Linien-Seepferdchen im Aquarium der Wilhelma. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Liebe unter Tieren kommt ohne Sprache aus. Vielmehr äußert sie sich im Tanz, in Gesang und hin und wieder auch in Gebrüll.

Wie Affen, Zebras, Eisbären und Fische zueinander finden und was das Liebesleben unter Zoobewohnern noch zu bieten hat, das erzählen die Kuratoren der Stuttgarter Wilhelma.

Seepferdchen: Komm, mein Liebchen, tanz mit mir

Darf ich bitten? Wer das Seepferdchen beeindrucken möchte, muss ein hingebungsvoller Tänzer sein. Bloß kein Schwenk in die falsche Richtung, und wehe, man kommt der Angebeteten zu nahe – dann dreht sie einem den Rücken zu und sucht sich einen Neuen. „Die Seepferdchen-Weibchen sind wählerisch“, sagt die Kuratorin Isabel Koch. Doch trifft sie den richtigen Partner, dann wird getanzt. Stundenlang wirbeln sie graziös hin und her, schlingen sich umeinander und ineinander. „Schwanensee zu zweit“, nennt es die Wissenschaftlerin.

Das Unterwasserballett hat durchaus einen Grund: Das Weibchen fährt eine kurze Röhre aus und leitet damit ihre Eier in den Unterleib des Männchens, wo sich die Bruttasche befindet. „Tanzt einer von den beiden schlampig, könnte ein Ei verloren gehen.“ Sechs Wochen behält der Mann den Nachwuchs, bevor er ihn aus dem Beutel presst. Seine Partnerin behält er länger. Nicht lebenslang, aber durchaus ein paar Jahre.

Eisbären: Was sich liebt, das fetzt sich!

Eisbären haben’s nicht so mit der Romantik. Besonders die Weibchen sind Einzelgänger – nicht aus Überzeugung, sondern aus Gründen der Nahrungsverteilung, sagt die Biologin Ulrike Rademacher von der Wilhelma. In der freien Wildbahn haben sich die Raubtiere auch mal zum Fressen gern, wenn die Nahrung knapp ist. „Weshalb die Weibchen, die deutlich kleiner und leichter sind, stets auf der Hut sind, wenn ein Männchen doch mal ihren Weg kreuzt.“ Das gilt besonders für Eisbärinnen, die noch ein bis zwei Jungtiere im Schlepptau haben.

Zwischen Januar und Juni haben aber auch die Vorsichtigsten unter den Weibchen gegen einen Mann für ein paar schöne Tage nichts einzuwenden – sofern der Typ danach bitteschön gleich wieder verschwindet. „Eisbärweibchen signalisieren ihre Paarungsbereitschaft, indem sie sich zum Beispiel im Schnee wälzen“, sagt Rademacher. Allerdings bedeutet das nicht, dass der Mann immer gleich zur Sache kommen darf: „Passt dem Weibchen das zudringliche Verhalten nicht, dann hagelt es Ohrfeigen.“ Was sich liebt, das fetzt sich.

Anemonenfisch: Erst Mann dann Frau

Es ist das Ziel eines jeden Clownfischs, eine Frau zu werden. Denn nur als Frau verschafft Mann sich Ansehen und Respekt. Was sich nach härtestem Matriarchat anhört, ist biologisch im Reich der Anemonenfische leicht erklärbar, sagt die Kuratorin Isabel Koch, die in der Wilhelma für den Bereich der Fische, Amphibien und Reptilien zuständig ist. So ist der älteste Fisch der Sippe stets ein Weibchen, der zweitälteste ist das begattende Männchen. „Das ist auch für den Nachwuchs zuständig“, sagt Isabel Koch. So lange zumindest, bis das Weibchen stirbt.

