Obwohl sie putzig wirken können, sind Waschbären recht wehrhafte Kleinbären, mit denen nicht zu spaßen ist. Das weiß auch Peter Daiker, Wildtierbeauftragter im Kreis Freudenstadt, der über die invasive Tierart, die sich auch in unserer Region verbreitet, aufklärt.
Problemtiere, gefährlich oder für manche auch richtig süß – Waschbären treten in Deutschland immer mehr in den Vordergrund. Sie machen vielen Bürgern den Nachrichten zufolge das Leben schwer. Und dabei gibt es die Tiere bereits seit 1934 in Deutschland.
Damals wurden einige wenige Tiere am Edersee in Hessen zur „Bereicherung der Tierwelt“ ausgesetzt, weiß Peter Daiker, Wildtierbeauftragter im Kreis Freudenstadt. Er beschäftigt sich schon seit Längerem mit den in Nord- und Mittelamerika heimischen Tieren und gilt auch für den Nabu als Experte.
Neben den in Hessen ausgesetzten Tieren, entkamen in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkriegs weitere Waschbären aus einer Pelzfarm östlich von Berlin. „Auch nach dieser Zeit kam es zu weiteren Ansiedlungen und Ausbrüchen“, erläutert Daiker. Waschbären seien recht wehrhaft, ihre natürlichen Feinde sind nur Uhu, Luchs und Wolf. Darüber hinaus werde die Population lediglich durch Krankheiten reguliert.
Trotz der geplanten Ansiedlungen in den 1930er-Jahren ist der Waschbär auf der Unionsliste der invasiven Arten gelistet. Daher sind die Länder der EU verpflichtet, Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Art einzuleiten. „Da die Art in Deutschland bereits großflächig verbreitet ist, erscheint eine komplette Entfernung jedoch kaum mehr umsetzbar“, betont der Wildtierbeauftragte.
Für Waschbären gibt es Jagdzeiten
Wer für Letzteres zuständig ist? Die Art unterliegt dem Nutzungsmanagement des baden-württembergischen Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes (JWMG), klärt Daiker auf. Waschbären haben – wie auch die heimischen Wildtiere – reguläre Jagdzeiten. Genauer gesagt dürfen die Kleinbären vom 1. Juli bis 15. Februar, für Jungtiere vom 15. April bis Ende Juni, gejagt werden.
Darüber hinaus bestehe für die Art ein Hegeverbot. „Das heißt, es dürfen für die Art keine lebensraumverbessernden Maßnahmen getroffen werden. Sie muss, wenn möglich, erlegt werden“, unterstreicht er.
Wie viele Waschbären in unserer Region leben, sei allerdings schwierig zu sagen. Vor allem, da die Wildtiere in der Dämmerung und nachts unterwegs sind – und allgemein sehr heimlich leben, sagt Daiker: „Sie verbringen den Tag in Verstecken wie Baumhöhlen oder verlassenen Fuchs- und Dachsbauten.“
Auch in unserer Region weit verbreitet
Einen Anhalt gebe es über die Jagdstreckendaten. 60 Prozent davon stammen jedoch aus den Landkreisen Ostalb, Rems-Murr und Schwäbisch Hall. „Im vergangenen Jagdjahr wurden in Baden-Württemberg 9174 Waschbären erlegt. Dazu zählen auch Totfunde, beispielsweise nach Verkehrsunfällen“, nennt der Wildtierbeauftragte.
Aber auch in unserer Region sei der Waschbär verbreitet, allerdings nicht im selben Ausmaß. Im Zollernalbkreis scheinen sie Berichten zufolge derzeit zum größeren Problem zu werden, aber auch in den Kreisen Calw, Rottweil, Schwarzwald-Baar oder Freudenstadt seien die Tiere weit verbreitet. Im Kreis Freudenstadt seien im vergangenen Jagdjahr einzelne Tiere überfahren, erlegt oder durch Fotofallen gesichtet worden. „Die Tendenz ist auch hier steigend“, unterstreicht Daiker.
Die steigenden Jagdstreckenzahlen deuten auch darauf hin, dass es immer mehr Waschbären gibt. Warum verbreitet sich die Tierart so schnell? Und warum ist das problematisch?
Der Wohnort ist nahezu egal
„Waschbären sind Generalisten, eher Sammler als Jäger und im Hauptberuf Alleskönner“, erklärt der Freudenstädter Wildtierbeauftragte. „Ihre Vorderpfoten mit extrem gut ausgebildetem Tastvermögen und ihrer Geschicklichkeit machen sie so erfolgreich.“ Außerdem hätten sie ein ausgezeichnetes Riechvermögen, eine hohe Intelligenz sowie hervorragende Kletterkünste.
