Der Start ins Leben war für die kleinen Enten ganz schön abenteuerlich: ihre Mutter hatte sich einen ungewöhnlichen Platz für das Nest ausgesucht – eine Fensterbank im Innenhof der Balinger Klinik. Ohne menschliche Retter hätten die Babys keine Chance gehabt.
Dass Stockenten sich manchmal die merkwürdigsten Brutplätze aussuchen sei bekannt, meinte Peter Faber vom NABU Balingen. Ein Hilferuf von der Palliativstation des Zollernalbklinikums hatte ihn vor einigen Wochen erreicht. Volker Damm und sein Team hatten bemerkt, dass eine Ente im Balkonkasten der Palliativstation ihr Nest gebaut hatte.
Was würde geschehen, wenn die Brut glückte? Für die flugunfähigen Küken gäbe es kein Entkommen. Auf der einen Seite die Station, auf der anderen die gähnende Tiefe in den Innenhof.
Die Ente wird auf den Namen „Angie“ getauft
Der Fachmann vom NABU konnte beruhigen. Nach der Brutzeit von um die 30 Tage würde sich zeigen, ob die Brut erfolgreich wäre. Bestens getarnt wurde „Angie“, wie das Team der Palliativstation die Entenmutter liebevoll getauft hatte, bald zum Liebling der ganzen Station.
Abseits vom Trubel des Krankenhausbetriebs brütete „Angie“ tapfer ihre vielen Eier aus. NABU und das Team hatten vereinbart, wieder Kontakt aufzunehmen, wenn sich im Nest etwas rührt. Pünktlich zum Muttertag war es soweit: Eine Masse kleiner Federbällchen drängte sich im Nest, bestens von der Entenmutter gehudert.
Die Aktion startete am Muttertag
„Enten sind Nestflüchter“, erklärte Peter Faber den Anwesenden, „sie verlassen kurz nach dem Schlüpfen das Nest und werden von der Mutter zu einem Fließgewässer geführt. Dort fangen sie selbstständig kleine Insekten und Wasserlebewesen und werden noch eine Weile von der Mutter betreut.“ Am Muttertag-Morgen startete also die Aktion „Entenrettung“, denn alleine konnte es „Angie“ unmöglich schaffen, die Kleinen zur Eyach zu führen.
Bewaffnet mit Käscher, Karton und Käfig trafen Peter Faber und seine Töchter im Krankenhaus ein. Das Team um Damm erwartete sie bereits und war gespannt, wie die Umsiedlung klappen würde. Nur zu ihrem Besten wurde „Angie“ ein wenig hinterhältig von der Seite mit einem Käscher überrascht und in einen Käfig verfrachtet. Neun kleine Federbällchen wurden vorsichtig in einen Karton gesetzt und ganz nah neben die Entenmutter gestellt. So konnten Mutter und Kinder Rufkontakt halten.
Die Mutter fliegt zum Nest zurück
Dann ging es mit Aufzug und Auto in die Erlebnisauen, wo Peter Faber ein ruhiges Plätzchen an der Eyach kennt. Vorsichtig wurden Karton und Käfig geöffnet. Was würde geschehen? Ganz so glatt wie vorgestellt, verlief die Familienzusammenführung dann doch nicht. „Angie“, vom Einfangen verängstigt, flog kurzerhand davon, drehte zwei Ehrenrunden und war verschwunden. Das verlorene Häufchen Entenküken drückte sich eng zusammen und alle riefen verzweifelt nach der Mutter.
Über das Handy erhielten die Helfer von Damm die Nachricht, dass „Angie“ zum Krankenhaus zurückgeflogen war und laut schimpfend das verlassene Nest inspizierte. Was also tun? Die Kleinen, die inzwischen zum ersten Mal mit dem Wasser Bekanntschaft gemacht hatten, zum Nest zurückbringen? Das NABU- Helferteam entschloss sich zum Abwarten und zog sich weit zurück, immer ein Auge auf den Entenküken.
Würde die Mutter die Küken finden?
Würde „Angie“ die Stelle mit ihren Küken wiederfinden? Immerhin war sie sehr verstört und wahrscheinlich noch traumatisiert vom Einfangen. Bange Minuten des Wartens vergingen. Doch dann die Erlösung: Laut schnatternd drehte eine Entenmutter über der Eyach eine Runde und landete in der Nähe der Küken. Das war „Angie“! Die Mutterinstinkte hatten gesiegt und die Kleinen beeilten sich, zur Mutter zu schwimmen. Ein Stein fiel den NABU-Leuten vom Herzen und sie konnten telefonisch die Familienzusammenführung an Damm und sein Team melden. End(t)e gut, alles gut!