Fünf Jahre alt, etwa 1,50 Meter groß und "wahnsinnig liebenswert": Der Vorderwälder Ochse Otto kann auf den steilen Hängen seines Bauernhofs nicht mehr schmerzfrei weiden und sucht deshalb nach einem neuen Zuhause. Fotos: Moritz Foto: Schwarzwälder Bote

Landwirschaft: Wiesen mit Hanglage bereiten Ochsen Probleme / Ehepaar sucht neuen Weideplatz

Kaum ist das Auto in die Einfahrt gefahren, schallt auch schon ein lautes Muhen über den Hof. Interessiert blickt der braun-weiß gefleckte Ochse aus dem Stallfenster, während sich seine Besucher nähern.

Titisee-Neustadt (akm). Fast ein Jahr lang kommen Veronika und Klaus Hiß nun schon täglich aus dem 15 Kilometer entfernten Eisenbach auf das Anwesen im Eckbachtal gefahren, um sich um ihren Schützling zu kümmern. Doch damit könnte bald Schluss sein, denn Otto braucht ein neues Zuhause. "Im Auftrag suchen wir für Otto einen Gnadenhof. Er sollte allerdings nicht so weit entfernt von Titisee-Neustadt sein. Wir wollen ihm einen langen Transportweg ersparen." Mit diesen Worten beginnt der Aufruf, den das Löffinger Tierheim auf der Online-Plattform Facebook gestartet hat.

Otto ist ein fünfjähriger Vorderwälder Ochse und hat "eine unheimlich liebenswerte Ausstrahlung" wie es in dem Beitrag weiter heißt. Doch er hat ein Problem: Zu dem Hof, auf dem er im November 2013 zur Welt kam, gehören ausschließlich Weiden mit Hanglage. Dadurch drückt das Gewicht des an die 1,50 Meter großen Tieres auf seine Knochen und Sehnen, weshalb Otto seit dem vorletzten Winter Probleme mit einem Hinterbein hat. "Wir haben erst gedacht, er hätte sich beim Kampf mit dem damaligen Bullen gestritten und sich dabei eine Verletzung zugefügt", erinnert sich Besitzerin Veronika Hiß. Doch als die Behinderung nicht weggegangen sei, hätten sie nach einer anderen Ursache gesucht. "Wenn er abends von der Weide kam, war es immer am Schlimmsten, er konnte kaum noch gehen. Da ist uns klar geworden, dass ihm das Stehen auf der steilen Wiese schadet."

Rund zwei Stunden verbringen Veronika und Klaus Hiß seither täglich bei ihrem Ochsen – verabreichen ihm homöopathische Medikamente, binden kühlende Kräuterwickel um sein schmerzendes Bein oder verwöhnen ihn mit Massagen. "Nur weil ein Tier alt oder verletzt ist, muss man es doch nicht gleich einschläfern", sagt Veronika Hiß, während sie ihren Schützling liebevoll betrachtet, "das sind doch genauso Geschöpfe Gottes wie wir Menschen auch." So ist Otto nicht das einzige Tier, um das sich das Ehepaar kümmert: Immer wieder nehmen sie auch Hunde aus dem Tierheim vorübergehend bei sich auf.

Als Otto im November 2013 geboren wurde, war Veronika Hiß Schwager, dem der Hof in Neustadt gehört, gerade wegen einer Hüftoperation im Krankenhaus. So musste ihr Mann Klaus einspringen und die trächtige Kuh bei der Geburt unterstützen. "Als er danach nach Hause kam, hat er mir von dem quicklebendigen Kerlchen erzählt und mich gefragt, ob wir nicht eine Patenschaft für ihn übernehmen wollen", erinnert sich seine Frau. Normalerweise wäre Otto wohl nach 14 Tagen zum Schlachter gekommen, denn die Aufzucht der männlichen Jungtiere lohnt sich für die Milchbauern nicht. "Das konnte ich auf keinen Fall zulassen", sagt Klaus Hiß. Also kaufte das Paar den Ochsen und zahlt seither Pacht sowie alle anfallenden Kosten für das Tier. "Wir sind total dankbar, dass Otto auf dem Hof meiner Schwester bleiben durfte. Wenn ihr Mann gesagt hätte, er muss weg, wären wir echt dumm dagestanden", so Veronika Hiß.

Eigentlich führt Otto also ein Leben, von dem viele seiner Artgenossen noch nicht einmal träumen können. "Er hat sogar schon einmal bei den Festspielen in Jostal mitgespielt", erzählt seine Besitzerin stolz", da waren alle total begeistert von seiner Gutmütigkeit und seiner liebevollen Ausstrahlung." Und auch beim 900-jährigen Stadtjubiläum in Freiburg soll er einen der Festwagen ziehen – vorausgesetzt, sein Bein bereitet ihm bis dahin keine Schwierigkeiten mehr.

Doch obwohl es Otto wieder deutlich besser geht, wird er auf Dauer nicht auf dem Hof bleiben können. Deshalb sucht das Ehepaar Hiß nun nach einem Ort, an dem sie ihn – vorübergehend – unterbringen können. Die Weide sollte maximal 20 Kilometer von Eisenbach entfernt liegen, wie Klaus Hiß erklärt, "denn so zwei, drei Mal die Woche, möchte ich Otto auf jeden Fall besuchen." Vor allem muss sie aber eben sein, damit seine Knochen nicht weiter belastet werden. Gleichzeitig sind die beiden gemeinsam mit ihrem Sohn, einem studierten Agrarwirt, auf der Suche nach einem kleinen Bauernhof mit zwei bis drei Hektar Land, "aber das ist sehr schwierig", so Klaus Hiß. Sollte sich eine Möglichkeit ergeben, wollen sie Otto zu sich holen – und vielleicht weiteren Tieren ein artgerechtes Leben geben.

Otto gehört zur Rasse der Vorderwälder Rinder, die wie die etwas kleineren Hinterwälder zum sogenannten Wäldervieh gehört und im Schwarzwald heimisch ist. Laut Angaben der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen (ASR) sind die Rinder optimal an die im Schwarzwald vorherrschenden Umweltbedingungen angepasst, wozu ein raues Klima und steile Hanglagen zählen. Demnach können ausgewachsene Bullen ein Gewicht von 950 bis 1050 Kilogramm und eine Widerristhöhe von bis zu 150 Zentimetern erreichen, weibliche Tiere bis zu 138 Zentimetern und 650 Kilogramm.