„Die ­Patienten benötigen eine Aufgabe und das Gefühl, gebraucht zu werden“: Dieter Hallervorden als dementer Großvater Amandus in einer Szene von „Honig im Kopf“ Foto: Warner Bros.

Mit „Keinohrhasen“ und „Kokowähh“ lockte Til Schweiger Millionen ins Kino, als „Tatort“-Kommissar bringt er Quote. Doch er kann auch anders: Wie einst in „Knockin’ On Heaven’s Door“ geht es in „Honig im Kopf“ um eine tödliche Krankheit – mit Dieter Hallervorden als Opa, der der Demenz verfällt.

Stuttgart - Herr Schweiger, wie sind Sie auf das Thema Demenz gekommen?
Mein Opa ist an Alzheimer gestorben, im weiteren familiären Umfeld gibt es weitere Betroffene dieser Krankheit. Die Idee zu einem Film über dieses Thema stammt von meiner Co-Autorin Hilly Martinek, deren Vater an den Folgen von Demenz verstarb. Von ihr kam auch der Vorschlag dieser poetischen Metapher für den Filmtitel.
Ist Tragikomödie schwieriger als romantische Komödie?
Gemeinhin gilt die romantische Komödie als Königsdisziplin, zumindest in Hollywood wird das so gesehen. Es ist immer schwieriger, die Zuschauer zum Lachen zu bringen als zum Weinen, weil eine traurige Geschichte diese Emotionen fast automatisch mitbringt. Gerade dann ist aber ein Ausgleich notwendig. Ich jedenfalls möchte mir keinen Film antun, in dem ich nur heulen kann.
Wie hält man die Balance zwischen dem Weinen und dem Lachen?
Diese Balance hatten wir bereits in „Knockin’ On Heaven’s Door“ erfolgreich ausprobiert. Worauf es von Kritikern den Vorwurf gab, der Film wäre unentschlossen und hätte sich nicht entscheiden können zwischen Tragödie und Komödie. Aber genau das war es ja, was wir erreichen wollten. Mir gefällt es viel besser, wenn im Film alle meine Emotionen angesprochen werden.
Wie realistisch ist Ihre Darstellung des Krankheitsbildes im Film?
Mitarbeiter der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft haben den Film vorab gesehen und der Darstellung von Dieter Hallervorden eine große Wahrhaftigkeit attestiert. Alle Szenen mit dementem Verhalten entstammen der Wirklichkeit, sei es aus eigener Erfahrung oder durch Gespräche mit Pflegern und Ärzten. Diese verschiedenen Geschichten haben wir dann auf die eine Figur übertragen.
Wo liegt die Grenze zwischen Gefühl und Sentimentalität, wie groß ist die Gefahr von Kitsch?
Kitsch ist immer subjektiv. Was ich persönlich kitschig finde, kann andere total bewegen. Umgekehrt wird meinen Filmen bisweilen Kitsch vorgeworfen, was ich überhaupt nicht so empfinde. Oft wird Kitsch zur Schutzbehauptung von Leuten, die Emotionen nicht zeigen wollen oder können. Vor allem Männer haben Probleme damit, Tränen zu zeigen. Die sagen dann lieber ganz schnell Kitsch, und das Thema ist vom Tisch.
Sie haben sich früher oft von Kritikern ungerecht behandelt gefühlt, Dieter Hallervorden gilt als ewiger „Palim, Palim“-Komödiant – gibt es da Schnittmengen, was das Sich-verkannt-Fühlen angeht?
Bei Hallervorden weiß ich das gar nicht. Bei mir ist es so, dass ich schon lange meinen Frieden mit den Feuilletons gemacht habe: Da gibt es einfach unterschiedliche Geschmäcker. Filme, die dort regelmäßig als große Kunst gefeiert werden, finde ich oft einfach völlig langweilig und quälend – aber das ist völlig in Ordnung. Es wird ja keiner gezwungen, sich Filme anzuschauen.
Hallervorden wurde für „Sein letztes Rennen“ mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Haben Sie Ihn dadurch entdeckt?
