Auch wenn 2022 bislang für die Mitglieder des Tierschutz Calw und Umgebung etwas ruhiger als die Jahre davor verlief, gab es jede Menge zu tun. In letzter Zeit hielten vor allem ausgerissene Hunde die Helfer auf Trab.
Althengstett-Neuhengstett - Ein gutes Dutzend Mal wurden in den vergangenen Wochen ausgebüxte Hunde, die von ihren Besitzern beim Gassigehen nicht angeleint worden waren, von der Polizei zur Tierrettungsstation Im Eulert gebracht. Das stellte die Vereinsvorsitzende Gudrun Sohnrey und ihre Helfer in der Station nach eigenen Angaben vor große Probleme, denn das seit Langem geplante Hundehaus steht immer noch nicht. "Ein Handwerksbetrieb ist längst beauftragt, und die Bodenplatte hätte eigentlich dieses Jahr gelegt werden sollen", berichtet Ehemann Heinz Sohnrey, der täglich alle möglichen handwerklichen Arbeiten auf dem Vereinsgelände erledigt. "Jetzt wird es wohl Frühjahr werden", fügt Ehefrau Gudrun hinzu.
Gefahr für die Kinderstube von Wildtieren
Auch wenn es kein Bundesgesetz zum Anleinen von Hunden gibt und jedes Bundesland die Hundeführung selbst regelt, raten Tierschützer immer wieder dringend dazu, Hunde anzuleinen, vor allem im Wald, um die Kinderstube von Wildtieren zu schützen. Denn oft kommt es durch nicht angeleinte Hunde zur Hetze etwa auf Rehe und Hasen, die tödlich enden können. Ein weiteres Problem: Hat ein Rehkitzen Kontakt zu einem Hund, stößt die Mutter das Junge häufig ab und es muss qualvoll verhungern. Außerdem haben viele Menschen überhaupt kein entspanntes Verhältnis zu Hunden, sondern regelrecht Angst vor ihnen – erst recht, wenn ihnen ein unangeleintes Exemplar entgegen läuft.
Noch unangenehmer wird es, wenn man sich in dieser Situation falsch verhält. Vor einem Hund wegzulaufen, kann von diesem beispielsweise als Aufforderung zum Spiel verstanden werden und er beginnt unter Umständen hinterherzulaufen. Mit angelegter Hundeleine sind folglich sowohl wild lebende Tiere als auch Hundebesitzer und Passanten auf der sicheren Seite. In Baden-Württemberg jedenfalls gibt es keinen generellen Leinenzwang, einzige Ausnahme: auf Kinderspielplätzen, Spiel- und Liegewiesen sowie auf Wassertretanlagen.
Hund und Herrchen finden meist schnell wieder zusammen
In den meisten Fällen, in denen Polizeibeamte einen ausgebüxten Vierbeiner in die Obhut der Vereinsmitglieder gaben, haben Hund und Herrchen oder Frauchen innerhalb eines Tages wieder zusammengefunden. Ab und an bleibt eines der Tiere aber länger, entweder, weil der Besitzer nicht gefunden werden kann – es gibt immer wieder Hunde, die nicht gechipt sind – oder das Tier ausgesetzt oder abgegeben wurde.
Während ein achtjähriger Jagdhund eher schwer zu vermitteln gewesen sei, habe eine der Mitarbeiterinnen der Station einen Junghund übernommen, berichtet Gudrun Sohnrey. Ohne Hundehaus sei es jedenfalls schwierig, die Tiere zu versorgen.
Vielen Besitzern fehlt Geld für den Tierarztbesuch
Generell stellen die Sohnreys fest, dass vielen Leuten inzwischen das Geld für den Besuch beim Tierarzt fehlt, weil Energiekosten und Lebensmittelpreise in die Höhe geschossen sind. Erschwerend kommt für so machen Tierbesitzer hinzu, dass der Bundesrat eine umfassende Anpassung der Gebührenordnung der Veterinäre beschlossen hat und Tierbesitzer daher nun tiefer in die Tasche greifen müssen, wenn sie mit Hund oder Katze eine Praxis aufsuchen. Hundehalter zahlen beispielsweise seit November für eine einfache Untersuchung zehn Euro mehr, für Katzenbesitzer sind es fast 15 Euro obendrauf.
