Die Komödie „Effi, Ach, Effi Briest“ erweist sich bei der Premiere im Landestheater Tübingen als eine Inszenierung voller effektvoller Auftritte.
Wer eine klassische Durchdringung des literarischen Stoffes erwartet hat, der sah sich enttäuscht. Aber wie heißt es doch so treffend im Untertitel des Stückes: „frei nach Fontane, frei von Fontane, mit fast keinem Satz von Fontane, wer braucht schon Fontane, wenn man Effi hat? Effi, Effi, Ach, Effi, Ach, Ach“. Und das beherzigt die Inszenierung von Meera Theunert, die auch die Lyrics beisteuert, allemal in grell-bunter Manier.
Die Regisseurin lässt ihre Protagonisten mit hochtoupierten Perücken und zeitlosen, fast barocken Kostümen – Annabelle Gotha gibt hier ihrer Kreativität freien Lauf – über die Schräge der Bühne, die Laura Robert konzipiert hat, laufen, rennen, rollen, schlittern, hangeln, ausrutschen, fallen und kreiseln. Gepaart mit den Dialogen und den slapstickartigen Szenen entwickelt sich ein nettes, unverstelltes, temperamentvolles Agieren, vor allem von Emma Stratmann als Effi, schön pointiert und humorvoll.
Kleine humoreske Details
Ihren Teil dazu trägt auch die Musik bei: Robi Tissi Graf singt und spielt live Gitarre – für die Kompositionen trägt Christopher Ramm Verantwortung –, beobachtet in ihrer Figur als Kindermädchen Roswitha das Geschehen aus höherer Warte und solidarisiert sich in ihren Songs mit Effi. Das provoziert eine frische Inszenierung, die auch nicht davor zurückschreckt, die Protagonisten affektiert handeln zu lassen.
Die Regisseurin sprenkelt kleine humoreske Details ein, lässt clowneske Szenen reifen, bei denen die Akteure schöne Nuancen fein setzen. Das hat mitunter ein bisschen den Touch von Comedy, immer aber vor dem ernsten Hintergrund, dass Effis Story „nicht von Glück“ handelt. Das zeigt Theunert auch plakativ, wenn sie Vorhang für Vorhang fallen lässt und sich damit die Sichtweise der Hauptfigur verändert.
Drastische Deutlichkeit und intime Ehrlichkeit
Da spart die Inszenierung auch nicht mit drastischer Deutlichkeit und intimer Ehrlichkeit, wenn es um das Thema Sex geht. Im Spiel mit den Kissen offenbaren sich auch leise Töne, aber auch ein paar Längen. Die Bilder, die Meera Theunert offeriert, sind immer plastisch, mitunter grell, untermalt mit Geräuschexplosionen etwa bei der Geburtsszene und phasenweise in den Klamauk abgleitend. Da ließen sich vielleicht noch ein paar Dialoge streichen, bei allem Witz, aller Akrobatik ein wenig das zu dick Aufgetragene etwas ausdünnen, um den intensiv-innerlichen Szenen etwas mehr Raum und Tiefe zu geben.
Eine wenig geht die Botschaft verloren
Die Inszenierung treibt in den Wortspielereien, im zelebrierten Duell zwischen den beiden Kontrahenten um Effi, den stark witzigen Szenen, in den Bonmots, den Zotten und manchem Nonsens das Spiel auf die skurrile Spitze. Damit geht ein wenig die Botschaft verloren, die innere Tragik, das Anliegen, sich mit Sexismus und patriarchaler Gewalt auseinanderzusetzen. Dennoch gelingt es Theunert, das Publikum über zweieinhalb Stunden dabei zu behalten. Das ist auch ein Verdienst des bestens aufgelegten Ensembles: Roman Majewski als Innstetten und Sebastian Fink als Crampas, die glaubhaft mit ihrem Mannsein und ihrer patriarchalen Rolle hadern; Susanne Weckerle und Andreas Guglielmetti als Mutter und Vater Briest, die unfähig sind aus ihrem gesellschaftlichen Gefängnis auszubrechen und am Ende ihre Tochter Effi verstoßen.
Und so erlischt das Licht beim Schlaflied für Effi, und die Erkenntnis bleibt: „Die Welt ist falsch, in der wir leben.“