Die Stadt am Albtrauf startet ein eigenes Werbekonzept – Kornwestheim, Welzheim und Vaihingen/Enz treten dagegen Regio Stuttgart bei.
Neuffen - Vielleicht muss man von außen kommen, um touristisch andere Wege zu gehen, als viele andere Städte und Gemeinden der Region. Der Neuffener Bürgermeister Matthias Bäcker (SPD) stammt aus der Pfalz und sitzt seit gut zwei Jahren im Neuffener Rathaus. Er hat seinem Gemeinderat jetzt eine Werbekampagne plausibel gemacht, die ganz anders daherkommt als die Auftritte anderer Destinationen in der Region. Mittlerweile 38 Städte und Gemeinden der Metropolregion treten im Verein Regio Stuttgart Marketing- und Tourismus e.V. gemeinsam auf und werben in der Stuttgarter Innenstadt sowie im Internet gemeinsam für sich.
Davon hält Matthias Bäcker wenig. „Ich sehe die Notwendigkeit nicht und weiß nicht, ob die Regio Marketing was bringt“, sagte er. Vielmehr wolle er das Marketing selbst in der Hand behalten und vor Ort für Neuffen werben. Der Entwurf für die neuen Ortstafeln steht bereits: „Auf Wiedersehen in der Neuffener Toskana“ – so werden künftig die Gäste verabschiedet. Toskana? Bäcker ist um eine Begründung nicht verlegen: „Wir haben wie die Toskana eine Burg und Wein und eine teils schroffe Landschaft.“ Auch würden mit der Toskana Urlaub und Freizeit assoziiert.
Mit der Neuffener Toskana will die Stadt künftig auf Messen mit einem eigenen Stand werben. Auf der CMT genauso wie auf weiteren kleineren Tourismus-Messen im Land. 4000 bis 5000 Euro werde so ein Stand kosten, schätzt Bäcker. Finanzierbar werde er, indem sich die Stadt mit dem Pächter der Burg sowie der Weingärtnergenossenschaft Neuffen zusammentue. Auch mit den Nachbarn will Bäcker kooperieren: Mit Beuren etwa mit seinem hübschen alten Ortskern, dem Feilichtmuseum und der Therme – und mit Metzingen wegen des Shopping-Erlebnisses. Dazu Neuffens romantisches Umland mit Streuobstwiesen: Bäcker ist überzeugt, dass die Gäste bald strömen.
Campingplatz und Golfplätze
Ob die kleine Stadt mit 6300 Einwohnern überhaupt genug Betten hat, irritiert Bäcker nicht: „Was war zuerst, die Henne oder das Ei?“ Es gebe zwei Hotels am Ort und fünf bis sechs Ferienwohnungen. „Und es gibt Interessenten, die ihre leeren Wohnungen Feriengästen anbieten würden“, sagt der Bürgermeister. Dass Neuffen ein gefragter Urlaubsort ist, liest er am Wohnmobilstellplatz ab, dessen vier Plätze immer belegt seinen. Die Nutzer wechseln dabei alle drei bis vier Tage, sagt Bäcker. Und mit fünf Golfplätzen im Umkreis könne sich Neuffen noch eine weitere Klientel erschließen.
Neuffen setzt vor allem auf Kurz-Urlauber, Tages- und Zwei-Tages-Ausflügler. Zum Konzept gehört, Busanbieter zu gewinnen und eine neue Info-Broschüre aufzulegen. „Bei mir stand die Tourismusförderung schon im Wahlkampf auf der Agenda“, sagt Bäcker. Das löse er jetzt ein. Eine gute Zusammenarbeit verspricht sich die Burg-Stadt mit dem Verkehrsverein Teck/Neuffen, mit dem Biosphärengebiet und dem Verein Schwäbisches Streuobstparadies. Von der Schwäbischen Landpartie erhofft sich Bäcker, dass sie Neuffen als Standort für ihr Büro wählt. Nur mit der Regio Marketing wird Bäcker nicht warm – wie übrigens auch sein Vorgänger im Bürgermeisteramt nicht.
Das würde der Waiblinger OB Andreas Hesky, Vorsitzender des Regio Vereins, gerne ändern: „Ich finde es ausgesprochen bedauerlich, dass der Kollege die Regio GmbH so bewertet.“ Denn leider habe es bisher keinerlei Gespräche gegeben. Neuffen, daraus macht Hesky keinen Hehl, wäre eine Bereicherung für den Verein mit bisher 38 Mitgliedern in der Größe zwischen Esslingen (93 000 Einwohner) und Cleebronn (2800 Einwohner). Hohenneuffen wäre ein hübsches Ausflugsziel, mit der die Regio Marketing und Tourismus GmbH werben könnte. „Es ist ja nicht so, dass wir ein Club sind, zu dem man einfach so dazustößt. Wir sind angewiesen auf starke touristische Städte.“ Insofern sei die Tür für Neuffen weiter offen.
Neuffen bleibt der Regio fern
Hesky versteht die Gründe Neuffens nicht, der Regio fern zu bleiben. Der Mitgliedsbeitrag – 55 Cent pro Einwohner und damit rund 3500 Euro – sei weniger, als jeder Messetand koste. Dafür sei Neuffen dann im Stuttgarter i-Punkt präsent und auf den Internetplattformen.
In diesem Sinn haben sich in jüngster Zeit einige Städte für die Regio entschieden. So stieß 2012 Cleebronn mit Tripsdrill (Kreis Heilbronn) dazu, 2013 Kornwestheim und Welzheim (Rems-Murr-Kreis), am 1. Juli tritt noch Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) bei. Auch die Stadt Göppingen, die aus Kostengründen vor ein paar Jahren austrat, sitzt längst wieder mit im Boot.
Armin Dellnitz, Geschäftsführer der Regio Marketing und Tourismus GmbH, ist überzeugt, dass ein Gespräch mit Bäcker dessen Vorbehalte auflösen würde. „Es war bisher in allen Fällen so, dass eine Zusammenarbeit für mehr als sinnvoll angesehen wurde.“ Die Regio könne belegen, dass die Leistungen für die Mitglieder sehr hoch seien. So koste in der Regel eine einige Anzeige mehr als der Mitgliedsbeitrag. Die Werbung im i-Punkt treffe direkt auf ein interessiertes Publikum. Und die Werbung in Print-Produkten und im Internet sei mehrere tausend Euro wert. Aber auch Dellnitz sagt, nicht jeder ist erwünscht. „Bei 38 Kommunen müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu schnell wachsen.“ Wer beitrete, müsse bereit sein, im Tourismus mitzumachen und Angebote und Produkte zu aktualisieren. „Wir fordern schon ganz schön“, sagt Dellnitz. Es sei aber jeder Mitgliedskommune unbenommen, parallel zur Regio auch selbst für ihre Highlights zu werben: „Große Städte wie Esslingen und Ludwigsburg machen das bereits.“