Gemeinsame Vergangenheit: Thomas Bertold (rechts) und Jens Keller (links) waren von 1998 bis 2000 gemeinsam für den VfB Stuttgart am Ball. Auf dem Foto (November 1999) bekämpfen sie den Ulmer David Zdrilic. Foto: Baumann

Ex-VfBler denkt, dass Keller keine große Perspektive beim Klub hat. Von Welinton hält er nichts.

Stuttgart - Im September hoffte Thomas Berthold noch, dass Christian Gross als Trainer die Geduld behält und den VfB Stuttgart aus der Krise führt - und nun werden seine Zweifel an der Stabilität seines Ex-Vereins (1993 bis 2000) immer größer. Der Weltmeister von 1990 spricht über Fredi Bobic, über Transfers in der Winterpause und über seinen ehemaligen Mitspieler Jens Keller.

Herr Berthold, der Patient VfB schien auf dem Weg der Besserung: souveräne Auftritte in der Europa League, der Einzug ins Pokal-Achtelfinale, ein 6:0-Heimsieg gegen Bremen - doch warum gab's dann in Kaiserslautern (3:3, 3:0-Führung verspielt), gegen Köln (0:1) und in Hamburg (2:4) keinen Sieg?

Thomas Berthold: Weil das Team doch nicht so gefestigt ist, wie es zwischenzeitlich mal aussah. Die Bundesliga spielt weiter verrückt, es sind Teams wie Mainz und Hannover überraschend weit oben und es sind eben Mannschaften, die weit höhere Ansprüche haben, unten im Tabellenkeller. Wie Schalke und eben der VfB.

Vor zweieinhalb Monaten hatten Sie gehofft, dass Christian Gross es mit dem VfB aus der Abstiegszone schafft - nun ist der Schweizer weg und auch mit Jens Keller hat sich die Situation nicht geändert.

Ja, und das macht mir Sorgen. Zudem ist ja auch so, dass sich niemand beim VfB so sehr auf die Rückrunde verlassen sollte. Das wird nicht immer so hervorragend laufen wie in den vergangenen Saisons. Dafür gibt's keine Garantie.

Mit Jens Keller haben Sie von 1998 bis 2000 zusammen bei den Roten gespielt. Wie beurteilen Sie seine Arbeit bislang? Was macht er auf Sie für einen Eindruck?

Er ist akribisch, er ist motiviert. Ich traue ihm schon zu, dass der als Cheftrainer gute Arbeit macht. Ich weiß nur nicht, ob der Verein auch dazu bereit ist.

Bereit?

Ja. Denn ich glaube, der VfB wird nicht so lange mit Keller zusammen arbeiten, ich denke nicht, dass er großen Perspektiven hat. Spätestens im Sommer wird wieder eine große Lösung präsentiert werden.

Haben Sie jemanden bestimmtes im Auge?

Nein, mir fällt gerade kein Name ein.

Haben Sie darüber mal mit Fredi Bobic gesprochen? Der Sportdirektor sieht in diesen Tagen, besonders seit der Partie beim HSV, nicht sehr glücklich aus.

Wir hatten uns letztens mal am Stuttgarter Flughafen getroffen. Aber nein, darüber haben wir uns nicht unterhalten. Dass der Fredi sehr mitgenommen aussieht, ist doch klar: Der hat sich das alles nicht so schwierig vorgestellt.

Den brasilianischen Verteidiger Welinton (Flamengo Rio de Janeiro/21 Jahre) und den japanischen Stürmer Shinji Okazaki (Shimizu S-Pulse/24) haben Bobic und Co. offenbar ganz oben auf dem Zettel. Könnte dieses Duo dem VfB in der Winterpause weiterhelfen?

Ach, wissen Sie, in der Winterpause ist es doch immer schwierig mit Transfers. Welcher gute Erstliga-Spieler will denn nun zum VfB? Sie können einen "Sechser im Lotto" dabei haben, aber das ist sehr schwer. Um das nötige Geld zu haben, wird der Verein den aktuellen Kader erstmal eindampfen müssen, das bringt nicht unbedingt Harmonie. Vom Spielerischen her müssen die Neuen schnell passen, aber natürlich auch vom Charakter. Und das ist nicht einfach.

Und Welinton und Okazaki?

Ein junger, unbekannter Verteidiger aus Brasilien? Ob der sofort weiterhilft, wage ich zu bezweifeln. Der kommt im Winter ins kalte Deutschland und braucht doch erstmal ein halbes Jahr, um sich zu akklimatisieren. Da könnte Okazaki schon mehr helfen. Die Asiaten sind diszipliniert, das könnte was geben. Aber der VfB braucht Glück. Nicht nur bei den Transfers.