Ein Storchenpaar gehört derzeit zu Waldmössingens jüngst zugezogenen Bewohnern. Foto: Friederichs

Ein Storchenpaar gehört derzeit zu Waldmössingens jüngst zugezogenen Bewohnern. Nun erklärt ein Experte der Nabu, worauf wegen der "neuen Nachbarn" zu achten ist.

Schramberg-Waldmössingen - "Ah! Dort kommt der Zweite!", ruft Hartmut Polet, während in rund 50 Metern Entfernung in luftiger Höhe ein Storch kreiselnd zum Landeanflug auf sein Nest ansetzt – und unmittelbar nach der eleganten Landung seinen Partner begrüßt, indem er seinem Namen als "Klapper"-Storch lauthals alle Ehre macht. Das Vogelpärchen ist seit Anfang April dabei, beim Waldmössinger Neubaugebiet Holderstauden-Seele sein neues Zuhause im Wipfel einer Tanne zu bauen.

Alle wissen Bescheid

Polet ist Nabu-Mitglied und betreut bereits Storchennester in Winzeln und Sulz-Mühlheim, wo er auch Teil einer Initiative zur Wiederansiedlung der schwarz-weißen Vögel ist. Gemeldet hatte ihm das Nest Emil Moosmann, Mitarbeiter des Schwarzwälder Boten, der Polet auch bei der Betreuung des Nests in Winzeln tatkräftig unterstützt. "Ich bin am Montag hierher gefahren und habe mir die Sache angesehen, nachdem in der Zwischenzeit auch Manfred Bartler bei mir angerufen hat, ob ich schon ›von dem neuen Nest in Waldmössingen weiß‹", berichtet Polet lachend, dass die Nachricht unter den Storch-Kundigen der Gegend schnell die Runde gemacht hatte. Bartler ist wie Polet einer der hiesigen Ansprechpartner für Belange rund um die Tiere und speziell geschulter Beauftragter der zuständigen Vogelschutzwarte in Radolfzell.

"Abends habe ich dann beim Schramberger Rathaus angerufen, dort wussten sie von den neuen Bewohnern noch gar nichts", sagt Polet. Inzwischen seien die Ansprechpartner von Kommune und Landkreis aber im Bilde – auch der Vogelschutzwarte sei das Nest nun gemeldet. Die Warte in Radolfzell ist ein Standort des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und hat aus Forschungs- und Beobachtungszwecken unter anderem die Flugrouten oder eben Nistplätze der Tiere im Blick. Möglich wird dies, sobald die Jungtiere "beringt" sind, erklärt Polet und kramt aus seiner Tasche einen Registrierungsring hervor, wie er den Störchen am Bein angebracht wird.

Bei den Waldmössinger Jungtieren wird Polet das in einigen Wochen übernehmen: "Derzeit sind die Tiere am Nestbau. Das dauert etwa zwei bis drei Wochen", erklärt er. Nach etwa einem Monat des Nistens schlüpfen die Jungtiere, "und dann hat man zum Beringen ein etwa sechswöchiges Zeitfenster", erklärt er. Dazu fährt man mit einer Hebebühne – oder oft auch der Drehleiter der Feuerwehr – direkt ans Nest. "Die Eltern fliegen davon, die Jungen verfallen in eine Schockstarre. Das Anbringen der Ringe geht dann ganz einfach und schnell", sagt er.

Sind die Jungtiere aber zu alt, verfallen sie nicht mehr in die Starre, sondern es setzt wie bei den Eltern der Fluchtinstinkt ein. "Nur, dass sie erst nach etwa acht Wochen flugfähig sind. Die Jungen stürzen dann also ab", beschreibt Polet die fatalen Folgen. Damit das nicht passiert, hat er den Waldmössinger Norbert Friederichs, einen unmittelbaren "Nest"-Nachbarn, gebeten, ihm Bescheid zu geben, wenn die Kleinen geschlüpft sind.

Drohnen und Hunde

Und worauf sollten Friederichs und die anderen Waldmössinger Bürger nun im Speziellen achten? "Auch wenn es natürlich schöne Foto-Aufnahmen aus der Nähe wären, gilt um das Nest herum absolutes Drohnenverbot", sagt Polet ausdrücklich. Drohnen würden die Störche vertreiben, weiß er aus Erfahrung. Zudem bittet er Hundehalter, ihre Vierbeiner in direkter Nähe des Nests an die Leine zu nehmen, aber auch im weiteren Umkreis beim Gassi gehen die Augen offen zu halten: "Störche suchen bis zu 30 Kilometer um das Nest herum Nahrung. In Winzeln hat es schon einen Angriff eines Hundes auf einen Storch gegeben", erzählt er. Solch ein Vorfall könnte übrigens nicht nur für den Vogel böse enden. "Störche können sich ganz schön wehren."

Auch menschenscheu seien die Tiere nicht: "Ich beobachte regelmäßig, wie sie sich hier direkt auf den Obstbäumen hinsetzen und den Astschnitt für den Nestbau mitnehmen", ergänzt Friederichs und zeigt auf das Nachbargrundstück. Am Dienstag war Polet nochmals vor Ort, um mit der Baufirma zu sprechen, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite zugange ist. "Einfach nur um sie zu bitten, beim Arbeiten, zum Beispiel mit dem Kran, die Augen offen zu haben", sagt er.

Gefahr beim Erstflug

Im Juli oder August treten die Jungtiere dann ihren ersten Flug in Richtung Afrika an, kurz darauf folgen die Eltern. "Bei ihrem ersten Flug sterben leider teils bis zu 70 Prozent der Jungtiere, weil sie noch sehr unerfahren sind und oft in Überlandleitungen geraten", sagt der Fachmann. Nach drei Jahren auf dem anderen Kontinent sind die Störche geschlechtsreif und kehren "in der Regel in die Gegend um ihr Heimat-Nest zurück", so Polet.

Und zumindest die Hälfte des Elternpärchens werden die Waldmössinger wohl auch öfters zu sehen bekommen: "Die Männchen sind sehr nesttreu. Das ist bei den Storchendamen ein wenig anders", sagt Polet augenzwinkernd. "In Mühlheim aber ist zum Beispiel ein Paar schon das dritte Jahr in Folge im gleichen Nest", ergänzt er. Woher die beiden "Neuen" stammen, die es nun nach Waldmössingen verschlagen hat, kann indessen niemand sagen – sie sind beide nicht beringt. "Das sind zwei Unbekannte", sagt Polet – womöglich gar Neig’schmeckte.