„Daher fällt es ihnen leicht, neben den natürlichen Lebensräumen im Wald oder sonstigen laubbaumreichen Habitaten auch Dörfer und Städte zu besiedeln.“ Dort bewohnen sie Dachböden, Kamine, Keller, Schuppen, Garagen, auch leerstehende Gebäude, Material- oder Holzstapel. Sogar in der Kanalisation machen sich die Waschbären ein Zuhause. Die Waschbärdichte könne im städtischen Bereichen bis zu zehnmal höher sein, als im Wald. „Sie sind also auch in der Wahl ihres Wohnortes sehr flexibel.“
Da Waschbären keine Einzelgänger sind, leben sie in lockeren Gruppenverhältnissen, erläutert er. „Es gibt Mutter-Kind-Gruppen, kleine Gruppen erwachsener Männchen (Rüden) und Gruppen verwandter Weibchen (Fähen), die Futter- und Schlafplätze teilen. Waschbären eines Gebietes haben Hauptschlafplätze und Treffpunkte und tauschen Informationen über Duftmarken aus.“
Die Nahrung eines Waschbären lasse sich schwer zusammenfassen. Denn die Tiere sind „Naturgeneralisten und -opportunisten“, führt Daiker aus. Sie fressen also so ziemlich alles, was im jeweiligen Lebensraum vorkommt. Dies erklärt auch, warum sie bei vielen Menschen bekannt sind, in Mülltonnen zu hausen.
Die Gefährdung für andere Tierarten
Doch „eine Kotuntersuchung aus dem Müritz-Nationalpark zeigt zu über der Hälfte Würmer, Schnecken und Insekten, also Wirbellose. Aber auch Kleinsäuger, Vögel und deren Eier, Fische, Früchte, Nüsse, Mais, Getreide gehören zur Nahrung“. Amphibien sind in ihrer Nahrung ebenfalls zu finden, da Waschbären gerne an Gewässern leben.
Gerade in solchen Gebieten stellt der Waschbär eine Gefahr für die Umwelt dar, da dies einen Lebensraumverlust für bedrohte Arten bedeutet. Zum Teil seien diese Arten extrem selten, führt Daiker aus. Beispielsweise die Sumpfschildkröte, Muschelarten, der Kiebitz und viele weitere Arten. „Ein Beispiel für die Überlegenheit des Waschbären: Das Gift auf der Haut von Erdkröten wird umgangen, indem sie die Kröten häuten und dann den Inhalt verspeisen.“
Doch nicht nur Amphibien sind von der invasiven Art bedroht. Durch ihre Kletterkünste gefährden sie auch andere seltene Arten wie Fledermäuse, Hohltauben oder den Schwarzstorch und Greifvögel, die in Baumhöhlen leben. „Die Gefahr für die Artenvielfalt besteht darin, dass kein Tier, egal, wo es lebt oder brütet, vor dem Zugriff der Waschbären sicher ist.“
Sind sie wirklich gefährlich?
Neben bedrohten Tierarten haben auch die Menschen einige Konfliktfelder mit dem Waschbären, wie es Daiker ausdrückt. Dazu gehören „die Plünderung von Obstbäumen, Mülltonnen, das Eindringen in Gebäude, Kot- und Urinansammlungen (Latrinen in und um Gebäude), Lärmbelästigung und Zerstörung der Isolierung in Dachstühlen sowie die Gefahr von Krankheitsübertragungen auf den Menschen“.
Schutz vor der Tierart
Besonders wichtig für den Schutz vor Waschbären sei die Aufklärung der Menschen, macht Daiker klar. Waschbären sollten auf keinen Fall gefüttert oder angelockt werden. Wie auch bei anderen Tieren entwickeln diese sonst eine Erwartungshaltung, die mit der Annäherung an Menschen verbunden sein kann. Ebenso sollte die indirekte, unbeabsichtigte Fütterung – zum Beispiel durch frei zugängliches Haustier- oder Vogelfutter – vermieden werden. „Das zieht Waschbären magisch an.“ Müll oder Kompost sollten im besten Fall gesichert und unzugänglich sein. Und wer keine Waschbären im Haus haben will, sollte Einstiegshilfen verbauen oder das Klettern an Obstbäumen mit Blechmanschetten verhindern.
Wie verhalte ich mich bei der Begegnung mit einem Waschbär?
Verhalten
Daiker erklärt, dass wie bei einer Begegnung mit jedem anderen Wildtier gehandelt werden sollte: auf sich aufmerksam machen, das Tier nicht anlocken, füttern oder in die Enge treiben. „In freier Natur werden sich Waschbären schnell zurückziehen. Innerhalb von Siedlungen sollten die Tiere bei jeder Sichtung konsequent vertrieben werden, damit sie das Sicherheitsgefühl verlieren. Das heißt mit Gegenständen bewerfen, mit Wasser bespritzen, et cetera – ohne jedoch das Tier zu verletzen.“ Denn das Einfangen des Tieres ist strafbar. Bei Problemen mit Waschbären sei der Wildtierbeauftragte oder ein Stadtjäger zu verständigen (siehe Homepage des eigenen Landratsamtes), damit Vergrämungs- oder in letzter Konsequenz Entnahmemaßnahmen eingeleitet werden können.