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Theodor Heuss hat seinerzeit auf dem Killesberg ein Haus per Bausparvertrag gebaut.  

Stuttgart - Bundespräsident Christian Wulff hat sein Privathaus mit einem umstrittenen Kredit finanziert. Dafür steht er seit Wochen in der Kritik. Einer seiner Amtsvorgänger hat einen anderen Weg beschritten. Das Stuttgarter Theodor-Heuss-Haus erinnert heute an eine gänzlich andere Zeit.

Fein säuberlich stehen die Bücher im Regal. In Reih und Glied. Das Wählscheibentelefon auf dem Schreibtisch wartet nur darauf, dass der Hörer abgenommen wird. Es scheint, als könnte Theodor Heuss jeden Augenblick zur Tür hereinkommen und in seinem Arbeitszimmer die Geschäfte aufnehmen.

Stattdessen besuchen heute rund 10 000 Neugierige jedes Jahr das Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus auf dem Killesberg. In bester Lage im Feuerbacher Weg hat sich der erste Präsident der Bundesrepublik einst seinen Alterssitz gebaut. Seit 1995 kümmert sich die gleichnamige Stiftung um das Anwesen und hat es der Öffentlichkeit als Erinnerungsstätte zugänglich gemacht. Einige Räume sind noch im Originalzustand mit Heuss' Mobiliar zu sehen. Sie bieten Einblicke in die Historie.

Bausparvertrag statt Privatkredit

Die Geschichte dieses besonderen Ortes beginnt nicht mit einem Privatkredit wie bei Christian Wulff. Sondern so schwäbisch, wie es auch dem größten Klischee nicht besser entsprechen könnte. Heuss hat den Bau seines Alterssitzes Ende der 50er Jahre als Bausparer finanziert. Die Wüstenrot & Württembergische geht laut Sprecher Immo Dehnert davon aus, dass dem Liberalen dafür drei Bausparverträge über insgesamt wohl 90 000 Mark zur Verfügung standen. "Es liegen bei uns keine Unterlagen mehr darüber vor, aber wir wissen, dass er's über Bausparverträge gemacht hat", sagt Ernst Wolfgang Becker, stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung - und ergänzt schmunzelnd: "Bis zu der Geschichte mit Wulff ist das noch nie ein Thema gewesen."

Bei den Stuttgartern hat der Hausbau damals allerdings durchaus für Wirbel gesorgt. "Das Ehepaar Heuss hat bereits Ende der 40er Jahre das Grundstück gekauft, um dort später den Altersruhesitz einzurichten", weiß Museumspädagogin Christiane Ketterle. Damals war es noch etwas größer. Der untere Teil wurde auf Lebenszeit von der Stadt dazugepachtet.

Als die zweite Amtszeit des ersten Bundespräsidenten sich dem Ende entgegenneigte, rückte der Einzug 1959 näher. "Dem Heuss sein Häusle", wie der Volksmund das Vorhaben alsbald nannte, schlug nicht nur zahlreiche Schaulustige in seinen Bann, sondern auch Presse und Stuttgarter Handwerkerschaft. Der "Spiegel" berichtet in seiner Ausgabe vom 11. Februar 1959, dass sich "60 Firmen zur Beschaffung des Bodenbelags meldeten und sich 40 Maler- und Tapeziermeister um Lieferung und Ankleben der Tapeten bewarben". Architekt Theo A. Karbiener sagte: "Eigentlich müsste ich jeden eine halbe Rolle kleben lassen, um ganz korrekt zu sein." Und der damalige Oberbürgermeister Arnulf Klett machte Heuss schriftlich seine Aufwartung: "Auf alle Fälle wünschen wir Ihnen besonders dringlich, Ihr Stuttgarter Bau möge vollends gut zu Ende gehen und Ihnen viel Freude machen."

Der Architekt sprach vom "gehobenen sozialen Wohnungsbau"

Der Bau nahm sich in der durchaus prominenten Nachbarschaft - ringsum wohnten vorwiegend führende Köpfe von Daimler, Bosch und Porsche - bescheiden aus. Der Architekt sprach gar vom "gehobenen sozialen Wohnungsbau". Die Summe der Bausparverträge dürfte für das Projekt annähernd ausgereicht haben. Sicher überliefert ist der Baupreis nicht, aber an verschiedenen Stellen ist die Rede von etwa 110 000 Mark.

"Heuss war regelmäßig da und hat sich ein Bild gemacht, betreut hat die Arbeiten aber sein persönlicher Referent Hans Bott", erzählt Museumspädagogin Christiane Ketterle. Der Bundespräsident ließ es sich jedoch nicht nehmen, vor dem ein oder anderen Stuttgarter Geschäft vorzufahren und Teile der Einrichtung auszusuchen. Dass er dabei standesgemäß mit Eskorte unterwegs gewesen ist, soll ihm Erzählungen nach recht unangenehm gewesen sein, ließ sich aber damals nicht ändern.

1959 zog Heuss ein - ohne seine Frau Elly Heuss-Knapp, die bereits Jahre zuvor gestorben war. Er empfing in den folgenden Jahren politischen und privaten Besuch, widmete sich seiner Familie und verfasste einen Teil seiner Memoiren. Am 12. Dezember 1963, kurz vor seinem 80. Geburtstag und kurz nach einer gut überstandenen Beinamputation im Katharinenhospital, verstarb er im Schlafzimmer seines Domizils. Er wurde auf dem Waldfriedhof beigesetzt.

Das Sterbezimmer in dem schlichten Bau ist heute umgebaut und als Erinnerungsraum gestaltet. Dazu kommen eine Dauer- und eine Wechselausstellung. Arbeits-, Wohn- und Esszimmer sind dagegen originalgetreu rekonstruiert. Sie sollen einen Eindruck von Heuss' Lebensstil und dem Geschmack der Deutschen am Übergang der 50er zu den 60er Jahren bieten. "Der erste Bundespräsident hat ganz bürgerlich gelebt", sagt Christiane Ketterle. Der Journalist, Schriftsteller, Dozent und Staatsmann ist in vielen Augen auch deshalb noch heute ein Vorbild für die Politik.