Im Anflug: Karl Geiger kommt als Weltcupführender nach Neustadt, freut sich auf "die Gleiter- und Fliegerschanze" und hofft, "dass wir da ganz viel Spaß haben". Foto: Eibner

Skispringen: Joachim Häfker und sein Team freuen sich auf das zehnte Weltcup-Wochenende in Titisee-Neustadt

Zum zehnten Mal steigt am Wochenende in Titisee-Neustadt ein Weltcup-Skispringen. Nicht immer lief dabei alles glatt.

Telefonieren, telefonieren, telefonieren. Und dazwischen planen, Schnee schaufeln, organisieren, Absprachen treffen. Und schon wieder klingelt das Telefon. "Das ist der ganz normale Wahnsinn", sagt Joachim Häfker.

Seit Wochen ist der Generalsekretär des Weltcups in Titisee-Neustadt im Dauerstress. Denn der "Wettkampf" startet für ihn und sein Team nicht erst am Wochenende, sondern schon direkt nach der Bekanntgabe des Weltcup-Kalenders. Eine Schanze braucht Schnee – und wo kommt der her, wenn es nie schneit? Die Vorbereitung, nur unterbrochen von den Feiertagen Ende Dezember, um ein Event mit einem Budget von einer halben Million Euro auf die Beine zu stellen, das geht an die Substanz. "Aber es ist ein gutes Gefühl, einen Weltcup auszurichten", meint Häfker, "es macht uns stolz."

"Die Aussichten sind ideal"

Wenn der Neustädter Weltcup-Generalsekretär über das Großereignis am heutigen Samstag ( 16.00 Uhr) und am Sonntag ( 15.15/jeweils live im ZDF und Eurosport) redet, dann gerät er zuweilen ins Schwärmen. 800 ehrenamtliche Helfer gehören zum Stamm, die aus Begeisterung an der Sache nicht lange nachdenken, sondern anpacken und das Großereignis möglich machen. Die Arbeit zehrt an den Kräften, und so ist Häfker "froh, dass es endlich losgeht". Nachdem in der letzten Saison das warme Wetter und Regen die präparierte Schanze regelrecht hatten dahinschmelzen lassen, soll in diesem Jahr nichts dazwischen kommen: "Die Aussichten sind ideal", meint Häfker, "minus zwei Grad und keine Wolke am Himmel." Dazu auch noch mit Karl Geiger ein deutscher Favorit und Weltcupführender – "der ist gut drauf, und unsere große Schanze dürfte ihm liegen. Ich denke, dass er den Sieg nach Hause bringt" – der Boden für ein großes Spektakel ist bereitet. "Die Euphorie ist jetzt natürlich riesig", erzählt Häfker, "das merken wir auch im Vorverkauf." Aber keine Angst: Karten sind an der Tageskasse noch erhältlich, schließlich passen bis zu 25 000 Zuschauer in das Stadion am Fuß der Hochfirstschanze.

Skispringen hat in der Wälderstadt eine lange Tradition. 1911 schütteten eine Handvoll junger Männer einen Hügel auf, den sie mit Holzpalisaden einfassten – und die erste Neustädter Schanze war geboren, sogar mit Sprungrichterturm, der freilich weniger den heutigen Bauten glich als vielmehr aussah wie ein größerer Jägerhochsitz. Als diese Schanze am Mühlrain den Ansprüchen nicht mehr genügte – der Schanzenrekord lag bei 33,5 Metern – ging es 1932 ins Schmiedsbachtal, wo bis heute gesprungen wird. Und wo Legenden geboren wurden. Wie zum Beispiel Karl Fischer, der über zwei Jahrzehnte die Ergebnislisten nicht nur des traditionellen Schwarzwälder Neujahrsspringens dominierte.

Als Ausrüstung dienten damals Holzski: "Die waren bleischwer", erinnert sich Fischer. Dazu Schuhe bis zum Knöchel, Strickpulli, Mütze und Handschuhe, und fertig war der Skispringer. Lampenfieber gab es bei den Springen vor bis zu 5000 Zuschauern natürlich auch damals und natürlich auch die persönlichen Tricks, um es in den Griff zu bekommen. Fischers Kniff nach dem beschwerlichen Aufstieg zum Absprungpunkt: "Ich habe eine Zigarette geraucht."

So etwas ist heute natürlich undenkbar. Die Athleten gehen nicht mehr wie Fischer, der im Sägewerk arbeitete, körperlich anstrengenden Berufen nach, sondern sind Profis. Bei Anlaufgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h – mehr als das Doppelte im Vergleich zur damaligen Zeit – muss der Bewegungsablauf perfekt sitzen, damit der Sprung nicht zum Desaster wird.

Und dafür muss die Schanze perfekt präpariert sein. Die findigen Neustädter begegnen dem Schneemangel seit dem Winter 2012/2013 in Form eines "Schwarzwald-Gletschers", der im Schmiedsbachtal das wertvolle Weiß über den Sommer rettetet – unter Plastik und Styropor verborgen. "Das Organisationskomitee mit seinem innovativen Team setzt immer wieder Maßstäbe", lobt Franz Steimle, der Präsident des Deutschen Ski-Verbands (DSV).

Fans sorgen für Stimmung

Häfker ist seit 15 Jahren Weltcup-Chef in Neustadt, und die Grenzen seiner Leidensfähigkeit waren zwischen 2007 und 2013 erreicht, als er Jahr für Jahr die schlechte Nachricht schlucken musste, dass Neustadt wieder nicht im Weltcup-Kalender berücksichtigt wurde. Neue Anlagen mit allen Schikanen in Russland, China, Kasachstan oder Südkorea machen die Sache nicht einfacher. Denn Geld spielt dort keine Rolle. Da muss sich ein kleiner Ort wie Neustadt schon doppelt strecken.

Doch das größte Plus von Titisee-Neustadt ist – neben der reibungslosen Organisation – die Atmosphäre. Denn Tausende Skisprung-Fans, die für glänzende Stimmung sorgen, kann sich noch nicht einmal Katar kaufen.