Zurück zur Natur: Bonde fährt Sessellift am Ruhestein Foto: dpa

Tourismuspolitik des Landes schlägt neue Richtung ein: Aus „Schmeck den Süden“ wird „Grüner Süden“.

Stuttgart - Als Ernst Pfister noch Wirtschaftsminister war und als solcher dem Tourismusverband vorstand, sang er stets das Hohelied auf die Spitzengastronomie im Land. Gut Essen und Trinken, das war es, was der FDP-Politiker als Erstes mit Urlaub in Baden-Württemberg in den Sinn kam. Jetzt ist die schwarz-gelbe Landesregierung Geschichte. Mit dem Wechsel zu Grün-Rot sollen auch im Tourismus andere Schwerpunkte gesetzt werden. Grüner soll er werden, nachhaltiger. Statt Genießerland schwebt Pfisters Nachfolger Alexander Bonde ein Dreiklang aus „Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft“ vor.

Was genau das heißen soll, wurde beim Baden-Württemberg-Tag auf der CMT am Montag umrissen: Übernachten im Bio-Bauernhof oder im klimaneutralen Hotel, das seinen Strom mit Solarzellen und Windturbinen erzeugt; abgasfreie Transportsysteme, Touren mit dem Elektrorad bis zur Demeter-Weinprobe oder dem Naturerlebnis mit Biosphären-Führer. An diese Faktoren wird die Förderpolitik des Landes künftig gekoppelt sein. Insgesamt gibt es mehr Geld als früher.

Leitmotiv des „Grünen Südens“ soll die Nachhaltigkeit sein. Dazu entwickelt das Land derzeit einen sogenannten Nachhaltigkeitscheck. Die beliebtesten Touristenziele sollen sich zertifizieren lassen. Bonde glaubt, damit ein Alleinstellungsmerkmal für Baden-Württemberg entwickeln zu können.

Das Genießen soll freilich auch künftig nicht zu kurz kommen. Auffällig jedoch, dass Bonde auf der CMT nicht einmal die einst viel zitierte Spitzengastronomie in den Mund nahm. Stattdessen gilt für den neuen Tourismus-Chef auch hier: zurück zum Ursprünglichen, sprich: regionale Küche. Aber ohne Sterne-Zauber.

Glaubt man den Prognosen des Tourismus-Forschers Dennis Hürten, der als vorrangige Zielgruppe für Baden-Württemberg den „Natur- und Kulturliebhaber“ ausgemacht hat, ist der Kurs des Ministers nicht verkehrt. „Diese Zielgruppe erwartet einen gewissen Standard, aber keinen Luxus“, sagte der Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Trendscope. Auch würde dieser Typ Urlauber sich nicht gleich die Ferien vermiesen lassen, wenn etwas nicht perfekt sei. Hürtens Tipp an die vielen Mittelklasse-Hotels: „Es muss nicht immer 1-a-Standard sein.“

Immer mehr Urlauber aus Asien

Andererseits: Der größte Wachstumsmarkt für den Baden -Württemberg-Tourismus ist der Nahe und Ferne Osten. Die Übernachtungszahlen von Urlaubern aus China und Indien sind im vergangenen Jahr um über 40 Prozent gestiegen. Und der alte Urlauber-Spruch von anderen Ländern und anderen Sitten gilt auch anders herum. „Diese Gäste haben ganz andere Vorstellungen von Urlaub, als wir sie haben“, sagte Brigitte Goertz-Meissner, Geschäftsführerin der Kur- und Tourismus GmbH Baden-Baden. Als Beispiel nannte sie Unterschiede beim Kulturverständnis. „Chinesen gehen lieber ins Kasino statt ins Festspielhaus. Sie verstehen auch das als historisches Erbe.“

Auch wenn mehr und mehr Urlauber aus China, Indien und dem arabischen Raum nach Baden-Württemberg kommen, bilden noch immer Einheimische und Touristen aus den Nachbarländern Schweiz, Frankreich und den Niederlanden das Gros der Baden-Württemberg-Urlauber. Auch sie trugen im vergangenen Jahr zu einem neuen Übernachtungsrekord bei. Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Übernachtungszahlen um 4,7 Prozent zu. Die Zahl der Tagesgäste stieg ebenfalls, um 6,8 Prozent. Mit 45 Millionen Übernachtungen – doppelt so viele wie im Jahr des Landesgründung vor 60 Jahren – verzeichnete der Tourismus im Südwesten sein erfolgreichstes Jahr aller Zeiten.

So schlecht kann die alte Politik mit dem Slogan „Schmeck den Süden“ also nicht gewesen sein. Der Tourismusverband betont, dass das Thema Essen und Trinken auch weiter eine große Rolle spielen wird. Nur: „Nicht alles, was immer funktioniert hat, funktioniert auch in Zukunft noch“, so Bonde. Der „Grüne Süden“ soll nach seinen Vorstellungen das Land auch wirtschaftlich voranbringen. Es gehe darum, Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land zu halten. Mit 280.000 Arbeitsplätzen ist der Tourismus ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor. Dabei klagt die Branche immer lauter über den Fachkräftemangel. Im vergangenen Jahr konnten bei Weitem nicht alle Ausbildungsplätze für Köche sowie Hotel- und Restaurantfachleute besetzt werden.

Klagen kommen auch von der Tourismusbranche aus dem Schwarzwald , allerdings in eine ganze andere Richtung. Es dürfe keinen „Wildwuchs“ bei Windrädern geben, sagte der Vorsitzende der Schwarzwald Tourismus GmbH, Frank Scherer, in Richtung des Grünen-Ministers. Windparks sollten dort errichtet werden, wo es „landschaftlich wenig sensibel, aber wirtschaftlich sinnvoll“ sei. „Wegen ihrer Fernwirkung gehören sie nicht in die alleinige Planungshoheit einzelner Gemeinden.“ Allein, eben dies ist Beschluss des grün-roten Energiekonzepts. Und Scherer wird einsehen müssen: Auch Windräder gehören künftig zum „Grünen Süden“.