Die Espan-Klinik hat sich bundesweit vor allem einen Namen in der Behandlung von Long-Covid-Patienten gemacht. Reha bei Onkologie ist ein weiteres Arbeitsfeld. Für Frauen gibt es jetzt ein spezielles Reha-Angebot nach Brustkrebs.
Frauen mit Brustkrebs und anderen gynäkologischen Krebserkrankungen fällt es oft schwer, Worte zu finden für das Chaos im Körper, im Kopf, im Leben. Dr. Urte Skorzinski, Fachärztin für Gynäkologie, Psychotherapie, Sexualmedizin und Psychoonkologie, hat deshalb an der Espan-Klinik in Bad Dürrheim ein besonderes Angebot für die Anschlussheilbehandlung und Rehabilitation aufgebaut
Frau Dr. Skorzinski, seit Anfang des Jahres begleiten Sie an der Espan-Klinik Frauen mit Brustkrebs und anderen gynäkologischen Krebserkrankungen zurück in eine neue, veränderte Form des Lebens. Was ist die Grundvoraussetzung dafür, dass das gelingen kann?
Eine achtsame Ansprache und die Verbindung von Gynäkologie und Psychologie. Nach der Diagnose geht es anfangs nur ums Überleben und den jeweils nächsten Schritt. Die Gefühle kommen erst später und mit ihnen eine große Verunsicherung und viele Fragen. Was hat sich in meinem Leben verändert, wie habe ich mich verändert? Welche Einschränkungen werden bleiben? Wie gehe ich mit der Angst um? Wie beeinflusst die Krebsdiagnose mein Selbstbildnis als Frau und meine Partnerschaft? Ich unterstütze die Patientinnen dabei, in diesen Fragen nicht nur die Probleme zu sehen, sondern auch die Chance.
Der Aufenthalt in der Espan-Klinik ist auf wenige Wochen begrenzt. Wie gelingt es ihnen, Verbindung zu den Patientinnen aufzubauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen?
Ich halte pro Woche zwei gynäkologisch-psychoonkologische Vorträge zu insgesamt sechs Themen.
In diesen Vorträgen spreche ich offen über Tabus. Und ich gebe Tipps, die den Frauen helfen können, mit ihrer jetzigen Situation besser umzugehen und dem, was sie im Moment belastet, eine neue Bedeutung zu geben. Die Vorträge bieten nicht nur Halt und Orientierung. Sie helfen den Patientinnen aus der Sprachlosigkeit. Viele kommen im Anschluss auf mich zu und bitten um ein Einzelgespräch.
Gibt es Themen, über die sie mit allen Patientinnen sprechen beziehungsweise Fragen, die allen Patientinnen auf der Seele lasten?
Viele Frauen stellen die Frage nach dem Warum. Doch darauf gibt es keine Antwort. Viel wichtiger ist es, sich selbst und die Krankheit besser zu verstehen: Wozu bin ich krank geworden und was kann ich daraus lernen? Sehr häufig spreche ich mit den Patientinnen auch über das Leben, das sie in Zukunft führen wollen. Es ist kein „entweder/oder“ wie bisher, bei dem die eigenen Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden. Es ist ein „und“: Was tut mir und den Menschen in meinem Umfeld gut? Ergänzend unterstützt unser Team von der Sozialberatung bei sozialen und sozialrechtlichen Fragen, auch bei der Klärung der beruflichen Perspektive.
Als multidisziplinäres Team agieren Sie aus einem ganzheitlichen Blickwinkel: Gedanken, Gefühle und körperliches Befinden beeinflussen sich gegenseitig. Welche Angebote gibt es in der Espan-Klinik für Frauen, die überwiegend unter körperlichen Beschwerden leiden?
Ob Lymphödem, Polyneuropathien oder allgemeine Beeinträchtigungen wie schnelle Ermüdbarkeit, unser Ärzte-Team erstellt für jede Patientin einen individuellen Therapieplan. Mit Unterstützung unserer Sport- und Physiotherapeuten finden die Frauen heraus, welche Art von Bewegung ihnen gut tut.
In der Ergotherapie werden unter anderem sensomotorisches Training mit der „Galileo“-Vibrationsplatte und die Behandlung von Gefühlsstörungen an Händen und Füßen angeboten. Ernährungsberatung gehört ebenso zum Therapieplan wie verschiedene Entspannungsverfahren und die Möglichkeit, über Kunst einen Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden.
Das Thema Krebs begleitet Sie seit vielen Jahren. Empfinden Sie das als erschöpfend oder als Bereicherung für Ihr eigenes Leben?
Es gibt Phasen der Anstrengung, gerade in der Aufbauphase für das spezielle Reha-Angebot. Ich spüre aber auch die Lebenskraft, die ich durch meine Arbeit zurückbekomme. Denn es gilt ja nicht nur für unsere Patientinnen, sondern für jeden von uns: Was wir aus jedem einzelnen Tag machen, liegt in unserer Hand.
Es geht darum, Mosaiksteine zu sammeln, den Stunden Fülle zu geben und das zu tun, was frau tun will. Diese Denkweise macht das Leben kraftvoll – auch meines.