Corona-Schutzmasken auf Gehwegen, in Parks oder im Gebüsch sind wohl das sichtbarste Zeichen: Durch die Pandemie hat sich das Müllaufkommen verändert. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Corona hat unser Konsumverhalten verändert. Das macht ein Blick auf die Hinterlassenschaften deutlich.

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Stuttgart - Corona-Schutzmasken auf Gehwegen, in Parks oder im Gebüsch sind wohl das sichtbarste Zeichen: Durch die Pandemie hat sich das Müllaufkommen in den Städten verändert. "Allgemein kann man sagen, dass seit Beginn der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie die Vermüllung des öffentlichen Raums zugenommen hat", sagt ein Sprecher der Landeshauptstadt Stuttgart. In den Abfallkörben würden verstärkt Hausmüll und Take-Away-Reste entsorgt. Verpackungen werden direkt am Verzehrort liegen gelassen werden, auch wenn Abfallkörbe in unmittelbarer Nähe stehen, beklagt der Sprecher. Auch Corona-Schutzmasken tragen zur Vermüllung bei.

Wie geht man am besten mit ihnen um?

"Getragene Masken gehören unbedingt in den Restmüll", sagt Fritz Mielert vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. An einem Tag brauchen die Baden-Württemberger rund elf Millionen FFP2- oder ähnliche Masken aus Textil und Kunststoff. Das mache bei einmaligem Tragen pro Tag theoretisch rund 78 Tonnen Maskenmüll, so der Referent für Umweltschutz. Für die Natur seien achtlos weggeworfene Masken fatal, weil sie - wie von Greenpeace errechnet - erst in 450 Jahre zersetzt seien. Wer sie vom Bürgersteig oder Grundstück entfernen will, sollte selbst eine Maske tragen und die abgelegte Maske mit Handschuh oder Greifer in einer stabilen verschlossenen Tüte in die schwarze Tone werfen. Mielert: "Da sollte man wirklich Vorsicht walten lassen - es könnte ja die Maske eines infizierten Menschen sein."

Welche Müllart hat sich in der Krise besonders deutlich verändert?

Unterricht und Arbeit zu Hause haben für randvolle Restmülltonnen gesorgt. Familien essen daheim und nicht in Kantine oder Schule. "Zum Beispiel landen wegen Schließung der Kitas mehr Windeln im heimischen Mülleimer", sagt Dirk Kurzschenkel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Abfall des Landkreistages. Bis zu 40 Prozent mehr privater Müll sei da zusammengekommen. Im Jahresmittel 2020 seien es etwa zehn Prozent.

Gibt es auch mehr Bio- und Gartenabfälle?

Ja - mehr als manchem Entsorger lieb war. Während der Verbannung ins Heim vergnügte sich mancher Eigenheimbesitzer mit Mähen, Jäten und Baumbeschneiden. "Die Grüngutplätze wurden enorm genutzt", sagt Thomas Strahl, Referent beim Landkreistag. Der Trend zum gesunden Selbst-Kochen führt zu vollen Biomülltonnen. Die Menge der Küchenabfälle wuchs im Landesschnitt im vergangenen Frühjahr um 10 bis 20 Prozent, erläutert Kurzschenkel. In der Landeshauptstadt Stuttgart fielen im Jahr 2020 rund 269 900 Tonnen Biomüll an - rund sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

Wie ist die Lage bei der Altkleider-Sammlung?

Das große Ausmisten der Kleiderschränke brachte die Container ans Limit. "Leider ist die Qualität der Sachen nicht mehr so gut wie früher. Die Fast-Fashion wird zweimal getragen und ist dann eigentlich durch", erläutert Strahl vom Landkreistag. Immer mehr Klamotten eigneten sich nur noch als Putzlappen oder Dämmmaterial für die Autoindustrie. Für manche karitative Unternehmer, die die Ware an Secondhandläden verkaufen, lohne sich das Sammelgeschäft nicht mehr. Weniger Container müssten nun mehr ausrangierte Kleidung aufnehmen. Folge: Die Behälter quellen über, das animiert andere, ihren Restmüll daneben abzustellen. Im schlimmsten Fall wird auch Sperrmüll dort abgeladen. Auch dessen Aufkommen wuchs im ersten Lockdown - laut Kurzschenkel um 20 Prozent.

Wie ist es um die anderen Wertstoffe bestellt?

Durch den gestiegenen Online-Handel gelangt eine Flut von Pappe und Kartons in die Haushalte - nach Angaben Kurzschenkels 80 Prozent mehr als vor dem Lockdown. "Deshalb setzt sich der rückläufige Trend bei der Gesamtpapiermenge zum ersten Mal seit Jahren nicht fort", erläutert der Betriebsleiter Abfallwirtschaft des Landkreises Göppingen. Bei Online-Einkäufen fallen auch viele Folien und Plastik an. Das Umweltministerium verweist auf Schätzungen von Entsorgern, wonach im Gesamtjahr 2020 sechs Prozent mehr Leichtverpackungen angefallen seien.

Wird sich das Gesamtmüllaufkommen erhöhen?

Nicht unbedingt, denn der gewerbliche Müll ist weniger geworden, sagt Kurzschenkel. "Ein Betrieb, der nicht produziert, macht auch keinen Müll." Strahl glaubt, dass sich das gestiegene Aufkommen im Lockdown halten und danach wieder bei den Werten aus Vor-Corona-Zeiten einpendeln wird. Im Jahr 2019 fielen laut Abfallbilanz des Umweltministeriums pro Kopf 355 Kilogramm häusliche Abfälle an – Rest- und Sperrmüll, Bioabfälle und wertstoffhaltige Abfälle. Unterm Strich waren es 3,93 Millionen Tonnen.

Müssen die Bürger mit steigenden Gebühren rechnen?

Tendenziell ja, meint Kurzschenkel. "Wenn die Erlöse zum Beispiel wegen sinkender Preise von Wertstoffen auf dem Weltmarkt sinken und die Kosten etwa für die Müllverbrennung hier steigen, wäre das nicht zu vermeiden", sagt der Ingenieur. Strahl ist da optimistischer - zumindest für den Moment. "Mir sind keine, auch nicht geplante Gebührenerhöhung wegen Corona bekannt." Die Landeshauptstadt hat zum Jahreswechsel ihre Gebühren für Restmüll zwischen 1,8 und 2,6 Prozent erhöht - aber unabhängig von Corona, wie es aus dem Rathaus heißt. Die Haushalte zahlen im Landesschnitt laut Ministerium über 165 Euro Gebühren für die Abfallentsorgung im Jahr.