Neue Gebührenordnung der Tierärzte
Der Hintergrund: Seit mehr als 20 Jahren sind Behandlungen beim Veterinär kaum teurer geworden, denn die Gebührenordnung der Tierärzte (GOT) war lange Zeit nicht mehr umfassend überarbeitet worden. Inzwischen gibt es aber weitaus modernere Behandlungsmethoden. Gestiegene Praxiskosten für medizinische Geräte tun ihr Übriges, sodass die Bezahlung der Tierärzte kaum noch einen wirtschaftlichen Praxisbetrieb ermöglicht. Das hat wiederum zur Folge, dass Praxen schließen und es an Nachwuchs und Fachkräften fehlt.
Diesmal keine Katzenschwemme
Von einer Katzenschwemme wie in Vorjahren kann 2022 beim Tierschutz Calw und Umgebung keine Rede sein, auch wenn Dutzende Samtpfoten betreut und vermittelt wurden. "Ältere, kranke Katzen wurden oft ausgesetzt, anstatt sie zum Tierarzt zu bringen und wir mussten sie einschläfern lassen", sagt die Vereinsvorsitzende.
Schwan verunglückt auf Hirsauer Baustelle
Ein Tier in Not ist den Helfern dieses Jahr besonders in Erinnerung geblieben: Ein Schwan war in Hirsau in die Baustelle Am "Carré an der Klosterpforte" gesegelt, wo zwei größere Mehrfamilienhäuser entstehen, und hat sich dort einen Flügel verletzt. "Wir haben ihn eingefangen und er war rund eine Woche bei uns in der Station, um die Verletzung auszukurieren", berichtet Heinz Sohnrey. In Ernstmühl habe man ihn an der Nagold wieder in die Freiheit entlassen.
Solaranlage für alle drei Dächer geplant
Und wie geht es weiter mit der Rettungsstation? Schließlich ist das Ehepaar Sohnrey inzwischen über 80. Ist die ganze Arbeit noch zu stemmen? Die ehrenamtliche Arbeit Im Eulert scheint die beiden fit zu halten, die rein privat finanzierte Station kann sich als Lebenswerk der beiden Tierschützer bezeichnet werden. "Den Tierschutz Calw und Umgebung gibt es seit 1965, ich bin 1967 beigetreten", erinnert sich Gudrun Sohnrey. Ans Aufhören denkt sie genauso wie Ehemann Heinz momentan noch nicht, sondern schmiedet schon wieder Pläne: "Es soll Solar aufs Dach", sagt Heinz Sohnrey – außer auf dem künftigen Hundehaus auch auf den beiden anderen Dächern der Station. "Das soll sich schließlich rentieren und wir wollen was für die Umwelt tun", beschreibt er die Pläne des momentan rund 300 Mitglieder starken Vereins.
Tiere taugen nicht als Überraschung unterm Weihnachtsbaum
Derweil macht der "Hausherr" die Außenanlage winterfest, schaut regelmäßig nach den zehn Hasen, die in einem Stall auf dem Gelände untergebracht sind, oder nimmt kleinere Reparaturen an den Gebäuden vor. Zum Jahresende hin könnte es nochmals etwas turbulenter zugehen in der Station, zumindest im Büro, wenn vermehrt Vermittlungsanfragen eingehen, weil ein Haustier zu Weihnachten verschenkt werden soll. Tiere taugen aus Sicht der Sohnreys nicht als Überraschung unter dem Weihnachtsbaum, sondern bedeuten Verantwortung und eine langfristige Bindung: "Wir vermitteln deshalb nur noch bis 1. Dezember, danach ist Schluss!". Möglich sei dagegen jederzeit eine Patenschaft für eines der aufgenommenen Tiere.