingen deutsche Weihnachtslieder, in einem Extraraum backen Kinder Plätzchen.

Die Wissenschaft schaut dem Kampf gegen Santa und Überfremdung eher skeptisch zu. "Bei allen neuen Bräuchen gab es immer welche, die dagegen waren", sagt Eva Kreissl, Kuratorin des Volkskunde-Museums in Graz. "Alle guten Gestalten sind langweilig", so Kreissl. "Und das Christkind liegt ja bloß in der Krippe und grinst."

Im Übrigen hat Santa strenggenommen die älteren Rechte: Auch in Österreich brachte bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts der heilige Nikolaus die Geschenke, Santas Ahnherr. Auf die Idee, stattdessen den "Herre Christ" mit der Geschenkverteilung zu betrauen, kam erst Martin Luther, der die katholische Heiligenverehrung ablehnte. "Das Christkind", so Kreissl, "tauchte in Österreich erstmals um 1870 bei sogenannten Heischegängen auf. Heischegang heißt: Es nahm etwas mit, statt etwas zu bringen. Anknüpfen konnte das vorwiegend weibliche Wesen an die heilige Luzia, die - ähnlich weiß gewandet - am 13. Dezember im Alpenraum umzugehen pflegte.

Viele Österreicher setzen auf Harmonie. "Bei uns kommen Santa und Christkind", sagt Angela Schöpfer, eine Amerikanerin, die mit ihrem österreichischen Gatten in der Steiermark lebt. "Santa bringt die Geschenke von den amerikanischen, das Christkind die von den österreichischen Eltern." Karin Bartz aus Niederösterreich schlägt vor, Santa als Assistenten für das Christkind anzustellen: "Der ist ja so stark und kann gut Geschenke schleppen. Die beiden sind eigentlich ein kongeniales Team." Am Ende setzt sich der Weihnachtsfriede durch.