Dann schlägt die große Stunde des Vaters, der zur Mutter wird – und sich ein jüngeres Männchen aus der eigenen Sippe schnappt. Toyboy-Manier, die man sonst nur von Hollywood-Stars kennt? „Ach, bei den Fischen ist das keine große Sache“, sagt Isabel Koch. Man habe als Fisch eben keine Zeit, ewig in seiner Anemone zu sitzen und darauf zu warten, dass irgendwann einmal ein passendes Gegenüber vorbeischwimmt. „Das klingt vielleicht unromantisch, aber der Nachwuchs muss ja sichergestellt werden.“Wer jetzt aber empört den Clownfischen aufgrund des ungewöhnlichen Geschlechterwechsels Sexismus vorwerfen will, dem empfiehlt Koch, ein paar Aquarien weiter zu wandern – zu den Fahnenbarschen. „Dort ist’s genau andersherum.“

Orang-Utan: Ein Bild von einem Mann

Das Liebesleben von Orang-Utans ist nicht jugendfrei. Was da unter dem Deckmäntelchen der orangen Dreadlocks der Männer passiert, beschreibt die Biologin Marianne Holtkötter, die in der Wilhelma für die Affen zuständig ist, als „sehr facettenreich“. Als baumbewohnende Hangelkünstler wissen beide Geschlechter, dass ein gewisses akrobatisches Geschick beim Sex durchaus Vorteile haben kann. Es sind auch nicht immer die stärksten Affen, die zum Zuge kommen: „Lange dachte man, dass männliche Orangs mit der Geschlechtsreife die typischen Backenwülste ausbilden und dann mit ihren weithin hörbaren Brülllauten paarungswillige Weibchen anlocken“, sagt Holtkötter.

Tatsächlich gibt es aber auch geschlechtsreife Männchen, die diese Backenwülste nicht oder noch nicht ausgebildet haben, keine lauten Rufe von sich geben – und dennoch zum Zuge kommen: „Die warten nicht ab, bis die Weibchen paarungsbereit sind, sondern folgen der Angebeteten schon viel früher und versuchen sie mit Nettigkeit zu überzeugen“, sagt Holtkötter. Mit Erfolg. Nicht jede steht eben auf laute Brüller, die beim Sex auch nicht gerade zimperlich zu den Weibchen sind.

Auch das Aussehen spielt bei der Partnerwahl eine große Rolle. Aus Erfahrungen in Aufzuchtstationen weiß man, dass ein Blick schon genügt, damit sich Orang-Utans verlieben. „Das funktioniert selbst, wenn die Weibchen nur ein Foto oder ein Video von einem Männchen sehen.“ Weshalb die Zoos inzwischen nicht mehr Männchen und Weibchen wahllos zusammenbringen. „Wir versuchen jetzt, vorher erst einmal Bildmaterial auszutauschen.“

Grevyzebras: Mütter bevorzugt

Wer in dürren, heißen Steppen wohnt, der weiß genau, wie er bei den Frauen punkten kann: mit Wasser. Und so haben sich die findigen Hengste unter den Grevyzebras schon früh ein Wasserloch gesichert. „Konkurrenten werden gleich verjagt, wenn eine rossige Stute im Anmarsch ist“, sagt Ulrike Rademacher, Kuratorin in der Wilhelma.

Besonders interessant sind Mütter mit Kind. „Denn die Stuten werden vier bis fünf Wochen nach der Geburt eines Fohlens wieder paarungsbereit“, sagt Ulrike Rademacher. Wobei der Hengst seinen Vaterpflichten nicht gerade nachkommt: Langlebige Beziehungen oder gar feste Herden sind nicht so das Ding von Grevyzebras. „Die einzig feste Bindung besteht bei diesen Tieren in der freien Wildbahn nur zwischen Mutter und Fohlen, die meist zwei Jahre hält. Hauptsächlich leben Grevyzebras in den Trockensavannen Afrikas in losen Verbänden. „Ein Zebra zieht mal mit der einen, dann mit der anderen Gruppe weiter“, sagt Rademacher. Selbst die glücklichen Hengste, die in den Besitz eines Wasserlochs gekommen sind, gehen wieder auf Wanderschaft, wenn es vertrocknet ist.“ Allerdings sind sie in dieser Beziehung zumindest treu: Nach der Regenzeit kehren sie wieder zu ihrem Territorium zurück.

