Für viele Kinder und Jugendliche gehören Instagram und Co. zum Alltag. Doch ab wann wird es heikel? Im Gespräch gibt Lena Hargesheimer von der Lahrer Drogenhilfe Tipps und Hinweise.
Nicht erst seit Corona wird über den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen diskutiert. Hängt der Nachwuchs zu viel auf Tik-Tok und Instagram? Darüber haben wir mit Sozialarbeiterin Lena Hargesheimer von der Lahrer Drogenhilfe gesprochen.
Frau Hargesheimer, wie präsent sind Soziale Medien in Ihren Beratungsgesprächen?
Sie spielen eine stetig wachsende Rolle. Noch vor einigen Jahren hatten wir drei bis vier Fälle im Jahr. Inzwischen sind es deutlich mehr. Meist kommen Eltern mit ihren Kindern. Auch wenn es sich in den wenigsten Fällen um eine Sucht im diagnostischen Sinne handelt, unterstützen wir alle, die zu uns kommen.
Wie erklären Sie sichden Anstieg?
Soziale Medien nehmen gesellschaftlich einen immer größeren Raum ein. Zudem bringen sie Suchtpotential mit sich. Sie dienen etwa zur Realitätsflucht oder zur Vermeidung unangenehmer Gefühle. Gleichzeitig ist es von überall her möglich, das Wissen mit einer Weltöffentlichkeit zu teilen. Auch Corona war ein Beschleuniger, während der Pandemie konnten sich Kinder und Jugendliche nur digital treffen. Da die Medien immer mehr Raum bekommen, wird der Umgang mit ihnen uns in Zukunft wohl noch mehr beschäftigen.
Wie gefährden die Sozialen Medien Kinder?
Es gibt viele Gefahren. Zu den heiklen Aspekten gehören Mobbing, gefährliche Herausforderungen oder Sexting, der Austausch freizügiger Nachrichten oder Fotos. Zudem gibt es Versuche, mit Minderjährigen in Kontakt zu kommen, mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs. Hier sprechen wir von „Cybergrooming“. Plattformen zeigen eine vermeintlich perfekte Welt, die nicht der Realität entspricht. Sie sind so programmiert, dass sie eine lange Nutzungsdauer anregen. Viele Jugendliche sind sich bewusst, dass sie zu viel Zeit online verbringen. Den Konsum einzuschränken ist allerdings schwer, da damit ein geringeres Dopamin-Level einhergeht. Zudem aktivieren die Plattformen das Belohnungszentrum im Gehirn.
Welche Rolle spielt KI?
Eine zunehmend wachsende Rolle. Viele Plattformen nutzen KI in Form von Chat-Bots Wenn ich zwölf Jahre alt bin und mich gerade mit meiner Freundin gestritten habe, antwortet mir nun rund um die Uhr jemand, der alles gut findet, was ich sage. Doch dass Bots nicht real sind, ist schon für Erwachsene nur schwer begreifbar. Für Kinder und Jugendliche ist das ein enormes Risiko. Sie investieren viel Bindung in die vermeintlichen Beziehungen.
Muss hier die Politik tätig werden?
Das wird früher oder später der Fall sein. Man lässt auch im Straßenverkehr nicht einfach alle losfahren und stellt erst später Verkehrsschilder auf. Künstliche Intelligenz mag viel Positives bewirken. Aber es kann einem auf die Füße fallen.
Wie können Eltern ihre Kinder schützen?
Es müssen altersgemäße Regeln ausgehandelt oder vorgegeben werden. Da müssen Eltern eine gewisse Penetranz zeigen. Ich empfehle ihnen, mit ihren Kindern im Gespräch darüber zu bleiben und einen vertrauensvollen Austausch zu pflegen. So ist es wahrscheinlicher, dass Kinder auch von negativen Erfahrungen berichten. Eltern sollten ihre Sorgen offen ansprechen. Wichtig ist auch, dass Kinder und Jugendliche Handlungsweisen zum Umgang mit anstrengenden Gefühlen erlernen.
Was meinen Sie damit?
Ohne Soziale Medien muss man sich ein gutes Gefühl erst erarbeiten, mit ihnen kann man es gegebenenfalls ganz schnell haben, auch wenn das weniger nachhaltig ist. Daher braucht es Ideen für alternative Beschäftigungen. Die Dauerverfügbarkeit der Plattformen ist dabei ein großes Problem. Sie sind kostengünstig, unendlich verfügbar, ermöglichen soziale Distanz bei dem gleichzeitigen Gefühl sozialer Bindung sowie vermeintlich einfache Erfolgserlebnisse, etwa durch Follower, Likes oder Klicks.
Wie gehen Sie bei Beratungsgesprächen vor?
Wir wollen an die Lebenssituation der Menschen anschließen. Zunächst versuche ich herauszufinden, wo die Probleme liegen. Kinder und Eltern haben häufig unterschiedliche Ansichten, was ein sinnvoller Medienkonsum ist. Wenn sie eine Ebene finden, sich darüber ernsthaft auszutauschen, ist viel gewonnen. Dann überlegen wir, wie sinnvolle Schritte Richtung Veränderung aussehen können. Ich gebe Familien etwa die Aufgabe, eine Challenge zu starten und in einem bestimmten Zeitraum gemeinsam auf Soziale Medien zu verzichten. So können sie herausfinden, wie leicht oder schwer es den einzelnen Familienmitgliedern wirklich fällt, welche Vor- und Nachteile ein Verzicht hat und alternative Beschäftigungen testen.
Nutzen Sie selbst die Plattformen?
Ja. Und ich weiß, dass ich anfällig bin. Daher halte ich mich an selbstgefasste Regeln. Ich verzichte etwa zu bestimmten Zeiten auf die Sozialen Medien. Allgemein helfen schon Kleinigkeiten. Man kann etwa den Timer stellen oder Apps vom Startbildschirm entfernen.
Die Beratungsstelle
Die Bwlv Drogenhilfe Lahr ist in der Jammstraße 2 beheimatet. Die Kontaktaufnahme erfolgt über Telefon 07821/9 23 89 90 oder über E-Mail an drogenhilfe-lahr@bw-lv.de. Weitere Infos unter https://www.bw-lv.de/. Die digitale Beratungsstelle findet sich auf https://www.suchtberatung.digital/