Kendrick Lamar Foto: Promo

Er hat dem Rap das Grübeln beigebracht. Kendrick Lamars Album „good kid, m.A.A.d city“ findet sich auf allen Bestenlisten des Jahres 2012 weit oben. Nun kommt der Hip-Hop-Überflieger auf Deutschlandtournee. Auftakt ist am 22. Januar in Stuttgart.

Stuttgart - An kaum einem Ort in den USA ist der Anteil der Afroamerikaner so hoch wie in Compton. Die Stadt im südöstlichen Schatten von Los Angeles war 1969 die erste Metropole Kaliforniens, die von einem schwarzen Bürgermeister regiert wurde. Compton galt lange Zeit als Hochburg der afroamerikanischen Mittelklasse. Doch dann folgte der Niedergang. Seit im Jahr 1985 das N.W.A.-Album „Straight Outta Compton“ erschien, ist die 96 000 Einwohner zählende Stadt nur noch als die Heimat des Gangster-Rap bekannt. Wer heute dort aufwächst, träumt bloß davon, rauszukommen, Basketballprofi wie Tyson Chandler oder Hip-Hop-Superstar wie Dr. Dre zu werden. Jene, denen das nicht gelingen will, landen dann früher oder später in einer der rivalisierenden Gangs und dann im Knast oder im Leichenschauhaus.

Das Album „good kid, m.A.A.d city“ erzählt die Geschichte von einem, der der Versuchung widersteht, klein beizugeben und sich in die Welt aus Gangs, Gewalt und Drogen zu verlieren. Es ist die Geschichte eines guten Jungen, der der verrückten Stadt trotzt. Sein Name: Kendrick Lamar. Auf seiner ersten Platte für ein großes Label versucht sich der 24-Jährige an einer Art Rap-Biografie und als Chronist der Stadt, in der er aufgewachsen ist. „good kid, m.A.A.d city“ ist ein Konzeptalbum, ein Kurzfilm voller prägnanter musikalischer Bilder, der eine typische Coming-of-Age-Geschichte in Comptons Gangland poetisch verdichtet inszeniert. Lamar als Ich-Erzähler beschreibt, wie er sich in das Mädchen verknallt, das aus der Gangszene kommt („Sherane aka Master Splinter’s Daughter“), er dokumentiert den Gruppenzwang („The Art of Peer Pressure“) und die pubertären Sexfantasien („Backseat Freestyle“).

Die erste Hälfte des Albums zeigt Lamar als zornigen jungen Mann, der nicht weiß, wohin. Der zweite Teil erzählt von einem, der sich frei macht vom sozialen Druck, der in Kauf nimmt, ausgegrenzt zu werden. Die Absage an den Gangster-Lifestyle beginnt mit dem souligen „good Kid“, durch das Bobby Womacks 70s-Sound schimmert und bei dem Pharrell Williams für die Hookline zuständig ist.

Und diese stets dezent inszenierten Selbstreflexionen des Kendrick Lamar führt der Song „Swimming Pools (Drank)“ fort, in dem sich sein Gewissen zu Wort meldet: „Okay, now open your mind up and listen to me Kendrick / I am your conscience, if you do not hear me then you will be history Kendrick“ (Pass gut auf, Kendrick, ich bin dein Gewissen und wenn du mir nicht zuhörst, bis du bald erledigt).

Lamar, der aus einfachen Verhältnissen stammt und schon auf der Highschool mit seinen Mixtapes kleinere Labels auf sich aufmerksam gemacht hat, ist aber nicht nur als Geschichtenerzähler, der sich an eine komplexe, im Hip-Hop unübliche vor und zurück springende Narration heranwagt, eine Entdeckung. Er verpackt seine Story auch in virtuose Reime und in einen nüchternen, aber facettenreichen und detailverliebten Soundmix, aus dem sich die Einflüsse von Dr. Dre, Outkast oder The Roots heraushören lassen.

In den Jahrescharts der tonangebenden US-Zeitschrift „Spin“ landete „good kid, m.A.A.d city“ ebenso auf Platz eins wie auf der Liste des britischen Senders BBC und der einflussreichen Online-Magazine „Fact“ und „Pitchfork“. Der gute Junge hat es raus aus Compton geschafft.

Kendrick Lamar: Am 22. Januar, um 20 Uhr im LKA/Longhorn in Stuttgart; Tickets unter: www.eventim.de.