Einer der drei Angeklagten wird in handschließen vorgeführt Foto: dpa

Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat in Stuttgart der Prozess gegen drei Männer begonnen, die sich am Terror des „Islamischen Staats Irak und Großsyrien“ (ISIG) beteiligt haben sollen.

Stuttgart - Die drei Männer, ein libanesisches Brüderpaar aus Stuttgart und ein Deutsch-Afghane aus Mönchengladbach, sind der Mitgliedschaft einer ausländischen Terrorvereinigung beziehungsweise deren Unterstützung angeklagt. Sie sollen „schwere staatsgefährdende Gewalttaten“ vorbereitet haben. Der Hauptangeklagte Ismael I. (24) aus Stuttgart hat bei der Polizei und jetzt vor Gericht gestanden, im August 2013 nach Syrien gereist zu sein. Dort habe er eine zweimonatige militärische Ausbildung absolviert und sei dann an einem Häuserkampf bei Aleppo gegen die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad beteiligt gewesen.

Vor dem 6. Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart stellt sich der 24-Jährige allerdings als Opfer terroristischer Islamisten dar. „Ich bin denen voll ins Messer gelaufen“, sagt er. Er stellt aber auch klar: „Es war totaler Dreck, was ich gemacht habe.“ Die Bundesanwälte sehen es anders. Oberstaatsanwalt Bodo Vogler sagt, Ismael I. sei bereits Ende 2012 „fest entschlossen gewesen, sich in Syrien als Kämpfer der Terrorgruppe ISIG anzuschließen“.

Tatsache ist, dass sich der junge Mann, der bei seiner Mutter in Stuttgart wohnte, in einer schwierigen Phase befunden hat. Seine Familie war 1985 vom Libanon nach Dänemark geflohen. Dort wurde er 1990 geboren. 1995 siedelte die Familie nach Deutschland um, er wuchs in Stuttgart auf, holte seine Mittlere Reife nach, lernte eine Frau kennen, siedelte mit ihr nach Schweden über, wo das Paar heiratete. Das Glück währte nur kurz – die Frau verlor ihr Baby, die Ehe zerbrach, er kehrte nach Stuttgart zurück und begann, Drogen zu nehmen. „Ich habe mich selbst zerstört“, sagt er. Ein leichtes Opfer für die Einflüsterungen radikaler Islamisten? „Ich suchte Hilfe in der Moschee in Bad Cannstatt. Dort sagte man mir, ich solle eine Pilgerfahrt nach Mekka machen“, sagt er. Gesagt getan – im Juli und August fuhr er los.

Sein Reiseleiter hieß ausgerechnet Sven Lau – ein Konvertit, der als Hassprediger gilt. Lau war erst im Februar dieses Jahres in Mönchengladbach festgenommen, aber im Mai wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte die Anklage gegen Lau zurückgenommen, da nur die vage Möglichkeit einer Verurteilung bestehe.

„Sven Lau hat mir von humanitärer Hilfe erzählt“, so Ismael I. Er habe helfen wollen, er habe gegen den „Verbrecher Assad“ wirken wollen, so der Angeklagte, der vor Gericht einen eloquenten, intelligenten und selbstbewussten Eindruck macht. Sieht so ein religiöser Eiferer, ein islamistischer Terrorist aus? Sein Mandant sei eher „Wein, Weib und Gesang“ zugetan, sagt Verteidiger Stefan Holoch.

Trotzdem reiste Ismael I. am 22. August 2013 von Düsseldorf über die Türkei und dann mit Hilfe eines Schleusers nach Syrien, wo er Anfang September einem einer Kampftruppe mit Namen Muhajirun Halab vorstehenden Emir zugeführt wurde. Diese Truppe untersteht der Terrorvereinigung ISIG. Der 24-Jährige absolvierte eine militärische Ausbildung nahe der Stadt Atma. „Er war bereit, für die Ziele der ISIG zu sterben“, sagt der Oberstaatsanwalt.

Auf Anweisung des Emirs Abdullah Shishani soll Ismael I. am 21. Oktober vorigen Jahres nach Stuttgart zurückgekehrt sein. Und zwar mit dem Auftrag, militärische Kleidung, Medikamente sowie zwei Nachtsichtgeräte zu beschaffen. Dabei soll der smart auftretende 24-Jährige von seinem mitangeklagten 34-jährigen Bruder unterstützt worden sein. Der Bruder soll unter anderem 10 000 Euro beschafft und Militärkleidung bestellt haben. Parallel dazu wurde ein Ford Kombi für 850 Euro gekauft, den der dritte Angeklagte, den Ismael I. auf seiner Pilgerreise nach Mekka kennengelernt hatte, in Mönchengladbach zuließ. Auch der 38-Jährige soll bereit gewesen sein, sich dem Kampf der ISIG anzuschließen.

Am Abend des 13. November 2013 brachen Ismael I. und sein deutsch-afghanischer Freund mit dem Ford Richtung Syrien auf. Im Gepäck hatten sie die Nachtsichtgeräte, die Kleidung, Medikamente und mehr als 6000 Euro, die für die Terrorkämpfer bestimmt waren. An der Autobahnraststätte Gruibingen wurden die mutmaßlichen Terrorkämpfer festgenommen.

„Ich habe wirklich gedacht, ich könnte was verändern“, sagt Ismael I. Allerdings im Sinne des arabischen Frühlings, im Sinne der Freiheit, so der Angeklagte. Der Prozess wird am 12. November fortgesetzt.