Jahrelang verhandelt die EU mit der Ukraine über ein weitreichendes Abkommen, nun stoppt Kiew den Vertrag kurz vor dem Abschluss. Zudem darf Oppositionsführerin Timoschenko nicht zur Behandlung nach Deutschland. Eine besondere Rolle spielt Russland.

Jahrelang verhandelt die EU mit der Ukraine über ein weitreichendes Abkommen, nun stoppt Kiew den Vertrag kurz vor dem Abschluss. Zudem darf Oppositionsführerin Timoschenko nicht zur Behandlung nach Deutschland. Eine besondere Rolle spielt Russland.

Kiew/Brüssel - Schwerer Affront für die EU und Deutschland: Die Ukraine lässt die erkrankte Oppositionsführerin Julia Timoschenko in Haft und legt ein mit der EU ausgehandeltes Abkommen überraschend auf Eis.

Der Vertrag, der eine engere Zusammenarbeit samt freiem Handel bringen sollte, werde aus "Gründen der nationalen Sicherheit" gestoppt, betonte die Regierung in Kiew nach einer Kabinettssitzung. Die EU und die Ukraine sollten die Folgen der Vereinbarung zunächst gemeinsam mit Russland besprechen. Genau dies hatte kurz zuvor Kremlchef Wladimir Putin vorgeschlagen.

Die Bundesregierung, die immer wieder eine Freilassung der wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilten Timoschenko gefordert hatte, zeigte sich erstaunt. "Unser Interesse an guten Beziehungen zur Ukraine ist ungebrochen, unser Angebot einer echten Partnerschaft steht", erklärte Außenminister Guido Westerwelle. Die Ukraine habe das "Recht, über ihren Weg frei zu entscheiden." Der zuständige EU-Kommissar Stefan Füle sagte eine Reise nach Kiew kurzerhand wieder ab.

Putin übt Druck aus

Eigentlich sollte das Abkommen über die europäische Integration am Freitag nächster Woche auf dem Gipfel zur EU-Ostpartnerschaft in der litauischen Hauptstadt Vilnius unterzeichnet werden. Putin hatte gedroht, dass die Ukraine in diesem Fall alle Handelsvorteile mit Russland verlieren werde.

"Das ist eine souveräne Entscheidung der Ukraine, die zu kommentieren uns nicht zusteht", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Russland sei zur Zusammenarbeit sowohl mit der EU als auch mit der Ukraine bereit. Die EU wiederum hatte Moskau vor Druck auf Kiew gewarnt.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch betonte zwar bei einem Besuch in Wien, es gebe für das wichtigste Transitland für russisches Gas nach Westen keine Alternative zur EU-Integration. Es gebe allerdings "vorübergehende Schwierigkeiten". In Kiew kritisierte Vizeregierungschef Juri Boiko, die EU habe der Ukraine keine Entschädigung für drohende Verluste durch russische Wirtschaftssanktionen zugesagt.

Alle sechs Entwürfe für ein "Timoschenko-Sondergesetz" wurden zuvor in der Obersten Rada abgelehnt. Damit scheiterte ein erneuter Vorstoß für die medizinische Behandlung Timoschenkos in Deutschland. Die Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko rief Präsident Janukowitsch auf, die Politikerin zu begnadigen. Dies hatte der Staatschef aber mehrfach abgelehnt. Zudem forderte Klitschko, Regierungschef Nikolai Asarow müsse im Parlament Rechenschaft ablegen. Der Ministerpräsident habe seine Vollmachten überschritten.

Scharfe Kritik aus dem Europaparlament

Der deutsche EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) kritisierte das Votum der Obersten Rada scharf. Janukowitsch wolle das Abkommen wohl "wegen der wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen des russischen Drucks" nicht unterschreiben, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament.

Die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Grüne) forderte die Ukrainer indirekt auf, Janukowitsch bei der Präsidentenwahl 2015 abzuwählen. Der Grünen-Europaparlamentarier Werner Schulz teilte mit: "Absolut inakzeptabel ist der russische Herrschaftsanspruch, über die europäisch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen künftig mit zu verhandeln. Die Ukraine ist seit über zwanzig Jahren ein souveräner Staat und keine Teilrepublik Russlands, über die in Moskau im alten Sowjet-Stil entschieden wird."