Actionfilme drehen sich um sie, in den Nachrichten werden ihre Verwüstungen gezeigt. Tornados gab es immer schon, auch in Baden-Württemberg. Warum haben wir das Gefühl, es werden immer mehr?
Mit bislang 32 bestätigten Tornados deutet sich in Deutschland mit Blick auf diese Art von Wirbelsturm ein durchschnittliches Jahr an. Der Mittelwert der vergangenen Jahre liege bei 45, sagt Marcus Beyer, Tornado-Experte beim Deutschen Wetterdienst (DWD) im hessischen Offenbach.
Zahlreiche Verdachtsfälle
Neben den bestätigten Fällen gebe es aber auch noch Verdachtsfälle, die im Frühjahr des Folgejahres von der Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland noch einmal näher angeschaut würden, so Beyer weiter. Daher sei es möglich, dass zur derzeitigen Zwischenbilanz noch einige Fälle dazukommen. Die endgültige Zahl der Tornados in diesem Jahr könnte somit leicht über dem Durchschnitt liegen.
2023: Zwei Tornados im Südwesten
In Baden-Württemberg zählten die Meteorologen bislang einen Tornado bei Philippsburg, außerdem elf Verdachtsfälle. Im vergangenen Jahr waren es zwei Tornados in Kusterdingen (Kreis Tübingen) und Friedenweiler (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald), beide innerhalb von zwei Tagen im Mai. Gezählt wurden obendrein 13 Verdachtsfälle.
Werden Tornados in Deutschland häufiger?
Wirbelstürme sind in Deutschland keineswegs seltene Ereignisse. Dass immer öfter Tornados bekannt werden, hat aber auch mit dem Internet zu tun. Stürme würden heute etwa einfach mit Smartphones gefilmt, sie würden dokumentiert, die Eindrücke an einen größeren Verteiler weitergereicht.
Der Austausch sei erheblich größer geworden, erklärt der DWD. Wegen der Erwärmung der Atmosphäre werden die Tornados eher stärker, nicht aber häufiger. "Es lässt sich in den Zahlen seit 2000 weder eine Zunahme noch eine Abnahme der Tornadozahlen erkennen", erklärt Beyer.
Ist die Wahrscheinlichkeit dafür in Baden-Württemberg höher oder niedriger?
Hierzulande gibt es anders als in den USA kein typisches Tornado-Gebiet: Wirbelstürme könnten in Deutschland überall auftreten, betont der DWD-Fachmann. Es gebe zwar Regionen, in denen mehr los sei als in Baden-Württemberg. Tatsächlich komme es aber auch im Südwesten immer wieder zu solchen Ereignissen.
Wirbelstürme auf dem Prüfstand
„Wenn keine Videoaufnahmen von dem Ereignis vorliegen, braucht es eine Vorort-Analyse der Schäden“, sagt der Experte weiter. „Das Schadensmuster bringt dann in aller Regel Gewissheit.“
Ein Verdachtsfall aus der nordrhein-westfälischen Stadt Attendorn vom 24. August 2024 werde derzeit untersucht. Erste Hinweise deuten sowohl auf einen Tornado als auch auf einen geradlinigen Fallwind hin. „Gut möglich, dass dies am Ende Fall 33 im Jahr 2024 wird.“
Zahl der Tornados variiert
Die Zahl der Tornados variiere in Deutschland von Jahr zu Jahr stark und sei von den jeweiligen Wetterlagen abhängig, so der Meteorologe. „Es lässt sich in den Zahlen seit 2000 weder eine Zunahme noch eine Abnahme der Tornadozahlen erkennen“, erläutert Beyer. Die Zusammenhänge seien sehr komplex. Aus einer Temperaturzunahme könne man nicht direkt auf eine Zunahme von Tornadofällen schließen.
In der Meteorologie beginnen die Jahreszeiten aus statistischen Gründen immer zum ersten Tag der Monate März (Frühling), Juni (Sommer), September (Herbst) und Dezember (Winter). Der kalendarische Beginn richtet sich dagegen nach der Erdumlaufbahn um die Sonne.
