In raffiniert einfachem Bühnenbild spielen sich Szenen der Familiengeschichte ab. Foto: Langenbacher

Schramberg hat rund um die Familie Junghans gewissermaßen ein neues Dokument Stadtgeschichte bekommen: "Die Unruh des Herrn Junghans".

Schramberg - Schon die voll besetzte Premiere des Theaterstücks aus der Feder von Lars Bornschein und Roland Eisele, aufgeführt von der Theaterwerkstatt, der noch weitere Abende mit großem Andrang folgten, erwies sich als Erfolg. Die originelle Darstellung der Geschichte der Junghans-Dynastie, und das in historischer Umgebung, der "Szene 64" im Gewerbepark Junghans, wurde mit großem Applaus honoriert.

In raffiniert einfachem Bühnenbild, einer Art Guckkastenbühne mit schlichten Holzquadern, als Sitzgelegenheiten, Bürotisch, Automobil oder Ausstellungspodest, spielten sich Szenen der Familiengeschichte ab, die die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt von 1870 bis 1914 verdeutlichten. Ergänzt durch historische Abbildungen von Gebäuden in Schramberg, die nur teilweise heute noch zu sehen sind, bekam die Inszenierung eine chronologische Struktur, die das noch eindrücklicher machte.

Geschäftsfrau und Mutter

Zunächst im Mittelpunkt Luise Junghans, Witwe von Erhard Junghans senior, die nach dessen Tod gezwungen war, die Leitung der Firma zu übernehmen, weil ihre Söhne noch zu jung waren. Simone Fader spielte hervorragend diese energische Geschäftsfrau aber auch liebevoll strenge Mutter mehrerer Kinder mit überzeugender Haltung und zugleich wieder Unsicherheit, ob sie den Wünschen ihres verstorbenen Mannes gerecht werden könne. Sie führte ein hartes Regiment in Familie und Betrieb und war zugleich darauf bedacht, alles voranzubringen. Ihrer Rolle waren originelle Szenen zugeschrieben, die diese verschiedenen Bereiche köstlich hervorhoben. Wer zieht schon zwei Jungunternehmern an den Ohren?

Die Familie wächst

In die Geschäftsleitung wurde bald Paul Landenberger als Produktionsleiter eingestellt, der auch in die Familie eintrat. Niklas Fader, besonders lustig beim überraschenden Heiratsantrag an die Schwester von Arthur und Erhard, Frida Junghans. Verliebt, vergnügt, aber durchaus selbstbewusst beherrschte Lara Kiolbassa die Bühne. Arthur Junghans, von der Mutter zum Spionieren nach Amerika geschickt, brachte Konstruktionsskizzen von Uhren mit, Grundstock für spätere Junghans-Erfindungen. Nico Thörmer verdeutlichte eindrücklich die Parallele zwischen Uhrenunruh und Arthurs stetiger eigener Erfinderunruhe.

Die Brüder werden älter

Bruder Erhard dagegen widmete sich zunächst der Strohhutmanufaktur, die seinem Naturell mehr entsprach, übernahm dann, nicht immer ganz erfolgreich, die Buchführung im väterlichen Betrieb. Andreas Herr begeisterte als junger Erhard, Markenzeichen flotter Strohhut als Kontrast zu den anderen Familienmitgliedern, den Tobias Herr auch als älterer Erhard Junghans trug und so die Rolle gekonnt weiterführte. Schließlich Arthur Junghans als Erwachsener, großer umtriebiger Erfinder. Lars Bornschein ging in dieser Rolle richtig auf, vermittelte den Auf- und manchmal auch Abschwung der Firma, verkörperte die Fortschrittsgläubigkeit dieser Zeit, seine eigenen Visionen, die aber bisweilen auch in heftige Prügeleien mit Bruder Erhard oder Schwager Paul, dem mittlerweile schärfsten Konkurrenten, mündeten.

Auch Rüstungsindustrie kommt zur Sprache

Bis ins hohe Alter bekämpften sich die beiden (Klaus Andreae als Paul Landenberger). Schwester Frida, verheiratete Landenberger (Karin Eichenlaub als ältere Frida) wies ihre Brüder wie einst die Mutter recht handfest in die Schranken. Arthurs Söhne Erwin (Andreas Herr) und Oskar (Niklas Fader) führten dann, auch nicht ohne Bruderzwist, das Unternehmen fort – mit Entwicklung neuer Modelle und technischen Ausstattungen. Auch die Teilnahme an der Rüstungsindustrie 1914 kam zur Sprache. Was wäre schließlich ein Kommerzienrat mit neumodischem Automobil (dem ersten in Schramberg) ohne Chauffeur? Gottlieb Melchior, früher Schuhmacher (jung, Maximilian Fuchs), später Privatchauffeur von Arthur Junghans.

Schmuckstück der Firma

Gerhard Ruoff als älterer Melchior zeigte sein komödiantisches Talent, besonders in der Autoszene auf holperiger Fahrt durch Schrambergs Straßen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und dann das Schmuckstück der Firma und ihrer Zukunftsorientierung, ganzer Stolz von Arthur, die Kunstuhr für die Weltausstellung 1900 in Paris, konstruiert von Gustav Speckhart (Martin Himmelheber), der vergeblich gegen die neumodische, unchristliche Gestaltung wetterte. So präsentierte sich die Geschichte Schrambergs in zahlreichen knapp gehaltenen Szenen wie in einem ein Bilderbogen aus dieser bewegten Zeit. Ein großes Kompliment an die Theaterwerkstatt und ihr Autorenteam.