Tim Bendzko legt mit „April“ sein fünftes Album vor. Im Interview erzählt er wie die Songs entstanden sind, ob sein Sohn Einfluss darauf hatte und warum er auf Tour jetzt lieber im Camper schläft.
Mit dem Lied „Nur noch kurz die Welt retten“ ist Tim Bendzko vor zwölf Jahren bekannt geworden. Und auch heute noch ist der 37-Jährige einer der erfolgreichsten deutschen Popmusiker. Jetzt geht er mit seinem neuen Album „April“ auf Tour – und schläft unterwegs im Camper statt im Hotel.
Herr Benzdko, weshalb sind Sie unter die Camper gegangen?
Da ich in der ersten Nacht in einem Hotel immer sehr schlecht schlafe und meistens nur eine Nacht dort verbringe, wollte ich gerne mein eigenes Bett immer dabei haben. Zudem entfällt das häufige Koffer ein- und auspacken. Die Rechnung ist aufgegangen – ich schlafe wie ein Stein und bin somit viel fitter, wenn ich beruflich unterwegs sein muss.
Warum heißt Ihr neues Album „April“?
Der Titel beschreibt das Auf und Ab, das typisch für den Monat ist, und damit das Auf und Ab der Gefühle der letzten Jahre.
Welche Gefühle waren das bei Ihnen in den vergangenen Pandemiejahren?
Meine Lieblingsbeschreibung war, dass es sich wie ein Alienangriff angefühlt hat, weil es einfach so unwirklich war. Man konnte sich nicht vorstellen, dass das gerade wirklich passiert. Damit musste man erst einmal klarkommen, sich im besten Fall neu sortieren und im allerbesten Fall Kraft daraus schöpfen.
Sie hatten durch die Pandemie sehr viel Zeit für Ihr neues Album. Sie haben deshalb mehrmals alles wieder umgeworfen und sehr viele Songs geschrieben, die dann doch nicht auf dem Album gelandet sind.
Beim Songschreiben gibt es für mich zwei Phasen. Die eine ist die, in der ich das Lied schreibe und natürlich denke, das ist das Beste, was ich jemals geschrieben habe (lacht)! Durch Corona hatte ich sehr viel Zeit für die zweite Phase. Ich konnte die Songs mit viel Abstand, etwa nach einem halben Jahr, wieder anhören und schauen, ob es sich immer noch so anfühlt wie beim Schreiben. Und dann ging es mir häufig so, dass ich dachte: das waren jetzt vielleicht doch nicht zwölf, sondern nur drei wirklich gute Songs. Sodass ich einfach noch mal ein paar geschrieben habe.
Viel Zeit birgt auch die Gefahr nicht zum Schluss zu kommen und sich zu verzetteln, oder?
Ich verzettle mich zum Glück nicht. Irgendwann sagt mir mein Bauchgefühl, dass der Song für mich eine Bewandtnis hat, mir Spaß macht, mich berührt und etwas ausdrückt, was ich unbedingt mal ausdrücken wollte. Und so finde ich einen guten Schluss.
Für Ihre anstehende Tour haben Sie alle Songs neu arrangiert und die Band spielt in einer neuen Besetzung. Was kann das Publikum erwarten?
Meistens habe ich mir erst in der Woche vor den Proben überlegt, was wir auf der Bühne machen wollen. Jetzt hatten wir zum ersten Mal Zeit gehabt uns musikalisch und visuell wirklich etwas auszudenken. Außerdem wird es eine Clubtour im doppeldeutigen Sinn: Zum einen aufgrund der Veranstaltungshallen, aber auch musikalisch geht es mehr nach vorne.
Ihr neues Album ist insgesamt elektronischer.
Man wird da nicht so viel stillstehen! Was dem eingefleischten Fan Spaß machen wird, ist, dass wir den Klassikern ganz neue Versionen verpasst haben. Von „Nur noch kurz die Welt retten“ haben wir eine lustige Kraftwerk-Version gemacht. „Keine Maschine“ ist jetzt eine Clubnummer. Ich bin total gespannt, ob das die Leute genauso mitreißt wie uns als Band. Als wir bei den Proben das Gesamtergebnis gesehen haben, sind wir durchgedreht, weil das auch für uns eine ganz neue Welt ist, in die wir da eintauchen.
Wie sehr hat Ihnen das Touren in den letzten Jahren gefehlt?
Ich bin ja in der Zeit Vater geworden. Da denkt man wenig über Dinge nach, die einem fehlen. Da ist man eher dabei sehr glücklich zu sein, dass man das erleben darf. Aber klar, wenn deine Songs, die du in Boxershorts und mit Gitarre umgeschnallt, geschrieben hast, ein paar tausend Leute komplett mitsingen und man sieht, dass die denen etwas bedeuten, dann macht das schon was mit einem. Das hat mir natürlich gefehlt.
Haben Sie durch die Geburt Ihres Sohnes neue Themen für sich entdeckt?
Nein (lacht). Aber ich glaube schon, dass meine Motivation Dinge zu tun eine andere ist. Ich mache das alles jetzt nicht mehr nur für mich, sondern vor allem für meine Familie.
Welche Werte wollen Sie Ihrem Sohn vermitteln?
Auch unabhängig von meinem Sohn würde ich sagen, dass ich dafür stehe, nicht den Kopf in den Sand zu stecken.
Mutmachende Botschaften findet man auch sehr viele auf Ihrem neuen Album.
Wenn man kreativ ist, zieht man viel Energie aus eher negativen, emotionalen Themen und es ist auch leichter darüber einen Song zu schreiben. Ein Lied wie „Phantomschmerz“ auf dem Album geht schnell von der Hand. Ich möchte den Zuhörern aber mitgeben: Aus einer anderen Perspektive betrachtet, kann man manchmal auch aus Negativem Kraft schöpfen. Deshalb neige ich immer mehr dazu, Songs zu schreiben, die im besten Fall ein bisschen Mut machen und die Leute nicht runterziehen. „Hoch“ ist ein gutes Beispiel dafür.
Ist das Ihr Antrieb Musik zu machen?
Ich habe früh gemerkt, was Musik mit mir anrichten kann. Gute Texte machen etwas mit mir. Und dann dachte ich, pragmatisch wie ich bin, wie toll wäre es, wenn ich selbst entscheiden könnte, was ein Song in mir auslöst. Im besten Fall ist es wirklich so, dass ich bei meinem Konzert einen Song singe und denke: Das kannst du dir auch selber mal zu Herzen nehmen, was du da singst!
Können Sie gut innehalten und Ihren Erfolg genießen?
Voll! Ich sehe mich als der Nico Rosberg der Musikbranche (lacht)! Nachdem er Formel 1 Weltmeister wurde, hat er sofort aufgehört!
Sie denken jetzt aber nicht daran aufzuhören?
Nein, aber dieses Motto „Höher, Schneller, Weiter“, das wir alle von kleinauf eingetrichtert bekommen, finde ich wirklich schwierig. Ich wollte unbedingt ein Album machen. Dann habe ich das geschafft! Was ich in den darauffolgenden drei Jahren erleben durfte, passt in zehn Jahre. Und auch heute noch habe ich ständig Highlights, von denen ich hoffe, dass ich die nicht vergessen werde. Deshalb bin ich schon lange im Genießermodus und freue mich einfach total, dass ich das machen darf.
Tim Bendzko: Am 5. April tritt der Musiker im Im Wizemann auf.