Ursprünglich wollte ich den Film in England drehen, weil ich mir in Deutschland keinen Schauspieler für diese Rolle vorstellen konnte, ich dachte eher an einen Michael Caine oder John Hurt. Dann machte mein Casting-Agent Emrah Ertem den Vorschlag Hallervorden. Das klang zunächst überraschend, aber ich war schon immer der Meinung: Wer lustig sein kann, kann viel eher ernst als umgekehrt. Als ich dann „Sein letztes Rennen“ sah, wusste ich nach 20 Minuten: Jetzt habe ich meinen Opa gefunden.
Wie groß ist Ihre Angst, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie der tragische Held des Films?
Natürlich hat man Angst vor dieser grauenhaften Krankheit, aber man denkt nicht täglich daran. Wenn man sich intensiver damit beschäftigt, gibt es aber schon dieses kleine Erschrecken, wenn einem plötzlich ein Name nicht mehr sofort einfällt.
Bei aussichtslosen Krankheiten gibt es eine Debatte um das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. Wie stehen Sie dazu?
Jeder Mensch sollte das Recht haben, über seinen eigenen Tod selbst bestimmen zu können. Eine Legalisierung der Sterbehilfe finde ich absolut notwendig.
Was raten Sie Betroffenen und Ihren Angehörigen, die mit Demenz konfrontiert werden?
Von Kindern lernen! Bei den Recherchen habe ich gemerkt, dass Kinder ganz instinktiv viel schöner und ungezwungener mit Alzheimer-Patienten umgehen als Erwachsene, bei denen oft Scham das Verhalten bestimmt. Hilfreich ist sicher auch der Ratschlag des Arztes im Film, wonach diese Patienten eine Aufgabe benötigen und das Gefühl, gebraucht zu werden.
Wie hat Ihre Familie auf den Film reagiert?
Die sehen den Film erst noch im Kino. Mein Vater, der vorab immer meine Drehbücher liest, war jedenfalls ganz begeistert – was bei ihm sonst nicht immer der Fall ist.
Jan-Josef Liefers gehört zu den prominenten Nebendarstellern – wie ist das Verhältnis unter „Tatort“-Kommissar-Kollegen?
Jan und mich verbindet seit „Knockin’ On Heaven’s Door“ eine Freundschaft. Eine „Tatort“-Rivalität um die höheren Einschaltquoten gibt es mit ihm so wenig wie mit Wotan Wilke Möhring, im Gegenteil: Wir lachen uns darüber kaputt. Als unser „Tatort“ einen Bestwert erreichte, schrieb ich Jan eine SMS: „Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt“. Als er uns zwei Wochen später mit der Quote überholte, kam als Antwort: „Wie war das nochmals mit dem Sheriff?“
Der neue Sheriff kann demnächst mit Helene Fischer aufwarten . . .
Das ist aus einem Scherz entstanden. Ich sagte damals, die Quote von Münster sei nur deshalb so hoch, weil sie Roland Kaiser dabeihatten, also sollten wir Helene Fischer engagieren. Das war ein Witz, aber der NDR hat es ernst genommen und sie angefragt. Helene kam zu Probeaufnahmen, und sie ist richtig gut. Es gibt eben viel mehr Sänger, die schauspielern können, als umgekehrt.
Seit kurzem vertreiben Sie unter dem Namen Ihrer Produktionsfirma Barefoot auch Einrichtungsgegenstände – haben Sie dafür Zeit?
Ich entwerfe diese Sachen ja nicht selbst oder entdecke sie auf Trödelmärkten, das macht meine Geschäftspartnerin Carde Reimerdes. Was wir in diesem Shop anbieten, sind einfach schöne Dinge, die ganz meinem Geschmack entsprechen – einige der Küchenutensilien sind auch im Film zu sehen. Das ist ein Projekt, das mir zunächst einfach großen Spaß macht. Wenn es irgendwann einmal Geld abwirft, umso schöner.
Wie steht es um die „Keinohrhasen“?
Ich weiß nicht, ob es noch einen dritten Teil geben wird. Aktuell steht die Entwicklung des Kino-„Tatorts“ auf dem Programm, an dessen Drehbuch wir gerade schreiben.