Schau mir in die Augen, Großer

Ein Freund großer Worte sind Gorillas ganz sicher nicht. „Hier zählen hauptsächlich Blicke und Gestik“, sagt Marianne Holtkötter, die für Affen zuständige Kuratorin der Wilhelma. Das zeigt sich bei der Erziehung der Kinder. „Ärgert ein Halbwüchsiger den Silberrücken, erinnert ihn das Oberhaupt mit einem strengen Blick an die Regeln.“ Hilft das nicht, presst der Gorillamann noch die Lippen zusammen und gibt ein leises Husten von sich – die letzte Warnung, bevor er handgreiflich wird.

Nur in puncto Sex kuscht auch der größte und stärkste Gorillamann vor seinen Frauen. „Wenn die Weibchen sich paaren wollen, dann bauen sie sich vor dem Silberrücken auf – und starren ihm auffordernd in die Augen“, sagt Holtkötter. Der Trick funktioniert übrigens in jedem Alter: Selbst Mimi, die mit 53 Jahren durchaus betagte Gorilla-Dame in der Wilhelma, flirtete vor nicht allzu langer Zeit so mit dem Silberrücken – mit Erfolg.

Pampashasen: Meine Frau, mein Territorium

Wenn ein Pampashase sein Weibchen gefunden hat, dann ist das Liebe. Und zwar eine, die nur der Tod scheiden kann. Damit das aber nicht so schnell passiert, weicht das Männchen nicht mehr von der Seite seines Weibchens. „Männliche Pampashasen haben ihr Territorium rund um ihr Weibchen abgesteckt“, sagt die Wissenschaftlerin Ulrike Rademacher, die als Kuratorin der Stuttgarter Wilhelma für Huf-, Raub- und Nagetiere zuständig ist.

Sprich: „Setzt sich das Weibchen in Bewegung, muss der Mann gleich hinterher, weil sich damit auch sein Territorium verschiebt.“ Der Beschützerinstinkt der Pampashasen – die übrigens zu der Familie der Meerschweinchen gehören und auch Maras heißen – geht sogar noch weiter: Trächtige Weibchen suchen sich eine Wurfhöhle, in der dann die Jungen zur Welt gebracht werden. „Dieser Kindergarten wird dann ebenfalls bewacht – aber eben nicht nur von einem Männchen, sondern von allen Partnern der Weibchen.“

Gibbons: Wo man singt, da lass dich nieder

Duette gehören bei den Gibbons zum guten Ton. Bei dieser Affenart singen Pärchen zusammen, um ihre Bindung zu festigen. Zum Teil singen sowohl Männchen als auch Weibchen allein, um ihr Revier zu markieren und – sofern sie noch solo unterwegs sind – um Partner zu finden. Die Gesänge sind darauf ausgerichtet, über weite Strecken gehört zu werden. Dabei kann es aber durchaus sein, dass selbst gebundene Partner hellhörig werden, sagt die Kuratorin Marianne Holtkötter von der Wilhelma. Denn mit der bedingungslosen Treue haben es die Gibbons nicht so. „Da paart sich das Weibchen an der Reviergrenze mit dem Nachbarn, wenn der eigene Mann nicht guckt.“

Immerhin: Getrennt wird sich wegen solcher Affären nicht, selbst wenn diese nicht folgenlos geblieben sind. Denn Kuckuckskinder kommen durchaus vor. „In der Freilandforschung hat man festgestellt, dass sieben Prozent der Kinder in Gibbonfamilien nicht vom eigentlichen Familienoberhaupt abstammen“, sagt Holtkötter.

Weitere Infos zur Wilhelma gibt es im Netz. Der Zoologische Garten ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Einlass ist ab 8.15 Uhr bis – je nach Monat -zwischen 16 und 18 Uhr.