Tomaten wachsen zwar nicht im Wohnzimmer, aber dafür im Wintergarten. Die Pflanze hat zwittrige Blüten, was bedeutet, dass sie mit ein bisschen Schütteln ganz leicht von Hand bestäubt werden kann - ohne Insekten. Foto: Mellin

Selbstversorgung liegt im Trend. Es hat jedoch nicht jeder einen Garten oder Balkon, um dort Paprika, Tomaten oder Kräuter wachsen zu lassen. Da liegt die Idee nahe, sich ein paar große Blumentöpfe ins Wohnzimmer zu stellen und das Gemüse dort aus einigen Samen zu ziehen. Aber funktioniert das auch?

Sigrid Herber kennt sich aus. Ihre Gärtnerei Sämann in Balingen ist mit reichlich vielen Gemüsesorten auch auf Wochenmärkten vertreten. In der Gärtnerei wachsen im Sommer Gurken, Tomaten, Paprika und andere Fruchtgemüse. Im Freiland kultivieren die Gärtner verschiedene Salatsorten oder auch Zucchini. Auch Wintergemüse wie Rosenkohl, Wirsing und Lauch kommt frisch vom Beet. Sämann hat also reichlich Erfahrung darin, unter welchen Bedingungen die Pflanzen am besten wachsen.

 

Im Wohnzimmer wächst kein Gemüse

Die Gärtnerei-Inhaberin will den Garten- und Balkonlosen keine falschen Hoffnungen machen: "Im Wohnzimmer Gemüse wachsen lassen - das funktioniert nicht", sagt sie. Es könne sein, dass ein paar kümmerliche Früchtlein kommen, aber nichts Richtiges. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Blüten an der grünen Pflanze einfach wieder abfallen, sei größer. "Im geschlossenen Raum stimmen die Bedingungen einfach nicht. Gemüsepflanzen brauchen es warm und feucht und sie wollen sehr viel Licht." Auch an der Heizung und auf dem Fensterbrett bekommen sie davon nicht genug, erklärt Herber. Außerdem werden viele Gemüsepflanzen auch sehr groß. "Das hat in der Wohnung keinen Sinn."

Im Wintergarten funktioniert es

"Was aber funktioniert, ist ein Wintergarten", sagt sie. "Da sind die Klimabedingungen anders." Was man auch machen könne, sei die Pflanzen aus Samen auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer vorziehen, um sie später in den Garten, auf den Balkon oder in den Wintergarten zu pflanzen.

Wann man mit der Aussaat anfangen sollte, hängt von der Pflanze ab. Damit die Pflanzen im Sommer Früchte tragen, muss man rechtzeitig starten. "Gurken brauchen nicht lange. Da reicht es Ende April noch, sie zu säen. Paprika dagegen brauchen lange. Die sollten schon Ende Februar gesät werden. Tomaten kann man im April säen." Bis die auf dem Fensterbrett gezogene Pflanze ins Freiland kann, vergehen dann etwa sechs Wochen bis zwei Monate. Wer seine Pflanzen im Mai nach den Eisheiligen ins Beet setzt, hat zudem den Vorteil, dass kälteempfindliche Sorten dann sicher sind. 

Muss der Winter-Gärtner Bienchen spielen?

Gemüse auf dem Fensterbrett vorziehen oder gar im Wintergarten halten ist also eine bewährte Möglichkeit. Da bleibt aber dennoch eine Frage: Was ist mit den Bienen und anderen Insekten, die in der Natur normalerweise kommen, um die Blüten zu bestäuben? Kleine Exkursion in die Biologie: Damit eine Blüte befruchtet wird, muss der Pollen auf das weibliche Pflanzenorgan, die Narbe, übertragen werden. Nur wenn das passiert, können sich Pollenkorn und Eizelle vereinen. Und nur dann kann die Pflanze Früchte tragen.

Es gibt einige Gemüsesorten, die "zwittrige Blüten haben" und sich daher selbst befruchten können, wie auf dem Internetportal Pflanzenforschung.de - gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung - nachzulesen ist. Die brauchen nicht unbedingt Insekten, weil jede Blüte sowohl ein männliches als auch ein weibliches Fortpflanzungsorgan enthält. 

Laut Pflanzen-Magazin Plantura hat die Mehrzahl der in Deutschland heimischen Pflanzen zwittrige Blüten: Apfel-, Birn- und Kirschbäume gehören ebenso dazu, wie viele Gemüsepflanzen, darunter Tomaten, Auberginen, Paprika, Bohnen, Erbsen, Feldsalat und die meisten Erdbeer-Sorten. Die sind auch im Wintergarten - ganz ohne Insekten - gut zum Früchtetragen zu bringen.

Den Wind hinein lassen oder von Hand rütteln

"Es reicht schon, wenn ab und zu der Wind durch den Wintergarten weht, damit die Blüten ein bisschen bewegt werden. Oder man rüttelt von Hand vorsichtig an der Pflanze", erklärt Herber. Für jede Blüte, die offen sei, reiche einmal schütteln. Wenn die Blüten nach und nach aufgehen, könne man das also zwei bis drei Mal pro Woche machen und dann stehe den eigenen Paprikas und Tomaten nichts mehr im Weg.

Wichtig sei beim Pflanzen ziehen gute Erde, merkt die Gärtnerin noch an. Es müsse aber keine spezielle sein. Hochwertige Blumenerde sei ausreichend.