Rund 70 Besucher kamen zur Bürgerversammlung von Bad Liebenzell in den Spiegelsaal des Kurhauses. Dieses Gebäude soll komplett umgebaut werden. Wegen der Lieferengpässe aufgrund des Krieges in der Ukraine müssen die Umbaupläne aber überprüft werden. Foto: Krokauer

Bad Liebenzell lebt vom Tourismus. Die Corona-Krise hat der Kurstadt schwer zugesetzt. Der Ukraine-Krieg sorgt nun dafür, dass die Stadt bei ihren Bauvorhaben mit Lieferengpässen und Preissteigerungen schwer zu kämpfen hat.

Bad Liebenzell - Die Planungen für die Modernisierung des Kurhauses werden überarbeitet, berichtete Sina Dornbach, seit 1. Mai neue Geschäftsführerin der Freizeit und Tourismus Bad Liebenzell GmbH (FTBL) am Donnerstagabend in der Bürgerversammlung im Spiegelsaal des Kurhauses. Zehn Millionen Euro wollte der Gemeinderat in den Komplettumbau stecken. Das Land gewährte bereits einen Zuschuss in Höhe von zweieinhalb Millionen Euro. Wegen der Lieferengpässe muss die Stadt aber mit Kostensteigerungen von 30 Prozent rechnen. "Wir müssen überlegen, was wir machen", räumte Dornbach ein. Die Arbeiten werden wohl erst im dritten oder vierten Quartal 2023 beginnen. Die Toiletten wurden bereits für 500 000 Euro erneuert und zwei Tagungsräume für 700 000 Euro eingerichtet. In einem ersten Bauabschnitt hatte die FTBL für den Brandschutz und die Fluchtwege des Kurhauses rund 800 000 Euro ausgegeben. Das Land gewährte einen Zuschuss in Höhe von 400 000 Euro.

Schulschwimmen in der Therme

Dornbach geht davon aus, dass das Gebäude zur Erweiterung der Technik für Paracelsus-Therme 2023 gebaut wird. Wie wichtig die Therme auch für Einheimische ist, zeigt sich daran, dass es dort fünf Mal die Woche ein Schulschwimmen gibt. Und wer als Einwohner von Bad Liebenzell die Therme besucht, bekommt beim Vorzeigen des Personalausweises einen Nachlass von 1,50 Euro.

Neuer Pächter

Renovieren ließ die Stadt das Thermenhotel, das es zuvor zurückgekauft hatte. Inzwischen sind neue Pächter gefunden. Die Brüder Patrick, Raphael und Christopher Koch betreiben ab 1. August das Haus. Bei aller Freude über diese Erfolge erinnerte Dornbach daran, dass Corona noch nicht vorbei ist: "Ab September garantiere ich für nichts."

Hohe Verschuldung

Sowohl die Pandemie als auch die Preissteigerungen im Bausektor waren und sind für Bad Liebenzell besonders schmerzhaft, da die Stadt ohnehin hoch verschuldet ist. "Der Haushalt ist sehr schlecht", räumte Kämmerer René Kaufmann bei der Bürgerversammlung ein. So lag Ende des vergangenen Jahres die Pro-Kop-Verschuldung der Stadt einschließlich der Eigenbetriebe bei etwas mehr als 6100 Euro, der Landesdurchschnitt bei Kommunen vergleichbarer bei rund 1000 Euro. Die Finanzplanung sieht eine Erhöhung der Pro-Kopf-Verschuldung bis 2025 sogar auf rund 10 000 Euro.

Generationengerecht handeln

Ein Bürger wollte deshalb wissen, ob an dem Schuldenberg der im Herbst vergangenen Jahres abgewählte Bürgermeister Dietmar Fischer schuld sei. Das wollte Kaufmann so nicht bestätigen. Er sagte, dass ab 2008 eine gewisse Dynamik eingesetzt habe. Er wolle deshalb nicht sagen, dass eine bestimmte Person die Verantwortung für diese Situation trage. Bad Liebenzell habe bereits in den 1990er-Jahren hohe Schulden gehabt, so Kaufmann. Wegen seiner touristischen Einrichtungen habe die Kurstadt schon immer zu kämpfen gehabt. Außerdem habe die Infrastruktur in sieben Stadtteilen seinen Preis. Es sei viel investiert und Einrichtungen geschaffen worden. Schließlich müsse man seinen Einwohnern etwas bieten. In Zukunft werde man aber klarer darauf achten, dass nur dort investiert werde, wo es wichtig sei und etwas bringe, so Kaufmann. "Wir müssen wirtschaftlich und generationengerecht handeln", sagte dazu Bürgermeister Roberto Chiari. Jetzt eingeleitete Verbesserungen in der finanziellen Situation würden erst in einigen Jahren spürbar sein, räumte der Bürgermeister ein.

