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Kurzarbeit, Kündigungen, Stellenabbau: Jetzt den Job wechseln? Warum denn eigentlich nicht?

Stuttgart - Kurzarbeit, Kündigungen, Stellenabbau: Bei den Meldungen, die die Wirtschaftskrise nach sich zieht, ist jeder froh, eine Stelle zu haben. Jetzt den Job wechseln? Als Gekündigter gleich wieder einen Arbeitsplatz finden? Warum nicht, wenn man einige Besonderheiten beachtet.

"Ich bin seit 25 Jahren Berater, und das ist die schlimmste Zeit, die ich für alle Branchen und Abschlüsse erlebt habe", sagt Heinz-Wilhelm Seegers von der Agentur für Arbeit in Stuttgart. Fakt ist: Wegen der Wirtschaftskrise gibt es weniger Jobs in Deutschland. Das bedeutet für Bewerber: Weniger Auswahl, mehr Konkurrenz, und die Personaler können besser aussieben. Sollte die Bewerbungsmappe jetzt besonders auffällig gestaltet werden, damit sie im großen Stapel nicht untergeht? Und was antwortet man auf die Frage: Warum wurden sie entlassen? Berater bei der Agentur für Arbeit, Karriere-Coaches und Fachbuchautoren geben Tipps.

Sollten Bewerbungen jetzt anders aussehen als sonst?

Vor der Krise hat die Kreativität mancher Bewerber schon mal dazu geführt, Konfetti in die Bewerbungsmappe zu packen, ganz nach der Devise: Hauptsache auffallen. Auf Schnickschnack wie diesen verzichten Personaler derzeit zugunsten schlichter Unterlagen, die aber alle formalen Kriterien erfüllen. Das zumindest ist das Ergebnis einer Befragung unter Karriereberatern und Personalchefs, die Anne Jacoby und Florian Vollmers für ihr 2009 erschienenes Buch "Bewerben in schwierigen Zeiten" gemacht haben. "In wirtschaftlich unruhigen Zeiten besinnen sich Unternehmen gern auf klassische Tugenden wie Verlässlichkeit und Konstanz zurück", sagt Vollmers. Das bedeutet aber nicht, dass bei der Gestaltung der Mappen wieder die gleichen Grundsätze gelten wie vor 15 Jahren, wo Standardbewerbungen geläufiger waren als individuelle Anschreiben. "Je länger die letzte Bewerbung zurückliegt, desto gründlicher sollte man sich informieren und auch professionell beraten lassen", sagt Sibylle Retzbach, Arbeitsvermittlerin bei der Agentur für Arbeit.

Wie fällt man trotzdem auf?

"Man sticht am besten dadurch heraus, dass man alles korrekt macht", sagt Vollmers. Auch wenn das selbstverständlich klingt: Viele Personaler bekommen mehr Bewerbungen mit Rechtschreibfehlern, falschem Namen oder Briefkopf auf den Tisch als formal richtige Unterlagen. Hinzu kommen Anschreiben und Lebensläufe, die eher einem Roman gleichen als einer knackigen Vorstellung der eigenen Person. "Wenn ein Personaler einen riesigen Stapel mit Bewerbungen vor sich hat, will er nach zwei Minuten wissen, mit wem er es zu tun hat", sagt Seegers. Neugier weckt man weder mit den Standardformulierungen, die jede Massenbewerbung entlarven, noch indem man die große Not "Hauptsache Job, egal wo" signalisiert. "Ein Arbeitgeber will Sie nicht von der Straße holen, sondern sucht einen qualifizierten Mitarbeiter", sagt Seegers. Das bedeutet: Das persönliche Profil sollte möglichst genau zur ausgeschriebenen Stelle passen und das Interesse am Arbeitgeber möglichst individuell begründet werden. Daraus ergibt sich auch, dass gerade nicht die richtige Zeit ist, um beruflich etwas völlig Neues anzugehen. "Der Bewerber muss bereits unter Beweis gestellt haben, dass er das, was er künftig tun soll, bereits beherrscht", sagt Karriere-Coach Hans Rainer Vogel.

