Die Stadt Titisee-Neustadt hat beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe Kommunalverfassungsbeschwerde gegen das Bundeskartellamt eingereicht. Die Bonner Behörde drohe damit, dass die Stadt das Verfahren zur Konzessionsvergabe des Energienetzes wiederholen müsse, so Bürgermeister Armin Hinterseh. Foto: Stadt

Kartellamt kritisiert Vergabe an regionalen Energieversorger. Wird Konzessionsvergabe wiederholt?

Titisee-Neustadt - Titisee-Neustadt steht unter Strom. Die Wälderstadt hat beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe Kommunalverfassungsbeschwerde eingereicht. Die Verwaltung sieht ihr Selbstverwaltungsrecht bei der Energieversorgung durch das Bundeskartellamt infrage gestellt.

Es ist schon ein Paukenschlag, mit dem die Verwaltung der Wälderstadt aufwartet. Sie hat Kommunalverfassungbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe eingelegt. Bürgermeister Armin Hinterseh sieht die selbstbestimmte Vergabe von Konzessionen bei Strom- und Gasnetzen auf kommunaler Ebene als gefährdet an.

Was war geschehen? Seit 2,5 Jahren betreibt die Wälderstadt durch die Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH (evtn) ein eigenes Energieversorgungsnetz. Bei der Stromnetzvergabe an die evtn im Jahr 2011 sollen nach Ansicht des Bundeskartellamts die dort festgelegten Kriterien zu kommunalfreundlich ausgelegt gewesen sein, erläutert Armin Hinterseh. Die Bonner Behörde drohe nun, dass die Konzessionsvergabe wiederholt werden müsse.

Im Zuge des Verfahrens zur Stromnetzvergabe habe sich die Kommune bei sich selbst um die Konzession bewerben müssen, führt Armin Hinterseh aus. In diesem Verfahren seien ihr durch das sogenannte »Kartellrechtliche Regime« Anforderungen auferlegt gewesen, die vorsehen, Kriterien wie Bürgerbeteiligung, Bürgernähe, ökologische örtliche Energieversorgung, Schaffung von Arbeitsplätzen oder auch regionale Wertschöpfung als unerheblich einzustufen. Dieses »Kartellrechtliche Regime« mache eine Rekommunalisierung des Energienetzes allerdings nahezu unmöglich, wertet Armin Hinterseh. Es sei denn, der Altkonzessionär des Energienetzes werde weiter beteiligt und habe das Sagen. Werden die Kriterien nicht eingehalten, sei der Konzessionsvertrag nichtig, es drohten der Kommune und den Gemeinderäten Bußgelder in Millionenhöhe.

Das Unternehmen evtn besteht seit 2011. Die Stadt hält 60 Prozent der Gesellschaftsanteile, die Elektrizitätswerke Schönau eG 30 Prozent und die lokale Bürgergenossenschaft »Vita-Bürger-Energie eG« zehn Prozent. Das Stromnetz in Bürgerhand – dies werde durch das »Kartellrechtliche Regime« zu verhindern versucht, kritisiert der Bürgermeister. Das Bundeskartellamt habe durch seine Vorgaben das bis 2010 geltende fundamentale Kommunalrecht der eigenen betrieblichen Ausgestaltung örtlicher Energieverteilungsnetze außer Kraft gesetzt.

Seit Mai 2012 haben Einwohner der Stadt Titisee-Neustadt die Möglichkeit, Strom von der evtn zu beziehen. Das Stromversorgungsnetz erstreckt sich über die Flächen der Stadtteile Neustadt, Titisee, Langenordnach, Schwärzenbach und Rudenberg. In diesem Gebiet leben knapp 11 800 Einwohner. Grundversorger für das Netz der evtn ist ab 2013 bis 2015, durch die Regulierungsbehörde festgelegt, die EnergieDienst AG.

Die evtn hat sich zum Ziel gesetzt Energieversorgungsnetze zu errichten, zu erwerben und zu betreiben. Sichergestellt werden soll die energetische Versorgung der Bevölkerung sowie der Gewerbebetriebe und Industrie. Auch weitere Dienstleistungen im Energiesektor sollen erbracht werden. Hehres Ziel der evtn ist es, den Betrieb insbesondere auf ökologische Gesichtspunkte auszurichten. Dabei soll vor allem Energie aus regenerativer Erzeugung sowie dezentraler Kraft-Wärme-Anlagen gefördert werden und Energie sparsam verwendet werden.