Dietmar Schlau spielt nicht nur Theater, sondern führt auch Regie und schreibt selbst Stücke. Foto: Heinig

Gerade stand er zum ersten Mal im Villinger Theater am Turm bei der Gruselkomödie "Hirn" auf der Bühne. Zu sehen war er aber auch schon beim Burgspektakel an der ­Ruine Waldau und beim Theater im Engel in Neuhausen. Der Seiteneinsteiger Dietmar Schlau ist nicht nur Darsteller, er führt auch Regie und schreibt selbst Stücke.

Villingen-Schwenningen - Dafür bekam er 2018 in der Kategorie Theater, Schauspiel, Kleinkunst den Kulturpreis des Schwarzwald-Baar-Kreises. Wer bei dem 61-Jährigen jetzt auf ein ganzes Leben mit und auf der Bühne schließt, der irrt: Dietmar Schlaus Talente schlummerten lange und wurden 2016 nur durch einen Zufall freigelegt. Doch der Reihe nach.

20 Jahre lang eine eigene Firma für Industrieautomation geführt

Dietmar Schlau ist ein Südstädtler, der an der Hochschule Furtwangen Informatik studierte und 20 Jahre lang eine eigene Firma für Industrieautomation führte. Eines Tages wollte "ich mich nicht mehr auf Termine und Kosten reduzieren lassen", erzählt er. Seinen Wunsch, sich Menschen zuzuwenden, erfüllte er sich mit der Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie. Das ließ er sich damals 16 000 D-Mark kosten. 2008 eröffnete er in der Färberstraße seine Praxis, in der er sich auf die klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Carl Rogers spezialisierte. Sie besagt, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen sein ganzes Leben lang aktualisieren kann nach dem Motto "Persönlichkeit ist kein Zustand, sondern ein Prozess".

Auf der Straßenseite gegenüber seiner Praxis eröffnete 2015 Olaf Jungmann sein Kleinkunsttheater "Rollmops". Dietmar Schlau war sofort elektrisiert, hatte er doch als Schüler schon Theater gespielt, und er suchte den Kontakt. Der mündete in einer Lesung und gleich darauf in einem ersten Theaterstück, das er aus einer seiner Kurzgeschichten entwickelte. Durch die Ausbildung in Erzählkunst und Dramaturgie, unter anderem bei Hollywoodautoren, fiel ihm das nicht schwer.

"Das Grenzwiesel" war Einstieg in seine Leidenschaft

"Das Grenzwiesel", eine mystische Begebenheit rund um den österreichischen Freiheitskämpfer Andreas Hofer war – auch als Schauspieler auf der Bühne – sein Einstieg in eine Leidenschaft, die sein weiteres Leben stark prägen sollte. Nie sei er "so deutlich im Hier und Jetzt als spielend auf der Bühne", sagt er. Außerdem schmeichle der Applaus dem Ego. An dieser Stelle ist Schlau wieder Psychotherapeut. Nicht umsonst kenne man das "Psychodrama" als Therapieform, erklärt der Fachmann, in der man mit improvisierten Szenen Varianten des Denkens, Fühlens und Handelns kennenlerne und – quasi als heilsamer Effekt – dadurch seine seelische Ausstattung erweitere.

Größter Erfolg war das Stück "Marian"

Sein größter Erfolg war das Stück "Marian", das er 2017 zum 75. Jahrestag der Hinrichtung zwischen Villingen und Pfaffenweiler des polnischen Zwangsarbeiters Marian Levicki schrieb. Alle Vorstellungen im Rollmops-Theater waren damals ausverkauft und man musste nachlegen. Am meisten freute sich Schlau über das Lob eines Pfarrers, der ihm sagte: "Ich habe in diesen zwei Stunden mehr über die Menschen gelernt als in 20 Jahren Seelsorge". Das menschliche Gewissen habe ihn schon immer fasziniert, sagt Dietmar Schlau. Er habe die Nazi-Geschichte daher mit dem wissenschaftlich belegten Mechanismus, wonach jeder Mensch seine eigene, innere Wahrheit findet und sich im Recht glaubt, illustriert.

Soeben muss Schlau mit der Enttäuschung fertig werden, dass das Stück "Der goldne Topf" nach E. T. A. Hoffmann, für das er die Bühnenfassung schrieb, bei dem er Regie führte und auch mitspielen sollte, nun doch nicht im Theater des Jugend- und Kulturzentrums Klosterhof aufgeführt werden konnte. Das Vorhaben scheiterte an etlichen Coronainfektionen und Quarantänepflichten der Ensemblemitglieder. Ob und wann es doch noch aufgeführt werde, stehe derzeit in den Sternen, heißt es.

Eingebunden in Projekte des Theaters am Turm

Seine Hände braucht Dietmar Schlau dennoch nicht in den Schoss zu legen. Eingebunden ist er aktuell im Theater am Turm in die Proben des Familienstückes "Koi-Karpfen kuscheln nicht" und in das Sommertheater "Currywurst mit Pommes", das im Juni am Klosterhof zu sehen sein wird. Es handelt von den kuriosen Besuchern einer Imbissbude auf einer Autobahnraststätte. Hier ist Dietmar Schlau einer von acht Mimen, die in jeweils zehn Rollen schlüpfen. In der Pipeline hat er außerdem "Bühnenküsse", eine von ihm geschriebene turbulente Liebeskomödie, für die er noch einen Platz im Spielplan eines Theaters sucht. Gemeinsam mit Schauspielkollegin Maximiliane Fleig produziert er außerdem gerade das Stück "Kotzmotz, der Zauberer" für Kindergarten- und Grundschulkinder, im September zu sehen im Klosterhof-Theater.

Mit dem Wohnmobil hinaus in die Welt

Seit 17 Jahren lebt Dietmar Schlau mit seiner Frau, einer Hebamme, und seinem Sohn, der gerade das Abitur macht, auf einem Bauernhof im Urachtal. Die Zukunft sieht Dietmar Schlau entspannt. Mit Eintritt in das Rentendasein geht es mit dem Wohnmobil hinaus in die Welt. Ein halbes Jahr unterwegs, die andere Hälfte Theater, so lautet sein Plan. Vielleicht dann sogar mit einem eigenen Theater. Eine Truppe hat er dafür schon um sich geschart. Dort will er dann seine Theaterphilosophie, die da lautet "von A wie Anspruch bis Z wie Zwerchfell", umsetzen. Zudem findet er: "Die Kulturlandschaft Villingen-Schwenningens kann ein weiteres Theater mit dieser Ausrichtung durchaus verkraften".