Der Zeitpunkt variiert jedes Jahr etwas, da die Erdumlaufbahn und die Länge des Jahres nicht ganz übereinstimmen. In diesem Jahr fällt der kalendarische Herbstbeginn auf den 22. September.
Wie verhält man sich bei einem Tornado richtig?
Bei einem Tornado sollte man am besten sofort den Keller oder einen Innenraum wie zum Beispiel Badezimmer aufsuchen. Auf jeden Fall weg vom Fenster, möglichst weit nach innen und unten. Dächer von frei stehenden Häusern können abgerissen, obere Etagen zerstört werden. Selbst Garagentore werden manchmal von Trümmerteilen durchschlagen. Auch das Auto ist kein sicherer Platz in einem Tornado: Problemlos kann es Dutzende Meter in die Höhe gehoben oder von der Straße geweht werden.
Info : Tornados
Wie entsteht ein Tornado?
Tiefstehende Schauer- und Gewitterwolken sind Grundvoraussetzung für die Entstehung eines Tornados, erläutert der Tornado-Experte Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. Wenn der Wind vom Boden bis zur Wolke zudem Richtung und Geschwindigkeit ändert, beginnen die Luftmassen sich zu drehen. Damit sich der sogenannte Wolkenrüssel bildet, muss die aufsteigende Luft sehr feucht sein. „Die aus dem Wolkenrüssel freigesetzte Energie führt dazu, dass die Luft sich immer schneller dreht.“
Wie häufig sind Tornados in Deutschland?
Selbst bei optimalen Bedingungen seien Tornados hierzulande „ein sehr seltenes Ereignis“, erklärt der DWD-Meteorologe Gerhard Lux. „Nur in einem Prozent aller Stürme kommt es zu einem echten Tornado. Wir haben in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse.“ Kleinere Tornados in Verbindung mit einer Kaltfront und Wärmegewittern kämen indes häufiger vor – ungefähr 20 bis 50-Mal im Jahr. “ Deutschland sei kein typisches Tornado-Gebiet, betont Friedrich. Wirbelstürme könnten aber überall auftreten. In den vergangenen 20 bis 30 Jahren seien jährlich etwa 20 bis 60 Tornados mithilfe von Augenzeugenberichten erfasst worden. „Die Dunkelziffer ist allerdings sehr viel höher.“
Ab wann gilt ein Tornado als gefährlich?
Wirbelstürme werden mithilfe der Fujita-Skala klassifiziert. Die bisher beobachteten Stufen reichen von F0 – maximal 116 Kilometer pro Stunde – bis F5 mit mehr als 500 Kilometer pro Stunde. Auch die niedrigste Stufe liege bereits weit über normalen Unwetterwarnungen, so Friedrich. „Jeder Tornado kann lebensgefährlich sein.“
Kann ein Tornado vorausgesehen werden?
Weil sie kleinräumig auftreten und nur kurz dauern, sind Tornados sehr schwer vorherzusagen. Erst, wenn der Tornado bereits wütet und entdeckt wurde, können Städte oder Landkreise gewarnt werden.
Nimmt die Zahl der Tornados durch den Klimawandel zu?
Wegen der Erwärmung der Atmosphäre werden die Tornados eher stärker, aber nicht häufiger. „Der Klimawandel ist eine Temperaturerhöhung der Erdatmosphäre, erklärt Gerhard Lux. „Das wiederum verstärkt den Wasserkreislauf, wodurch sich stärkere Regenschauer und Stürme bilden können. Man kann aufgrund der Beobachtungen der Tornados überhaupt nichts statistisch ableiten. Das wäre reine Spekulation.“
Gibt es bei Tornados in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle?
Als Grundregel gilt: Im Westen eher als im Osten und im Süden eher als im Norden. Das hängt mit der Wärmeentwicklung und den Großwetterfronten zusammen, die im Sommer über Deutschland hinwegziehen. Im Süden sind Sommergewitter häufiger. Aber niemand in Deutschland ist vor einem Tornado gefeit.