Thorsten K. (li.) bei einer Demonstration neben Tony E. (re.). E. ist Angeklagter im Terrorverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Foto: Pixelarchiv/Pixelarchiv

Thorsten K. gehörte zum engen Kreis der mutmaßlichen Rechtsterrorgruppe S.. Vieles spricht dafür, dass er gleichzeitig den Verfassungsschutz mit Informationen versorgt. Der wahrscheinliche Spitzel sollte der „Gruppe S.“ wohl Waffen besorgen.

Eigentlich wollte ein Richter des Stuttgarter Oberlandesgerichts mit dem baden-württembergischen Landeskriminalamt nur abklären, wann ein Polizist als Zeuge geladen werden könnte. Beiläufig erwähnte der Beamte in dem Telefonat jedoch, dass die Ermittler davon ausgingen, dass der im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt lebende Thorsten K. als Vertrauensmann für einen deutschen Inlandsgeheimdienst arbeite. Ein anderen LKAler berichtete dem Juristen dann drei Tage später, der Verdacht habe sich „mehr oder weniger“ bestätigt.

Die Information ist explosiv: Seit April 2021 versuchen die Richter des 5. Strafsenates dienstags und donnerstags in bislang 70 Verhandlungstagen, Licht ins Dunkle um die mutmaßlich rechtsterroristische „Gruppe S.“ zu bringen: 13 Männer, die – ist der Generalbundesanwalt überzeugt – mit Anschlägen auf Moscheen und Politiker einen Bürgerkrieg in Deutschland auslösen und so die Bundesregierung stürzen wollten. Immer wieder taucht im unmittelbaren Umfeld dieser Gruppe Thorsten K. auf, gegen den die Bundesanwälte in einem eigenen Verfahren ermitteln.

Einer der in Stuttgart Angeklagten tötete sich in Untersuchungshaft. Bei einem anderen wurde die Haft außer Vollzug gesetzt. Ein dritter genießt unbehelligt seine Freiheit, weil er sich den Ermittlern schon im Frühjahr 2019 als Informant andiente und sie unentwegt bis zur Festnahme der anderen Beschuldigten am 14. Februar 2020 mit ein wenig Wahrheit und vielen Lügen fütterte.

Fremdenlegionär mit Diplomatenstatus

K., 60 Jahre alt, organisierte in Norddeutschland Demonstrationen gegen die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), kümmert sich bis heute darum, dass AfD-Treffen vom Parteitag bis zum Bootsausflug auf dem Nord-Ostsee-Kanal in Schleswig-Holstein ungestört verlaufen. Fremdenlegionär soll er gewesen sein, es bis zum Major gebracht haben, deshalb nahezu unangreifbar sein, „Diplomatenstatus“ haben – zumindest für die aus der „Gruppe S.“. Ob K. wirklich in der französischen Truppe diente, ist ungewiss. Sicher ist nur, dass er zu Beginn der 1980er-Jahre seinen Wehrdienst ableistete und als Obergefreiter die Bundeswehr verließ. Fest steht auch: Zum Offizier, gar zum Major hat er es in der Legion definitiv nicht gebracht. „Aus den Reihen der Legion gewinnen wir nur selten Offiziere, nur in absoluten Ausnahmefällen Stabsoffiziere“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Paris. K. gehört dazu nicht. Der Ministeriale lacht, als er vom „Diplomatenstatus“ hört.

Der stämmige Norddeutsche ist eng an der „Gruppe S.“ dran: Vor dem Brandenburger Tor ließ er sich am 3. Oktober 2019 mit etlichen der Angeklagten fotografieren. Der Kopf der nach ihm benannten Gruppe, Werner S., richtete in einer Chatgruppe „beste Grüße von Major K.“ aus; in drei der virtuellen, internen Besprechungsgruppen war K. Mitglied. Ungezählte Telefonate der Angeklagten drehten sich um ihn. Er sollte an den wenigen Treffen der Gruppe teilnehmen, auch an dem am 8. Februar 2020 in Minden, das – so bewerten es die Richter vorläufig – das Gründungstreffen der „Gruppe S.“ gewesen sein könnte. An die Weser gereist ist K. jedoch nicht. Tony E., für den Generalbundesanwalt die rechte Hand von S., soll K. noch zwei Tage vor der Festnahme der „Gruppe S.“ gefragt haben, ob er Waffen besorgen könne, berichtete K. selbst der Polizei.

Nur ein Sperrvermerk aus dem Innenministerium

Leichter wird die Wahrheitsfindung nicht für die Richter, wenn nun ein V-Mann im direkten Umfeld der „Gruppe S.“ auftaucht. Das Verfahren gegen die Rechtsterrorgruppe NSU hat gezeigt, dass die Juristen im Prozess sauber herausarbeiten müssen, ob und was genau ein Polizei- oder Geheimdienstspitzel gesagt und getan hat. Ob er möglicherweise aktiv dazu beigetragen hat, dass sich eine Gruppe in die eine oder andere Richtung entwickelte. Das bestimmt, wie die zahlreichen NSU-Untersuchungsschüsse der Parlamente feststellten, nicht zuletzt die Art und Weise der Richter, wie sie Zeugen befragen. Gerade der geschwätzige und fantasievolle, seine Mitangeklagten belastende Paul-Ludwig U. ist bereits eine Herausforderung.

Aber auch das Innenministerium Baden-Württembergs. Das halte Videomaterial von Treffen der Gruppe mit einem Sperrvermerk unter Verschluss, sagte der Vorsitzende Richter Herbert Anderer in der Hauptverhandlung. Eher zufällig hatte ein als Zeuge vernommener Kriminaler ausgeplaudert, dass das Mindener Treffen „ins Lagezentrum nach Stuttgart“ übertragen worden sei. Dieses Material – wie auch das weitere, das bei den Observationen der „Gruppe S.“ entstand – wollen die Verteidiger unbedingt sehen. Gerade jetzt.