Um Biodiversität, Naturschutz im Einklang mit Landwirtschaft ging es in Bad Dürrheim bei der Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Klimaschutz und Artenschutz – zwei Seiten derselben Medaille?“ Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

„Lokale Aussterbeereignisse sind real.“ Dies verdeutlichte Thomas Hörren, einer der bekanntesten Insektenforscher Deutschlands. Er war beteiligt an der so genannten Krefelder Studie, welche die Abnahme der Biomasse bei Insekten 2017 dokumentierte.

Thomas Hörren war zusammen mit BLHV-Präsident Bernhard Bolkart und Andre Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium, einer von drei Fachleuten bei der Podiumsdiskussion „Klimaschutz und Artenschutz – zwei Seiten derselben Medaille?“. Die Diskussion fand im fast vollständig gefüllten Weinbrennersaal statt.

 

Krefelder Studie Der Diskussion voran ging der Vortrag Hörrens über die Insektenforschung mit der Malaisefalle und wie die Krefelder Studie zustande kam. Diese erlangte 2017 vor allem in der Weltpresse von der Science über die New York Times bis zur Die Zeit Aufmerksamkeit und wird seit der Veröffentlichung immer wieder zitiert.

Der Entomologische Verein Krefeld konnte aufgrund seiner langjährigen Erhebungen 2017 nachweisen, dass in den zehn Jahren zuvor die Insektenbiomasse bis zu 80 Prozent abnahm. In Zusammenhang mit der Studie entstand der vielzitierte Vergleich der Insekten auf der Windschutzscheibe von früher und heute.

Diskussion In der Diskussion wurde deutlich: Baden-Württemberg ist in einigen Punkten Vorbild, weiter als andere Bundesländer und zudem sind die Land- und Naturschutzverbände sowie die Politik in vielfachen Punkten vernetzt. So redet man oftmals nicht über- sondern miteinander. Darin waren sich Bolkart und Baumann einig. Deutlich wurde aber auch, dass dies ein langer Weg war, den man mit vielen kleinen Schritten gegangen ist und es in einigen Punkten immer noch Verbesserungspotential gibt.

Bernhard Bolkart „Die Krefelder Studie gibt zu denken“, erklärte Bernhard Bolkart. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) sitzt bei vielen Diskussionsrunden, Dialogen und politischen Entscheidungsfindungen mit am Tisch – das wurde deutlich. Sei es bei den Themen, wie Biodiversität erhalten und verbessert werden kann, wie auch bei anderen Umweltfragen. Jedoch sieht Bolkart auch die Notwendigkeit einiges noch zu verbessern. Beispielsweise könne es nicht sein, dass ein Fachberater nur ein Tag draußen in der Beratung ist und drei Tage im Büro, um Verträge aufzusetzen. Das Verhältnis müsse umgekehrt sein und weniger Bürokratie ist notwendig.

Zwei Probleme beim Erhalt der Biodiversität

Bolkart sieht in den Landschaftserhaltungsverbänden (LEV) eine gute Einrichtung. Hier sitzen jeweils mit einem Drittel Anteil die Landwirte, die Kommunen und die Naturschützer an einem Tisch. Doch nannte er die Strukturen starr.

Er sieht bei dem Erhalt der Biodiversität zwei Probleme: die zu intensive Landwirtschaft und die zu extensive Landwirtschaft. Im Schwarzwald beispielsweise gebe es noch 60 Prozent der Tierzahl, die eigentlich notwendig wäre, um die Landschaft offen zu halten. Der Tierverlust sei hier massiv.

Andre Baumann Für Andre Baumann gibt es verschiedene Schwerpunkte, um den Verlust Biodiversität aufzuhalten: Es gelte die Forschung voranzubringen, die rund 35 000 Hektar Straßenbegleitgrün zu beachten, eine Reduzierung der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und die Landwirte durch Zuschüsse in die finanzielle Lage zu versetzen, ihren Beitrag leisten zu können – aber auch im Strategiedialog die großen Lebensmitteleinzelhändler einzubeziehen, „die den Landwirten nicht immer faire Preise zahlen“.

Wolfgang Kaiser (von links) moderierte die Podiumsdiskussion, an der Staatssekretär Andre Baumann, BLHV-Präsident Bernhard Bolkart und Entomologe Thomas Hörren teilnahmen. Wilfried Strohmeier

Hinzukommt die Vernetzung der Biotope, wie beispielsweise beim Naturschutzgroßprojekt Baar. Und hier benötigen die Naturschützer und die Politik die Unterstützung der Landwirte, da diese Vernetzung nur über deren Eigentum möglich sei. Es mache keinen Sinn, wenn die einzelnen Biotope kilometerweit auseinanderliegen würden. Er sieht auch die Notwendigkeit der Ausgewogenheit. „Irgendwo müssen wir noch Lebensmittel produzieren. Wir leben nicht vom Soja aus Brasilien und Argentinien.“

Schafe sind notwendig

Für die Landschaftsoffenhaltung, beispielsweise die Wachholderheiden auf der Schwäbischen Alb, benötige es vor allem Schafe, mehr Schafe, und mehr Schäfer. In Sachen PV-Anlagen auf Wiesen – hier sollen rund um Bad Dürrheim ja auch einige entstehen – will Baumann diese Maßvoll im Offenland. Und bezüglich Moorschutz will er dies voranbringen, da die Moore große CO2-Speicher seien.

Thomas Hörren Der Entomologe sieht in Baden-Württemberg mehrere Vorteile vereint: Nur 0,24 Prozent der Ackerfläche befindet sich in Naturschutzgebieten, es sind noch viele verschiedene Mageräcker vorhanden und auch Moore. In der Vorgehensweise sieht er den Ansatz in den Top-Naturschutzgebieten die Biodiversität zu fördern und – vereinfacht gesagt – diese von dort aus in die Fläche zu tragen. Er empfiehlt eine Prioritätenliste. Insgesamt geht es für ihn diesbezüglich bergauf – wenn auch nur langsam. Und auch Hörren verwies darauf, wie wichtig das Miteinander mit den Landwirten sei, da von diesen die meiste Grünlandpflege und Naturschutzmaßnahmen umgesetzt würden.

Invasive Insektenarten nicht automatisch die Bösen

Eine Frage aus dem Publikum galt dem Einfluss der invasiven Insektenarten. Hier verwies Hörren darauf, dass diese zwar erfasst werden in den Projekten, an denen er beteiligt sei, doch keine Bewertung stattfinde. Grundsätzlich, so erklärt er, sind die invasiven Arten nicht automatisch die Bösen. Es sei zu beobachten, dass diese vor allem in gestörte Lebensräume einfallen. Eine Gefahr bestehe jedoch für stabile Ökosystem – diese könnten aus dem Gleichgewicht geraten.