Gelöste Stimmung als auch mögliche heftige Auswirkungen eines Alkoholrausches zeigen (von links) Daniel Großkämper, Marcus Michalski, Reyniel Ostermann und Felix Leitner Foto: Baumgartner

Die Theateraufführung des Stückes „Rausch“ polarisierte das Publikum im Schramberger Bärensaal und wirkte verstörend: Zu sehen war etwa das Einnässen und Erbrechen von Betrunkenen.

Polarisierend war daran nicht die große schauspielerische Leistung, sondern die verstörende Wirkung eines Rauschs, die von den Besuchern auch als peinlich beschrieben wurde.

 

Einerseits ist Alkohol ein süchtig machendes Nervengift. Doch andererseits könne seine enthemmende Wirkung durchaus positiven Einfluss auf die Entwicklung eines Trinkenden nehmen, wie bereits Johann Wolfgang von Goethe, Peter Tschaikowski und andere Kunstschaffende berichteten. Und was es noch zu beweisen gilt, zumindest im Verhältnis von Kontrolle und deren Verlust, Beherrschbarkeit und Zügellosigkeit, Funktion und Dysfunktion von Geist und Körper und vieler noch möglicher Gegensätze von Attraktivität bis Verderben.

Zunehmender Konsum

Ausgangspunkt des Schauspiels war die angebliche Behauptung des norwegischen Psychiaters Finn Skarderud, dass sich Menschen mit einem um 0,5 Promille erhöhten Blutalkoholwert besser entwickelten. Das brachte Psychologielehrer Nikolaj (Felix Jeiter) im Lehrerzimmer einer Schule ins Spiel. Er schlug den vom Alltag des Lebens eingeholten und enttäuschten, befreundeten Kollegen, Sportlehrer Tommy (Marcus Michalski), Geschichtslehrer Martin (Daniel Großkämper), Musiklehrer Peter (Reyniel Ostermann), einen geheimen Selbstversuch vor. Bei dem galt es, diesen Pegel den Tag über dauerhaft zu halten und eine empirische Dokumentation dazu zu führen. Dabei schwang die Hoffnung auf einen Bruch mit den individuellen und eingefahrenen Situationen der Protagonisten mit.

Die Menge des Alkoholkonsums wurde, des Versuchs wegen, zunehmend gesteigert.

Gemeinsam, in mehrfach besetzten Rollen als Familienmitglieder und Lehrerkolleginnen, mit Kirstin Göpfert, Lily Frank und Eva Dorlaß, durchliefen die selbst ernannten Probanden alle Phasen des Rausches und seine Auswirkungen – von Stärkung des Selbstbewusstseins bis zur Sucht, Familienzerrüttung, Belastung der Freundschaft, Verführung zum Alkohol in helfender Absicht, Gefährdung des Jobs, Verleumdung der Hilfsbedürftigkeit bis zum Tod von Tommy.

Dunkle Tonfolge

Die Zuschauer wurden dabei beispielsweise mit Singen und Nachsprechen durchaus auch zum Miterleben und Erinnern eigener Erfahrungen mit Alkohol und, spätestens im zweiten Akt, zum Beobachten “aus zweiter Reihe“ angeregt.

Den Alkoholkonsum zeigen (von links) Reyniel Ostermann, Felix Jeiter, Markus Michalski und Daniel Großkämper. Foto: Baumgartner

Theatertechnisch effektvoll gelöst, war die Darstellung der Wirkung von Alkohol durch eine immer wieder hörbar langgezogene, dunkle Tonfolge, die sowohl den Kontrollverlust während der Trinkszenen darstellte, als auch Unbehagen, Gefahr und Fluchtreflex bei den Zuschauern auslöste. Lichteffekte und eine Freiheitsentzug suggerierende, auf „Gefängnisgitterstäbe-Abstand“ gestellte, Bretterwand als Bühnenbild unterstützten die Wirkung zudem.

Dass das Stück zu einer Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema werden würde, spiegelte sich auch in der vergleichbar geringen Anzahl der Zuschauer wider. Die applaudierten allerdings am Ende so lange, dass die Schauspieler gleich mehrfach auf die Bühne kommen mussten, um diese Wertschätzung ihrer Leistung abzuholen.

Diskutierende Zuschauer

Zurück blieben in Grüppchen im Theaterfoyer kontrovers diskutierende Zuschauer – wohl die größte Auszeichnung, die der gemimte Stoff zuvor unter Regie von Jenke Nordhalm bekommen konnte.