„Das perfekte Geheimnis“ wurde in Nagold auf der Bühne der Stadthalle gegeben. Foto: Marina Maisel

Trotz einiger „kultureller Konkurrenz“ am gleichen Abend erwies sich die letzte Aufführung der Nagolder Theaterreihe 2024/2025 durchaus als Magnet und ließ ein begeistertes Publikum zurück.

Der Film „Perfetti sconosciuti“ (deutsch: Völlig Unbekannte), 2016 von Paolo Genovese gedreht und inzwischen in vielen Ländern, Sprachen und Versionen gecovert, eroberte in der deutschen Bühnenfassung von Sabine Heymann als „Das perfekte Geheimnis“ nun auch die Theater.

 

Johannes Pfeifer (Regie) und Steven Koop (Bühnenbild) hatten für das zwischen Komödie und Tragödie jonglierende Kammerspiel in der Inszenierung des a.gon Theater München noch ganz eigene Akzente gesetzt.

Während Schönheitschirurg Rocco (Thomas Henniger von Wallersbrunn) im Upperclass-Ambiente mit Designersofa und Dachterrasse an der offenen Kochtheke hantiert, Musik von Zucchero auf den Ohren, zofft sich Gattin Eva mal wieder mit der Teenietochter Sofia (Theresa-Maria Maier). Nach und nach trudeln langjährige Freunde ein, um den Mondfinsternis-Abend gemeinsam zu genießen.

Das Handy als „Blackbox des Lebens“

Im Geplänkel über Männer und Frauen, dies und das spekuliert man auch über Peppes neue Flamme - doch deren Platz bleibt frei. So werden die Zuschauer Zaungäste eines scheinbar lockeren Gesellschaftsspiels, das die spitzzüngige Psychologin Eva (fantastisch Saskia Valencia!) vorschlägt – und gleichzeitig Mitwisser der nach und nach aufgedeckten Heimlichkeiten. Denn alle sollen ihre Handys auf den Tisch legen und jede Nachricht, jeden Anruf laut offenbaren. Kein Problem – so scheint es zunächst, doch die „Blackbox des Lebens“, das Handy, erweist sich als gnadenloser Katalysator von Geheimnissen und Entgleisungen.

Das Handy offenbart so manches über seinen Besitzer. / Foto: Marina Maisel

Bianca, erst seit kurzem mit Cosimo verheiratet, hat zum Erstaunen ihres Mannes immer noch Kontakt zu ihrem Ex, doch auch Cosimo lässt offenbar nichts anbrennen. Sven Schöcker als etwas poltriger Cosimo mit ständig neuen Marketing-Ideen und scheiternden Startups steht hier in reizvollem Kontrast zu Daniela Voß als dessen Gattin Bianca, die aufrecht und grundehrlich im zunehmenden Chaos immer wieder zu vermitteln versucht – bis ihr nur ein Abgang mit echter Grandezza bleibt.

Zwischendurch wird die Mondfinsternis betrachtet

Während man zwischendurch die Mondfinsternis betrachtet, absolviert Peppe (Armin H. Köstler) Fitnessübungen, denn er ist – oder war – Sportlehrer. Aber warum zögert er, die wahren Gründe offenzulegen, die zu seiner Entlassung führten? Und warum will Lele (als Sprücheklopfer Michel Guillaume) heimlich das Handy mit Peppe tauschen?

Bei steigendem Promillepegel der sieben Beteiligten kommt nicht nur heraus, dass die scheinbar treusorgende Familienfrau Carlotta (facettenreich Lara Joy Körner) für ihre Schwiegermutter einen Platz im Seniorenheim besorgt hat, sondern dass sie nach einem Autounfall unter Alkoholeinfluss schon lange eine alte Schuld mit sich herumträgt.

Fast wieder Sorglosigkeit in der Schlusssequenz

Was als harmlose Spielerei begann, schrappt immer wieder an der Tragödie vorbei. Perfektionist Rocco kann nicht mehr vertuschen, dass er bereits länger eine Psychoanalyse macht, Gattin Eva hat heimlich eine Brustvergrößerung geplant, Lele hat den Führerschein verloren, Peppe outet sich schließlich angriffslustig als schwul. Und was hat Cosimo mit der Taxifahrerin Marika zu tun oder mit Evas neuen Ohrringen?

Die Schwere, die sich durch die allmählich aufgedeckten Geheimnisse im Raum breitmachte, schlägt in der Schlusssequenz (fast) wieder in Sorglosigkeit um, so dass sich der Zuschauer verblüfft fragt: Friede, Freude, Eierkuchen? War das alles wirklich? Oder nur ein Trugbild?

Das Nagolder Publikum sparte nicht mit äußerst herzlichem Applaus für dieses grandiose Gastspiel, dessen Thema aktuelle Zeitströmungen aufnimmt, und zweifellos wird man noch eine Weile über die Nutzung des „digitalen Zweithirns“ nachdenken.