Wo findet man noch Stellenangebote?

Klar gibt es auch in den klassischen Kanälen wie den Printzeitungen oder den Internet-Jobbörsen noch Stellen. Aber: Dort tummeln sich eben auch die meisten Suchenden. Und: "Gut die Hälfte der Stellen wird mittlerweile unter der Hand vergeben und nie ausgeschrieben", sagt Vollmers. Denn Unternehmen sparen sich auf diese Weise Zeit und Geld einer offenen Suche - und minimieren über Tipps von Mitarbeitern das Risiko, einen Flop einzustellen. Deswegen ist es noch wichtiger als früher, auf dem verdeckten Arbeitsmarkt zu suchen, Netzwerke wie Freunde oder ehemalige Kollegen anzuzapfen und sich initiativ zu bewerben. "Idealerweise flattert die Bewerbung dann genau in dem Moment ins Unternehmen, wenn überlegt wird, ob man eine Stelle wieder besetzen soll", sagt Seegers. Ist die Anzeige dagegen erst mal raus, hat man wieder Hunderte von Konkurrenten - und muss wieder genau auf die ausgeschriebenen Anforderungen passen. Wer sich initiativ bewirbt, kann dagegen ganz gezielt die eigenen Stärken hervorheben. Aber auch für diese Form der Bewerbung gilt: nicht wahllos Unternehmen anschreiben, sondern nach möglichst passenden Arbeitgebern suchen - ruhig auch bei kleineren Unternehmen. Linklisten für branchenspezifische Suchmaschinen, die auch eben diese aufspüren, gibt es bei der Agentur für Arbeit.

Sind Bewerbungen im Ausland ein Weg aus der Krise?

"Wenn es hier nicht klappt, dann klappt es woanders erst recht nicht", ist Seegers Erfahrung. Denn im Ausland gelten wieder andere Regeln für die Jobsuche, und die fremde Sprache kommt erschwerend hinzu. "Trotzdem gibt es natürlich Bereiche, in denen das durchaus sinnvoll sein kann." Auch hier lohnt es sich, Fachleute zu fragen.

Was antwortet man am besten auf die Frage: Warum haben Sie Ihren Job verloren?

Wenn die Krise etwas Gutes hat, dann, dass sich diese Frage so einfach wie selten zuvor beantworten lässt. "Derzeit werden ja auch Hochqualifizierte entlassen, das hat nichts mit den Kenntnissen zu tun, und deswegen kann man das Thema ganz offen ansprechen", sagt Vollmers. Ihn hat bei den Interviews zu seinem Buch überrascht, dass die Personalchefs in Bewerbungsgesprächen das Thema Krise selbst ganz offen ansprechen. "Sie konfrontieren die Bewerber mit ihren derzeitigen Problemen und fragen sie nach Lösungswegen."

Sollte man Gehaltsforderungen senken?

Kurzarbeit, verschobene Gehaltserhöhungen, Stagnation bei den Tariflöhnen: Wenn es um Gehaltsforderungen geht, sind viele Bewerber verunsichert, was noch angemessen ist und was eher zur Absage führt. "Man sollte sich trotzdem keinesfalls unter Wert verkaufen und in vorauseilendem Gehorsam die Forderungen runterschrauben", sagt Vollmers. Das heißt: Sich erst einmal zu normalem Marktwert anbieten, aber rechtzeitig einlenken, wenn es nicht anders geht.

Und wenn es trotz allem nur Absagen hagelt?

Auch wenn es leichter gesagt ist als getan: Nicht aus der Ruhe bringen lassen und versuchen, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Es ist einem bei den Stellenanforderungen immer schwergefallen, die nicht mehr ganz taufrischen Englischkenntnisse zu verstecken? Dann wäre jetzt Zeit für einen Sprachkurs oder eine andere Weiterbildung. Und auch wenn derzeit niemand sagen kann, bis wann sich die Wirtschaft und damit auch die Stellensituation wieder erholen wird, gilt zumindest auf längere Sicht: Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es bald mehr Stellen als Arbeitskräfte geben.