Ziel bleibt Unterzentrum mit Schömberg

Langwierig sind in Bad Liebenzell die städtebaulichen Entwicklungen. Es bestehe die Gefahr, dass die Planungskosten davonliefen, sagte der Bauamtsleiter für die Stadtplanung und Bauverwaltung, Rainer Becht, in der Bürgerversammlung. Er gab einen Überblick über einige Projekte. Um mehr Möglichkeiten bei der Ansiedlung von Betrieben zu bekommen, will Bad Liebenzell mit Schömberg und Unterreichenbach ein Unterzentrum bilden. Dazu müssen die Kommunen entsprechende Anträge an die Landesregierung und den Regionalverband Nordschwarzwald stellen. Momentan ist ein gemeinsames Unterzentrum nicht möglich, weil Bad Liebenzell zum Mittelzentrum Calw und Schömberg zum Mittelzentrum Bad Wildbad gehört. Becht sprach von langwierigen Prozessen.

Einfamilienhäuser zu teuer

Seit zehn Jahren ist die Stadt am Baugebiet Wasenäcker in Möttlingen dran. Allerdings gebe es hier Verzögerungen, die Stadt ein halbes Jahr zurückwerfen würden, räumte Becht ein. Dass man dort im nächsten Jahr bauen könne, wie vor Kurzem noch angenommen, würde er so nicht mehr sagen: "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben." Der besondere Schutz von Streuobstwiesen spiele bei den Wasenäckern aber keine Rolle mehr. Das sei beim Baugebiet Bühlweg schon wieder anders. Ohnehin ist Becht der Auffassung, dass mittlerweile nicht mehr das Augenmerk auf neue Baugebiete im Außenbereich, sondern auf die Innenentwicklung gerichtet werden müsse: "Die Einzelhausgrundstücke können wir uns nicht mehr leisten." Stattdessen seien mehr Quartierskonzepte notwendig. So hält er die Pläne für das Silberdistelareal in Monakam städtebaulich für gelungen. Solche Planungen seien 1970 dort schon einmal vorgesehen gewesen. Erst später sei ein Hotel geplant worden. "Wir müssen uns solchen Bauformen stellen", sagte Becht. Damit könne man auch mehr Einwohner bekommen, denn die Ansiedlung von Märkten sei erst ab 2000 Einwohnern interessant.

Häberle soll in die Talwiesen

"Als ganz tolle Geschichte" bezeichnete Becht die Planungen für einen "Israel-Park" des Vereins Zedakah und einer Alpaka-Farm in Maisenbach-Zainen. Die Wogen scheinen sich zu glätten, was die Behördenseite betreffe. Der Bebauungsplan sei auf einem guten Weg. Als enorm aufwendig bezeichnete Becht die geplante Umsiedlung der Firma Häberle vom Bahnhofsareal in die Talwiesen. Die Tennisanlagen in den Talwiesen konnte die Stadt zurückgewinnen. Früher gab es dort eine Deponie. Andererseits ist dort ein altes Landschaftsschutzgebiet, was die Sache besonders kompliziert macht.

Tempo 40 nur in Teilbereich

Schlechte Nachrichten hatte Becht für die vom Verkehrslärm geplagten Anwohner der Ortsdurchfahrt von Unterhaugstett. Auf der ganzen Länge der Straße die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 40 Kilometer pro Stunde zu begrenzen, sei wohl nicht möglich. Stattdessen werde es nur in einem Teilbereich Maßnahmen geben, räumte Becht ein.

Schnelles Internet kommt voran

Einen Überblick über den Breitbandausbau gab Rathauschef Chiari. In Maisenbach-Zainen gingen die Glasfaserleitungen im August in Betrieb. In Beinberg sei es im April oder Mai 2023 so weit. Die Kernstadt folge Ende 2023. In Unterlengenhardt nehme die Stadt den Glasfaserausbau 2024 in Angriff.

Apropos Internet: Etwa 50 Gäste verfolgten die Bürgersversammlung auf dem Youtube-Kanal der Stadt. Dort ist sie weiter abrufbar. Die Technik AG der Reuchlin-Realschule unter der Leitung des zuständigen Lehrers Richard Martin sorgte für die Übertragung ins Netz. Im Spiegelsaal des Kurhauses waren rund 70 Besucher.